Industrie 4.0 mit SD-WAN umsetzen

Daten über den richtigen Pfad routen

24. März 2017, 8:00 Uhr | Von Oliver Burgstaller.

Die Digitalisierung verändert Produktion und Arbeit in Deutschland grundlegend. Unternehmen stehen mitten in der vierten industriellen Revolution. Nach Industrie 1.0 mit Dampfmaschine und Mechanisierung, Industrie 2.0 mit Elektrizität und Massenfertigung sowie Industrie 3.0 mit Mikrochips und Automatisierung der Produktion bedingt nun das Internet of Things (IoT) mit Industrie 4.0 den nächsten Entwicklungsschritt.

Das IoT verzahnt die industrielle Fertigung mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik und verknüpft die Produktions- und Logistikprozesse auch mit Zulieferern und Partnern. Unternehmen können mithilfe von IoT-Technik Maschinen, Anlagen und Prozesse miteinander und mit der Cloud vernetzen und damit ihre Anlagen über ein zentrales Dashboard aus der Ferne überwachen und verwalten. Durch intelligentes Monitoring der Fertigungsdaten ist es zudem möglich, nahezu in Echtzeit auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, die Produktion zu optimieren oder auch den Wartungsbedarf bei Maschinen frühzeitig zu erkennen und einen kostspieligen Ausfall proaktiv zu verhindern (Predictive Maintenance).

Doch Industrie 4.0 stellt hohe Anforderungen an die bestehende IT-Infrastruktur. Insbesondere die Netzwerke der Unternehmen inklusive Wide Area Network (WAN) müssen den neuen Ansprüchen genügen. In der digitalen Fabrik nimmt beispielsweise die Zahl der Geräte und Netzwerkkomponenten stark zu, die ständig verfügbar sein müssen. Sensoren überwachen den aktuellen Status von Produktionsanlagen und geben Daten etwa zu Temperatur, Leistung, Umdrehungen, Feuchtigkeit oder Auslastung an eine zentrale (Cloud)-Plattform weiter. Oder sie überwachen den Materialfluss, die Position von Teilen und Produkten in den Montagelinien oder übermitteln die Lage von Paletten. Damit steigen natürlich auch die Datenmenge und die Anzahl der Workloads im Netzwerk erheblich. Industrie 4.0 kann nur erfolgreich sein, wenn alle Anwendungen reibungslos funktionieren und die Daten schnell, sicher und fehlerlos übertragen.

Traditionelle WANs nicht auf Cloud ausgerichtet

Die Realität sieht oft anders aus: Herkömmliche Netzwerkstrukturen geraten angesichts der neuen Anforderungen und der höheren Komplexität mit immer mehr Endpunkten schnell an ihre Grenzen. Während Unternehmens-WANs zunächst dazu da waren, die Filialen und Standorte zuverlässig und sicher mit dem zentralen Rechenzentrum zu verbinden, greifen Anwender heute auch direkt auf Cloud-Dienste zu. Zudem speichern viele Firmen Teile ihrer Daten mittlerweile ebenfalls in der Cloud.

Die herkömmlichen WANs von Unternehmen auf Basis von Multi-Protocol Label Switching (MPLS) sind jedoch nicht für die Nutzung von Cloud-Services optimiert. Nur wenige Cloud-Rechenzentren sind mit MPLS-Links ausgestattet. Nutzer greifen daher vor allem über Breitbandinternet auf die Cloud-Dienste zu. MPLS-WANs leiten zudem den Verkehr der Filialen und Standorte über das zentrale Rechenzentrum um. Dieses Backhauling reduziert die Performance im Netzwerk, führt zu Engpässen bei der Bandbreite sowie hoher Latenz und steigert den Management-Aufwand.

Das Performance-Problem verschärft sich, je mehr Standorte ein Unternehmen betreibt. Hinzu kommen noch weitere Herausforderungen, die mit der Zweigstellen-IT verbunden sind: Die lokalen IT-Systeme der Standorte erfordern hohe Investitionen, wenn man diese erweitern oder aktualisieren muss. Schließlich müssen sie zuverlässig funktionieren. Wenn beispielsweise die Fließbänder an einem einzelnen Produktionsstandort stillstehen, können immense Kosten entstehen. Um die Verfügbarkeit zu erhöhen, investieren Unternehmen viel Geld in die IT ihrer Zweigstellen. Riverbed fand in einer Studie heraus, dass die Zweigstellen sogar 50 Prozent des IT-Budgets verschlingen.

Doch trotz all dieser Investitionen erweist sich die Zweigstellen-IT oft als Schwachstelle der Infrastruktur. Daten sind dort zum einen nur unzureichend geschützt, zum anderen sind sie oft nur lokal verfügbar. Ähnliches gilt für lokal bereitgestellte Anwendungen. Sie kommen mit Lastspitzen oft nur schwer zurecht und erfordern hohen Administrationsaufwand, um sie auf dem neuesten Stand zu halten und Sicherheitslücken mit Patches zu schließen.

SD-WAN als Netzwerklösung für Industrie 4.0

Wie also muss ein Netzwerk aussehen, das die Herausforderungen der Digitalisierung und des Internets der Dinge meistert? Die Antwort: Es muss flexibel, leistungsstark und auf den Betrieb mit zahlreichen Zweigstellen bestmöglich ausgelegt sein. Klassische MPLS-Verbindungen im WAN sind allerdings unflexibel, unzureichend für die Cloud geeignet, teuer und aufwändig zu installieren - das Bereitstellen einer neuen Verbindung kann Monate dauern.

"Normale" Internetleitungen sind zwar preisgünstiger, bieten aber keine zuverlässige Leistung und Quality of Service (QoS) mit definierten Parametern wie Durchsatz, Verzögerungen und zeitlichen Schwankungen bei der Übertragung von Digitalsignalen (Jitter). Weitere potenzielle Schwachpunkte sind Skalierbarkeit und Sicherheit. Auch lassen sich Anwendungen nicht wie bei MPLS priorisieren. De facto setzen viele Unternehmen heute auf hybride WANs, also die Kombination von Internetverbindungen mit MPLS-WANs.

Es gibt in vielen Fällen eine bessere Lösung: ein Software-Defined WAN, das sich anfangs auch parallel zur MPLS-Infrastruktur betreiben lässt. SD-WANs erlauben dem IT-Team, sämtliche Daten und Server aus den Zweigstellen zu entfernen und in Rechenzentren zu verlegen.

SD-WANs stellen im Prinzip ein Einsatzszenario von Software-defined Networking (SDN) dar. Bei SDN wird das Netzwerk, vereinfacht gesagt, in separate Ebenen für Netzwerkdatenanalyse und -steuerung (Control Plane) sowie den Netzwerkdatentransport (Data Plane) getrennt. Dadurch ist es möglich, die Analyse- und Steuerungsebene vollständig zu virtualisieren. Ein physischer Netzwerkzugriff ist nicht notwendig.

SD-WANs bilden damit Netzwerke, die man über ein Software-Interface steuert und die unabhängig von der verwendeten Hardware arbeiten. Damit ersetzen SD-WANs manuell konfigurierte Router durch ein virtuelles Netzwerkdesign mit automatisierter Provisionierung. Sie vereinheitlichen und vereinfachen die Administration komplexer Netzwerke. Sie ermöglichen schnelles Management des Datenverkehrs über mehrere Verbindungen. Zudem können Unternehmen über LANs, WANs und Public Clouds hinweg ein einziges softwaregesteuertes Netzwerk aufsetzen.

SD-WANs bieten viele Vorteile: Zum einen können Unternehmen ihre Kosten durch geringere Anschaffungs- und Support-Kosten für Hardware reduzieren, da durch die Virtualisierung nicht mehr so viele Router, Beschleuniger und andere Netzwerk-Appliances erforderlich sind. Auch die Betriebskosten sinken durch geringere Gebühren an Provider und die vereinfachte Administration. Gartner geht hier von einem Einsparpotenzial von mindestens 40 Prozent aus.

Zum anderen reduziert sich der Zeit- und Arbeitsaufwand für den Aufbau einer neuen Niederlassung und das Update eines bestehenden Netzwerks über einen zentralen Richtlinien- und Konfigurations-Manager erheblich. Die SD-WAN-Architektur erlaubt die weltweite Verwaltung und Bereitstellung von virtualisierten Netzwerkfunktionen granular für jeden einzelnen Standort.

Zusätzliche Werkzeuge ermöglichen es, in den Zweigstellen Anwendungen umgehend lokal bereitzustellen, Ausfälle in Echtzeit zu kompensieren und das Netzwerk vollumfänglich zu überwachen und abzusichern. Dies geschieht durch Funktionen wie Firewall, VPN, IPS (Intrusion Prevention System) oder Data Loss Prevention. Damit steigt nicht nur die Datensicherheit, Unterbrechungen der Betriebsabläufe lassen sich zudem besser verhindern. Hinzu kommt eine erhöhte Agilität der IT, die man nun flexibler an die sich verändernden Anforderungen des Geschäfts anpassen kann, etwa eine steigende oder sinkende Auftragslage.

SD-WAN-Produkte kombinieren die Leistung von Big Data Analytics mit traditionellen Netzwerken. Sie überwachen die Netzwerklatenz und Verbindungsqualität und zeigen, wie ausgelastet eine Leitung gerade ist und ob noch Bandbreite zur Verfügung steht. Da ein SD-WAN die Steuerungsebene des gesamten WANs zentralisiert, lassen sich in Echtzeit Entscheidungen über das Traffic-Management treffen und das Routing optimieren.

Weil SD-WANs multiple gleichzeitige Verbindungen unterstützen, ermöglichen sie eine größere Bandbreite, geringere Latenzzeiten und die Wahl unter mehreren Leitungen. Sie steigern die Datenleistung zusätzlich, indem sie das Pooling mehrerer Leitungen erlauben. Oft erfolgt dies über kostengünstigere Leitungen, da ein SD-WAN den Datenverkehr intelligent über den optimalen Verbindungsweg routet. Weil eine SD-WAN-Architektur zudem fehlerhafte Verbindungen erkennt und umgeht, fällt beim Ausfall eines Verbindungspfades nicht der komplette Service aus.

SD-WANs schaffen damit als leistungsfähige und flexible Netzwerke die Voraussetzungen für Industrie 4.0 und eine erfolgreiche digitale Transformation der Produktion.

Oliver Burgstaller ist Director Advanced Business Solutions bei Riverbed.

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