Business-gerechter Breitband-Access

Beschleunigung auf der Datenautobahn

28. Februar 2014, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Die Palette an schnellen Auffahrten für das Internet ist 2013 um eine Schiene reicher geworden: Neben DSL, Breitband-TV-Kabel (CATV) und Satellit ist nun auch der Mobilfunk via LTE (Long Term Evolution) eine feste Größe im Access-Szenario. Hauptschauplatz im Business-gerechten Breitband-Access bleibt aber wohl vorerst DSL. Zudem hat die DSL-Add-on-Technik "Vectoring" das Potenzial, den gesamten TK-Markt auf den Kopf zu stellen.Es sieht für Deutschland nicht schlecht aus, wenn es um schnelle Auffahrten ins Internet geht. Wenngleich die Breitbandabdeckung in vielen ländlichen Regionen immer noch markante Lücken aufweist, in den Ballungszentren ist die Versorgung inzwischen sehr gut. Im globalen Vergleich liegt Deutschland bei den kabelgebundenen Breitbandtechniken mit einer Durchdringung von 34 Prozent auf Platz neun (Österreich: Platz 28 mit 25,2 Prozent). Global führend ist dort mit 41,9 Prozent die Schweiz, vor den Niederlanden und Dänemark. Beim mobilen Breitband (HSPA, HSPA+ und LTE) sieht es für Deutschland weitaus schlechter aus - die Durchdringung von 41 Prozent reicht dort gerade mal für Platz 40 (Österreich: Platz 23 mit 55,5 Prozent, Schweiz: Platz 39 mit 41,3 Prozent). HSPA (High Speed Packet Access) ist eine für höhere Datenraten optimierte Erweiterung des Mobilfunkstandards UMTS. Mit der neuen Generation von HSPA+ sind derzeit theoretische Datenraten von 168 MBit/s im Download möglich - das Gros der in der Praxis installierten Sende- und Empfangseinrichtungen unterstützt bislang jedoch "nur" Geschwindigkeiten von 14,4 MBit/s. Die genannten Zahlen sowie das Ranking stammen aus dem jüngsten Report der Breitbandkommission der Vereinten Nationen vom September 2013 ("The State of Broadband 2013: Universalizing Broadband"). Unter Berücksichtigung des von der Regierung aufgestellten Ausbauplans sieht die ITU Deutschland damit auf einem guten Weg. Auch die deutsche Regulierungsbehörde verweist in ihrem letzten Tätigkeitsbericht auf eine sehr erfolgreiche Entwicklung in Sachen Breitbandanschlüsse. Sie differenziert zwischen einfachen (bis 49 MBit/s) und Highspeed-Breitbandanschlüssen (ab mindestens 50 MBit/s). Bei letzteren sei die Verfügbarkeit in Deutschland seit 2010 um mehr als 40 Prozent gestiegen. Ebenso sei die Zahl der gesamten (Festnetz-)Breitbandanschlüsse in Deutschland deutlich gestiegen. Mitte 2013 waren es laut Bundesnetzagentur (BNetzA) 28,4 Millionen. Die prozentuale Durchdringung entspricht mit 34 Prozent damit den Erhebungen der ITU. Für den EU-Durchschnitt nennt die BNetzA einen Durchdringungswert von 28,8 Prozent. Einen Überblick über die Breitbanddurchdringung insgesamt (inklusive xDSL, Kabel, Satellit sowie UMTS oder LTE) lieferte kürzlich der Bitkom-Verband. Dessen Marktforschungspartner ermittelte für Deutschland einen Wert von 85 Prozent. Vor fünf Jahren waren es erst 55 Prozent. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit in der Spitzengruppe auf Platz fünf, nur drei Prozentpunkte hinter dem Spitzenreiter Finnland. Dort haben 88 Prozent der Haushalte Breitbandanschlüsse. "Seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts 1998 haben die Netzbetreiber mehr als 100 Milliarden Euro in die Netze investiert. Von diesen Investitionen profitieren die Kunden mit schnelleren Verbindungen bei gleichzeitig gesunkenen Preisen", so Bitkom-Präsident Prof. Dieter Kempf.   VDSL-Vectoring - Highspeed wird wirtschaftlich Gerade bei den Highspeed-Breitbandanschlüssen hat sich über die letzten Jahre ein Wettbewerbskonflikt herausgebildet, der im vergangenen Jahr in einem dramatischen Höhepunkt gipfelte. Findet sich dort keine wettbewerbsgerechte Lösung, so fürchten Branchenverbände eine Verlangsamung des Ausbaus und eine willkürliche Preisgestaltung seitens der Deutschen Telekom. Aber der Reihe nach: Technisch basieren DSL-Anschlüsse mit Übertragungsraten über 50 MBit/s auf VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) beziehungsweise VDSL2 und VDSL2+, dem aktuell schnellsten DSL-Verfahren. Das ursprüngliche VDSL fand nicht nur in Deutschland kaum Freunde: Trotz Übertragungsraten von theoretisch bis zu 52 MBit/s fehlen ihm grundlegende Eigenschaften, die für Triple-Play (ISDN- und IP-Telefonie plus Internet plus IP-TV) unabdingbar sind, allen voran die Möglichkeit, Anwendungen zu priorisieren. Diesen Mangel hat bereits 2005 der ITU-Standard VDSL2 behoben, der die Übertragungsraten zudem auf bis zu 100 MBit/s hochschraubt - und dies sowohl in Sende- als auch Empfangsrichtung. Geblieben sind jedoch eine kurze Reichweite (etwa 800 Meter zwischen Vermittlungsstelle und Netzanschluss) sowie die Einschränkung, pro Verteiler (oder Multifunktionsgehäuse - kurz MFG, wie dieser heute auch genannt wird) nur eine kleine Zahl von Anwendern mit der hohen Geschwindigkeit anschließen zu können. VDSL2+ letztlich führt unter anderem ein Verfahren mit der Bezeichnung "Vectoring" ein. Dieses reduziert die elektromagnetischen Störsignale, die zwischen Kupferleitungen immer auftreten. Vectoring verdoppelt in etwa die Reichweite von VDSL - und löst gleichzeitig den "Knoten" am MFG. Beides sorgt für eine deutlich erhöhte Wirtschaftlichkeit von DSL-Breitbandanschlüssen, da sich bei vergleichsweise geringer Mehrinvestition erheblich mehr Teilnehmer ins schnelle Netz einbinden lassen. Die Deutsche Telekom etwa plant, die Zahl ihrer Breitbandanschlüsse via VDSL2-Vectoring von derzeit 11 Millionen in den kommenden Jahren auf gut 20 Millionen fast zu verdoppeln. Die Problematik mit Vectoring liegt in der Tatsache, dass diese Technik einem echten Wettbewerb der TK-Player mit voller Breitseite entgegensteht. Vectoring gelingt nur dann in der gewünschten Ausprägung, wenn möglichst viele - am besten alle - Adernpaare eines TK-Kabels auf dieselbe Vermittlungsstelle führen. Werden also die Adernpaare im Sinne eines ausgewogenen Wettbewerbs auf mehrere Carrier verteilt, bleibt Vectoring außen vor. Der mit Abstand größte Teil der TK-Kabel aus Kupfer landet in Vermittlungsstellen der Telekom, die mit Vectoring somit marktdominierend ist. Bei superschnellen DSL-Anschlüssen steht der Wettbewerb nun vor einer Zerreißprobe: entweder schnell und nur ein Anbieter (meist Telekom) - oder nicht so schnell und viele Anbieter. Nachdem die BNetzA im Frühjahr vergangenen Jahres die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, Vectoring in Deutschland einzuführen, versuchten die drei wichtigsten TK-Branchenverbände - VATM, Breko und Buglas - ein Veto zu erwirken. Bis dato haben sie damit jedoch keinen Erfolg. Allein die im Breko organisierten Festnetzwettbewerber der Deutschen Telekom halten aktuell einen Anteil von rund 56 Prozent am TK-Markt. Sie fühlen sich - ebenso wie die Mitglieder der anderen Verbände - in Sachen Highspeed-Breitband ausgegrenzt.   Quo vadis TK-Markt? Dessen ungeachtet hat die Deutsche Telekom im November letzten Jahres die ersten zehn kleineren Ortsnetze mit VDSL-Vectoring erschlossen. Teilnehmer in Albstadt-Ebingen, Bad Nenndorf, Hennigsdorf, Hosenfeld, Kalbach, Kevelaer, Löhne, Lübbecke, Neuhof-Hauswurz und Prenzlau können die neue Übertragungstechnik seither buchen - bislang allerdings noch in VDSL-Geschwindigkeit. Im der zweiten Hälfte dieses Jahres will die Telekom die volle Geschwindigkeit mit 100 MBit/s freischalten. Bis dahin könnten bereits gut 45 weitere Orte mit Vectoring versorgt sein. Ende 2014 sollen es bereits etwa 100 Orte mit insgesamt etwa drei Millionen Haushalten sein - zum Teil auch in Ballungszentren. Ganz allein ist die Telekom mit ihrem Vectoring-Angebot dennoch nicht - mitmachen können eben nur Provider, die eigene Netze betreiben und volle Kontrolle darüber haben. Ein Beispiel ist Inexio. Der saarländische TK-Provider hat mit Unterstützung von Pan Dacom Networking und Alcatel-Lucent als erstes Unternehmen in Deutschland ein kommerzielles VDSL-Vectoring-Projekt realisiert. Dabei geht es um etwa 5.000 Haushalte in Bahnstadt, einem neuen Hightech-Stadtteil von Heidelberg. Diesen steht bereits die volle VDSL-Vectoring-Bandbreite zur Verfügung. Technik-Geschäftsleitung Christoph Staudt: "Durch den Einsatz von VDSL2-Vectoring können wir trotz der mehr als 150 Anschlüsse pro Gebäude Bandbreiten von 100 MBit/s für die einzelnen Nutzer sicherstellen". Die DSL-Router kommen bei diesem Projekt von AVM, deren Fritzbox-Geräte sich über ein Software-Update Vectoring-fähig machen lassen. Die VDSL2 Line Cards von Alcatel-Lucent und die Fritzbox-Modelle enthalten dabei Chipsätze unterschiedlicher Hersteller. Dieses erste Pilotprojekt zeigt somit auch, dass Vectoring mit gemischter Netzwerkinfrastruktur realisierbar ist. Für VDSL-Vectoring sind auch neue Prüfgeräte erforderlich, die mit dieser Technik korrekt umgehen. Kurth Electronic beispielsweise will auf der CeBIT 2014 den KE3500 präsentieren, ein neues Einstiegsmodell in dessen "DSL Multi-Test"-Familie. Speziell auf die Bedürfnisse der Installateure und Service-Techniker zugeschnitten soll das neue Gerät neben zahlreichen DSL- und Highspeed-Ethernet-Tests vollwertige VDSL-Vectoring-Messungen erlauben. Zusätzlich befeuern den Streit über die künftige TK-Marktstrategie allerdings auch Pläne der EU, in jedem Land nur noch einen "Super-Carrier" zu etablieren - vorzugsweise den jeweiligen früheren Monopolisten, in Deutschland also die Telekom. Dagegen haben sich jedoch neben den Branchenverbänden die BNetzA ebenso wie die Monopolkommission ausgesprochen. Letztere ist ein unabhängiges Gremium, das die Bundesregierung im Bereich der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Im jüngsten Sondergutachten heißt es: "Die Telekommunikationspolitik der letzten 15 Jahre hat in Deutschland zu mehr Wettbewerb (?) und sinkenden Preisen für die Verbraucher geführt. Diese Erfolge sollten nicht durch eine (?) Neuausrichtung (?), die wenige europäische Großkonzerne begünstigt, gefährdet werden." Wie das Machtspielchen zwischen EU und nationalen Organisationen ausgeht, ist derzeit schwer abzuschätzen. Tatsache ist, dass die BNetzA derzeit auf Empfehlung der Monopolkommission über eine "regionalisierte Regulierung" nachdenkt. Damit würde der Weg frei für eine Lockerung der Regulierung immerhin in Teilmärkten.   Mobilfunk wird Access-Technik für LANs Gute Triple-Play-Angebote gibt es nicht nur via DSL, sondern auch über CATV, Satellit und neuerdings LTE. CATV liefert bereits heute Bandbreiten bis zu 300 MBit/s im Empfang (DOCSIS 3.0) - verteilt auf alle Anschlüsse an einer Kopfstelle (Verteiler zu den einzelnen Anschlüssen). In künftigen Ausbauphasen sind bereits Geschwindigkeiten von 1 GBit/s, 5 Gbit/s und 10 GBit/s geplant (DOCSIS 3.1). Allerdings ist das Angebot nach wie vor sehr stark auf Privatanwender fokussiert. Wer etwa bei Kabel Deutschland auf "Angebote für Geschäftskunden" klickt, findet ausschließlich Wohnungsunternehmen, Hausverwaltungen und Ähnliches adressiert. Business-Kunden: Fehlanzeige. Möglicherweise wird sich dies im Zug des DOCSIS-3.1-Ausbaus ändern - immerhin theoretisch bietet das TV-Kabel dann neben den hohen Geschwindigkeiten auch eine Business-gerechte Ausstattung mit garantierten Service-Qualitäten (QoS) und Einsatzszenarien für VPN-Vernetzung, Cloud-Services und weitere Dienste. Jüngster Mitspieler bei den Breitbandauffahrten ins Internet ist das Mobilfunknetz. Sicher existieren bereits seit Jahren Surf-Sticks, Smartphones, Laptops und Tablets, die einen Internet-Zugang über das Mobilfunknetz bereitstellen - jedoch meist (und sinnvollerweise) nur für eine Person. Seit 2013 gibt es auch Access Router auf LTE-Basis: vor allem für Selbständige, kleine Büros und Home Offices in DSL-unterversorgten Gebieten eine Alternative - zumindest wenn ein LTE-Funkmast in Reichweite ist. Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

Pilotprojekt: Mit VDSL-Vectoring ließ sich die Durchsatzgeschwindigkeit in Bahnstadt, einem neuen Hightech-Stadtteil von Heidelberg, gegenüber VDSL2 verdoppeln. Bild: AVM

Ein TK-Kabel, wie es heute meist zum Einsatz kommt, umfasst mehrere Hundert verschiedene Adernpaare. Bild: AVM

Mobilfunk-Abdeckung in Deutschland mit LTE bei Vodafone (Stand: April 2013). Bild: Vodafone

Entwicklung des Breitbandausbaus in Europa laut Bitkom. Bild: Bitkom

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