Steuern via Satelliten-Internet - Teil 1

Fernzugriff mit Weltraum-Latenz

21. Dezember 2020, 7:00 Uhr | Dr. Johannes Wiele/jos
Das „Ohr“ am grünen Container: Hier könnte es eine Umweltmess- oder eine Pumpstation sein, die via Satellit mit irgendeiner Zentrale kommuniziert.
© LANline

Umweltmess- oder Pumpstation, Baustelle im Wald, Ferienhäuser in den Alpen, das virengeschützte Kreativ-Home-Office auf der Insel: Manchmal müssen IT und Videoüberwachung ihre Fühler auch dorthin ausstrecken, wo es weder DSL, LTE oder einfachen Mobilfunk gibt. Internet via Satellit ist dann die Lösung. Aber was ist mit der Latenz, jener Reaktionsverzögerung, die der Umweg über den Weltraum mit sich bringt? Und funktioniert der Ansatz zuverlässig? LANline hat einen Praxistest gewagt. Der erste Beitrag der Serie von der Bestandsaufnahme bis zum „Proof of Concept“.

Um Gerüchten vorzubeugen: Nein, die LANline-Redaktion hat sich im „Coronarium“ (Wilhelm Greiner) nicht in den Urwald oder auf einsame Berggipfel verkrochen und erzählt jetzt, was sie dort erlebt. An einen Ort ohne jegliche Internet-Konnektivität gelangt man weit schneller, als mancher verwöhnte Stadtbewohner vermutet. Für den Autor dieser Zeilen bietet sein eigenes Elternhaus das beste Beispiel für ein überraschend vollkommenes Web-Nirwana. Das Haus liegt zwar in einer ländlichen Gegend, aber die nächste Kleinstadt ist gerade einmal vier Kilometer entfernt, das nächste Mittelzentrum zehn Kilometer. Und in veritable High-Tech-, Industrie- und Hochschulstandorte gelangt man nach gerade einmal 30 Kilometern in die eine Richtung oder 20 Kilometern in die andere. Internet-technisch müsste man bei solch geringen Abständen zur Zivilisation doch bestens versorgt sein.

Mitnichten, wir sind ja in Deutschland und nicht an einem norwegischen Fjord. Das Haus steht in einem lokalen Naturschutzgebiet und liegt in einer Senke. Das reicht hierzulande aus, um von der Online-Welt komplett abgehängt zu sein. Aber erst heute! Einst ging es mit dem schnellen Modem via Kupferkabel zum Ortstarif zu einer privat betriebenen Mailbox im Mittelzentrum, von dort zum Uni-Rechner und mit ihm als Sprungbrett zu Computern auf der ganzen Welt. Textbasiert natürlich und per Kommandozeilen-FTP, aber nicht langsamer als in der Stadt. Heute ist die Modem-Welt Vergangenheit. Die großen Telekom-Anbieter haben keine Lust, für zwei bis drei einsame Häuser ihre DSL-Leitungen an der Straße entlang zu baggern, in unserem Fall noch dazu über ein paar Ferngasleitungen hinweg (kritische Infrastruktur, Genehmigungen!) und durch das eine oder andere Naturschutzareal hindurch. LTE? Zum nächsten Mast in der einen Richtung ist ein Hügel im Weg, in der anderen zu viel Wald mit hohen Bäumen. In der Gaststätte ein paar hundert Meter weiter musste man trotzdem schon früh die Steuererklärung online abgeben – das gelang praktisch jedoch nur, wenn ein Familienmitglied aus der Stadt vorbeikam, die Unterlagen mitnahm und die Daten zu Hause eintippte.

Mobilfunk an sich? Manchmal leidlich unter der großen Birke vorn, hin und wieder oben im Haus im Durchgang zur Kammer. Meistens allerdings eher gar nicht, und stabil erst recht nicht. Für jedes wichtige Handy-Gespräch ist eine Fahrt zum lokalen Schützenplatz fällig, weil der mit Sichtkontakt zum Funkmasten auf der höchsten Erhebung in der Gegend liegt.

Und nun wurde das Haus zur Baustelle und sollte in Zukunft vielleicht als Feriendomizil dienen. Aber so ganz ohne Internet? Die eine oder andere Kamera und Sensoren für Temperatur oder Wasser im Keller wären auch nicht schlecht, um die alte Burg auch aus der weit entfernten Großstadtwohnung heraus unter Kontrolle zu behalten. Das dies trotz Fehlens aller üblichen Verbindungswege möglich sein könnte, fiel mir erst wieder ein, als ich auf dem Weg ins Web-Nirwana mehrmals an einer Art Containerbau auf einer grünen Wiese vorbeigekommen war. Auf dem Dach des Fremdkörpers in der Landschaft thronte nämlich eine Satellitenschüssel. Richtig, es gibt ja noch Satelliten-Internet! Und offensichtlich wurde dies dort dazu genutzt, irgendetwas zu regeln oder abzurufen. Ob dazu allerdings proprietäre Funktechnik eingebaut war oder Standard-Equipment, ließ sich nicht erkennen.

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Schüssel als zweifelhafte Rettung

Das alte Haus wiederum hatte eine Weltraum-Versorgung durchaus schon einmal für kurze Zeit, als die Deutsche Telekom dergleichen noch im Portfolio führte. Später wurde das Angebot wieder eingestellt, und zwar recht rabiat: Wo immer der bisherige Eigentümer eines Telefonanschlusses und fest zugeordneter Satelliten-Versorgung wechselte, wurde die Web-Option kurzerhand gekappt. Der neue Kunde am Ort, ganz gleich ob fremder Käufer, Familienmitglied oder gar langjähriger Mitbewohner, bekam das aus Telekom-Sicht inzwischen lästige Satelliten-Angebot nicht mehr. Punkt. DSL allerdings auch nicht, mangels Infrastruktur.

Aber dies alles liegt schon Jahre zurück. Inzwischen ist der Internet-via-Satellit-Markt in die Hände von Spezialanbietern übergegangen. Ob es jetzt besser und zuverlässiger läuft? Ob Fernsteuern und Fernüberwachen jetzt auch auf der Basis von Standardangeboten möglich sein könnte? So kam die Idee auf, das Szenario für die LANline aufzubereiten. Für den Test stellte das Unternehmen Filiago eine gängige, mit den Diensten anderer Anbieter vergleichbare Satelliten-Verbindung, Schüssel und Modem zur Verfügung. Router, Netzwerkgeräte und eine IP-Kamera kamen zunächst fast ausschließlich von TP-Link (Details dazu gibt es in der nächsten Folge).


  1. Fernzugriff mit Weltraum-Latenz
  2. Das Test-Setup
  3. Proof of Concept

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