Mobilfunk-Backhaul und Ethernet

Blick auf die Netzsynchronisation

19. April 2016, 6:00 Uhr | Jürgen Rummelsberger, Field Applications Engineer bei Anritsu, www.anritsu.com./jos

Der Umfang des Internet-Datenverkehrs, der über Mobilfunknetze an Mobiltelefone übertragen wird, nimmt weiter in einem erstaunlichen Maß zu. Er ist größtenteils durch die Nutzung von Video- und Spieleanwendungen seitens der Privatanwender bestimmt.

Bei dem zur Beförderung dieses Datenverkehrs genutzten zugrunde liegenden Transportnetz handelt es sich praktisch um dasselbe Netz - gleichgültig, ob die Daten an eine ältere Netzwerktechnik wie etwa 2G Mobile/TDM oder 3G Mobile/ATM/Ethernet oder an die 4G-IP-Netze unter Nutzung der Ethernet-Technik für die Backhaul-Infrastruktur zu übertragen sind. Jede dieser Techniken hat jedoch unterschiedliche Anforderungen an die Synchronisation. Exakte Zeit- oder Phaseninformationen sind beispielsweise in CDMA-, UMTS-, TDD-, LTE-TDD- und WiMAX-Netzen nötig.
Dies bedeutet, dass sich Mobilfunkbetreiber (MNOs) einer ziemlichen Herausforderung gegenübersehen: Wie lassen sich die Frequenzen einer Funkschnittstelle einer Basisstation synchronisieren, wenn deren Netz eine Mischung von 2G-, 3G-und 4G-Basisstationen enthält? Eine solche Synchronisation ist unverzichtbar, wenn die Verbindung zu einem Mobiltelefon nicht abreißen darf und wenn das Netz eine Verbindung von einer Basisstation zur nächsten zuverlässig übergeben muss, da sich der Mobilfunknutzer von einer Funkzelle zur nächsten begibt. Der Mobilfunkbetreiber muss daher eine äußerst präzise Synchronisationstechnik einsetzen. In der Vergangenheit war dies auf zwei Arten realisiert:
? Mit TDM/E1-Backhaul-Links kam ein zentraler Primärreferenztakt (PRC) zum Einsatz, und
? ein dezentraler Primärreferenztakt entstand, indem eine Verbindung zum Global-Positioning-Satelliten-System (GPS) aufgebaut wurde.
Die Migration zu IP/Ethernet-Backhaul-Verfahren hat jedoch zu zwei neuen Synchronisationsverfahren für Paketnetze geführt:
? SyncE zur Frequensynchronisation und
? IEEE 1588v2 zur Zeitsynchronisation.
Das SyncE-Verfahren zur physischen Synchronisation durch Signalweiterleitung - wie in den Standards ITU-T Rec. G.8261, G.8262 und G.8264 definiert - basiert auf den bekannten SDH/SONET/PDH-Synchronisationssystemen. Timing-Informationen gelangen über eine physische Verbindung (Bild 1). Die übertragenen Signale sind direkt oder indirekt mit einer hochgenauen Taktquelle im Netz synchronisiert.
SyncE ist in der Lage, die Frequenz zu verteilen, kann jedoch nicht zur Verteilung von Uhrzeitdaten dienen. Zudem muss jedes Element des synchronen Ethernet-Netzes SyncE auf gleiche Weise unterstützen. Dies bedeutet, dass Betreiber SyncE in traditionellen Ethernet-Netzen nur einsetzen können, wenn alle Schnittstellen und die physische Hardware einem Upgrade unterzogen sind. Dies könnte die Einsatzmöglichkeiten von SyncE über unterschiedliche Netzbetreiber hinweg begrenzen.
 
IEEE 1588v2
Das Precision Time Protocol (PTP), das im Ethernet-Standard IEEE 1588v2 spezifiziert ist, sorgt für eine Synchronisation von Takten innerhalb eines Computernetzwerks, indem es Uhrzeit-, Phasen- und Frequenzsollwerte liefert. Die Frequenzsynchronisation ist exakt genug, um in Telekommunikationsanwendungen zum Einsatz zu kommen. Deren Funktion ist in der Norm "ITU-T G.8265.1 (IEEE 1588v2) - Profil für Telekommunikation" beschrieben. Die ITU-T G.8265.1 definiert eine Domäne als eine logische Anordnung von Taktgebern, die unter Nutzung des PTPs miteinander kommunizieren. Möglicherweise ist nur ein aktiver PTP-Master-Taktgeber pro Domäne vorhanden. In derselben Domäne können jedoch andere, nichtaktive Master-Taktgeber vorhanden sein (Bild 2).
 
Tests der PTP-Funktion
Da eine ordnungsgemäße Synchronisation für den reibungslosen Betrieb heutiger paketbasierender Mobilfunknetze unerlässlich ist, folgt daraus, dass der Netzbetreiber in der Lage sein muss, das verwendete Synchronisationsverfahren zuverlässig zu prüfen. Im Fall von Netzen, die das PTP nach IEEE 1588 nutzen, kann der Techniker die Verbindung zum Domain-Mastertaktgeber testen, indem er einen geeigneten Tester für optische Transportnetze (Optical Network Tester, zum Beispiel den MT1000A oder den MT1100A von Anritsu) als Slave-Taktgeber in eine Taktdomäne einfügt. Darüber hinaus lassen sich andere IEEE-1588v2-Parameter in Verbindung mit dem VLAN-Tagging einstellen, um ein Prioritätsschema für die Service-Qualität (QoS) zu ermöglichen, wobei sogenannte MPLS-Labels (Multi-Protocol Label Switching) eingebaut werden, um einen IP-Pfad oder einen Label Switched Path (LSP) herzustellen.
IEEE-1588v2-PTP-Ergebnisse liefern gemeinsam mit Statistiken zu Offset und Offset-Varianz, Path Delay Variation (PDV) sowie Meldungen und Takt-Zustandsübergänge weitere Details zur Stabilität der Ethernet-Verbindung und zeigen an, ob die auf G.8265.1 basierende Frequenzsynchronisation beeinträchtigt ist (Bild 3). Aus der PDV lassen sich einige Hinweise darüber ableiten, ob die IEEE-1588v2-Slaves in der Lage sind, exakte Taktdaten aus dem Netz abzuleiten. Die Leistung des Takts über ein beliebiges vorgegebenes Taktintervall hinweg ist jedoch durch die Paketverzögerung des schnellsten Pakets bestimmt.
Falls ein Problem mit der Verbindung zum Haupttaktgeber besteht, lassen sich die PTP-Meldungen protokollieren, um eine detailliertere Analyse und Fehlersuche der PTP-Signalgebung zu ermöglichen. Die erfassten Meldungen lassen sich in ein mit Wireshark kompatibles Format exportieren.
Die Verifizierung der Synchronisationsfunktion in SyncE-Systemen kann den Meldekanal für die Ethernet-Synchronisation (Ethernet Synchronisation Messaging Channel, ESMC) nutzen, um Informationen zur Qualität der Synchronisation zu übertragen. Im Allgemeinen ist das SSM-Format (Meldung zum Synchronisationsstatus) in ESMC-Verbindungen basierend auf dem ITU-T-G.781-Standard zusammen mit den Auswahlalgorithmen für die Synchronisation vorgesehen.
Die Spezifikationen sowohl von ESMC- als auch von SSM-Meldungen sind in ITU-T G.8264 definiert.
Das Senden von SSM-Meldungen erfolgt mit einer Übertragungsrate von zehn Paketen pro Sekunde. Tatsächlich ist es nicht notwendig, die komplette SSM-Funktionalität an allen Knoten eines Netzes zur Verfügung zu haben. Die Fähigkeit zur Generierung von SSMs ist nur dann erforderlich, wenn das Netzwerkelement an der Verteilung der Netzwerktaktung partizipiert.
Synchrone Ethernet-Bauelemente sind mit einem Systemtakt (Ethernet Equipment Clock, EEC) ausgestattet und in der Lage, die empfangene Taktrate zu extrahieren, um diese an eine Systemtakt weiterzugeben. Die EEC kann auf verschiedenen Qualitätsleveln (QLs) arbeiten.
Die Schnittstelle eines synchronen Ethernet-Bauelements ist so konfigurierbar, dass es sowohl im nichtsynchronen Modus (dem Standardmodus) als auch im synchronen Betriebsmodus funktioniert. Der nichtsynchrone Modus verarbeitet den ESMC nicht und kann daher den QL-Wert nicht extrahieren. Anders gesagt: Er ist nicht in der Lage, am Synchronisationsnetz zu partizipieren, und damit funktionell identisch mit einer asynchronen Schnittstelle.
Im synchronen Betriebsmodus enthält das übertragene Signal die Information zur Taktquelle als SSM, und zwar transportiert im ESMC. Der entsprechende Empfänger muss in der Lage sein, die Frequenz des Eingangssignals zu extrahieren und es an den Systemtakt weiterzuleiten. Durch Erfassen und Verarbeiten der ESMC-Meldungen und Anzeigen des SSM/QL-Bytes ist das Signal verifizierbar.
Um eine kontinuierliche Anzeige des Takt-QLs zu gewährleisten, verwendet das Verfahren die sogenannte "Heartbeat Message" mit einem Intervall von einer Sekunde. Ausbleibende Meldungen gelten als Anzeichen für einen Störungszustand: Wird der SSM/QL nicht innerhalb von fünf Sekunden erfasst, erfolgt ein Alarm.
 
Schlussfolgerungen aus Feldversuchen
Die Migration in eine paketvermittelte Transportinfrastruktur für Basisstationen beschleunigt sich. Synchronisation bietet maßgebliche operative Hilfe für diese Migration. Eine präzise Taktsteuerung und kurze Latenzzeit sind daher besonders wichtige Vorgaben für die Entwickler für Mobilfunk-Backhaul-Transportnetze. Eine Kombination von Synchronisationstechniken wird entstehen: Insbesondere SyncE sorgt für eine stabile Frequenzsynchronisation, während das IEEE-1588v2-PTP eine zuverlässige Zeitsynchronisation bietet, die die Probleme bewältigt, die durch eine übermäßige Paketverzögerung entstehen.

Bild 2. Möglicherweise ist in jeder PTP-Domäne jeweils nur ein Master aktiv.

Bild 3. Das Ergebnis von mit dem Optical-Network-Tester MT1000A durchgeführten IEEE-1588v2-Tests.

Bild 1. In SyncE-Systemen läuft ein mit einem PRC synchronisiertes Signal von Netzknoten zu Netzknoten.

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