Techniken für die Kommunikation der Dinge

Gebäudevernetzung löst sich vom Kabel

29. Februar 2016, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Laut Gartner sollen bis 2020 gut 26 Milliarden "Dinge" über das Internet of Things (IoT) vernetzt sein. Dies hat auch erheblichen Einfluss auf die klassische Gebäudevernetzung: Die etablierten Bussysteme werden zwar nicht verschwinden, in den meisten Fällen aber durch Drahtlostechniken ergänzt - vor allem, wenn es um einfache Sensoren geht. Die derzeitigen Funkverfahren können diese Aufgabe allerdings noch nicht optimal erfüllen. Zur Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Anfang dieses Jahres ließ die Wi-Fi Alliance die Katze aus dem Sack, was WLAN in Verbindung mit dem Internet der Dinge betrifft. Unter der Bezeichnung "Halow" schickt sie eine Technik ins Rennen, die drahtlose Kommunikation besonders energiesparend, weitreichend und robust verarbeitet. Die im IEEE-Komitee in der Arbeitsgruppe 802.11ah entwickelte WLAN-Variante, die laut Plan im Juli dieses Jahres als finaler Standard veröffentlicht werden soll, zielt damit besonders auf Anwendungen in der Machine-to-Machine-(M2M-) sowie Sensorenkommunikation - und damit auf die IoT-Märkte für intelligente Häuser/Städte/Autos, digitales Gesundheitswesen und Fitness-Gadges/Wearables sowie auf die riesigen neuen Anwendungsfelder in Industrie, Handel und Landwirtschaft.   802.11ah/Halow für IoT-Märkte Anders als alle anderen WLAN-Techniken nutzt Halow Frequenzbänder unterhalb von 1 GHz, wo sich bislang etwa Z-Wave und Zigbee ansiedeln. Die entsprechenden, frei verfügbaren ISM-Bänder (Industrial, Scientific, Medical) sind von Kontinent zu Kontinent etwas unterschiedlich, in Europa werden Halow-Produkte im Bereich von 863 bis 868 MHz arbeiten (USA: 902 bis 928 MHz). Auf physischer Ebene (Bit-Übertragungsschicht) basiert Halow auf dem 802.11ac-WLAN-Standard, ist jedoch für die Anforderungen in IoT-Anwendungen um den Faktor 10 heruntergetaktet. Die Kanalbandbreiten liegen entsprechend bei 2, 4, 8 und 16 MHz. Ein zusätzlicher 1-MHz-Kanal dient der Stabilisierung der Verbindungsqualität. Die Übertragungsraten in einem 802.11ah-/Halow-Netz kommen nach den Regeln der Physik bei vergleichbaren Rahmenbedingungen auf genau ein Zehntel derer in einem 802.11ac-WLAN. Je nachdem, auf welche Anwendung ein 11ah-Produkt getrimmt ist, sollen sich bis zu 1.000 und mehr Meter überbrücken lassen. Highspeed steht bei 11ah eindeutig nicht im Vordergrund, was beim Datenaufkommen im Bereich des IoT auch nicht notwendig sein dürfte. Sollte aber doch ein höherer Durchsatz zu erwarten sein, lässt sich die Performance durch den Einsatz von Multi-User MIMO (MU-MIMO) nach oben schrauben. Wie bei 802.11ac sind auch für 11ah Übertragungen mittels dieser Technik realisierbar, allerdings nicht mit bis zu acht, sondern nur mit bis zu vier räumlichen Streams. Die Architektur eines 11ah-Netzes folgt dem klassischen WLAN-Muster mit drahtlosen (Relay) Access Points (APs/RAPs) und Endgeräten. Künftige WLAN-Produkte sollen in überwiegender Mehrzahl drei Frequenzbänder an Bord haben, neben den bisherigen 2,4- und 5-GHz-Modulen auch den 900-MHz-Bereich für Halow. Eine Integration in existierende WLAN-Infrastrukturen soll damit einfach zu bewältigen sein. Derzeit gibt es für den Einsatz von Halow zwei Hauptszenarien: einerseits für kurze Distanzen und ein sehr niedriges Energieniveau - typisches Beispiel dafür sind Wearables. Auf der anderen Seite lassen sich mit etwas mehr Energieaufwand große Distanzen überbrücken - anders als bei bisherigen WLAN-Techniken dank der größeren Wellenlänge auch kaum gebremst durch Mauerwerk. Dies prädestiniert Halow für verschiedenste M2M-Anwendungen, von der Kommunikation zwischen Fahrzeugen bis hin allem, was im Zuge des IoT auf intelligenter Auswertung von Sensordaten beruht. Obwohl das IEEE den Standard wie erwähnt voraussichtlich erst im Sommer dieses Jahres verabschieden wird und das Zertifizierungsprogramm der Wi-Fi Alliance erst für 2018 angepeilt ist, erwarten Experten schon im Lauf dieses Jahres erste Produkte. Wie bereits bei früheren WLAN-Standards praktiziert, versprechen die entsprechenden Hersteller ein Firmware-Update, das ihre Produkte zu gegebener Zeit auf Standardkonformität bringt. An den Hardwarespezifikationen soll sich nichts mehr ändern.   Comeback von Wigig Ebenfalls ab diesem Jahr sollen Produkte nach einem anderen WLAN-Standard auf den Markt kommen: 802.11ad beziehungsweise Wigig. Im Gegensatz zu 11ah ist 11ad schon seit 2012 fertig, war aber mangels zwingender Applikationen sowie aufgrund technischer Probleme und wirtschaftlicher Erwägungen der Hersteller zunächst hintangestellt worden. Wigig erweitert das WLAN-Szenario genau in umgekehrter Weise zu Halow: Dabei geht es um Ultra-Hochfrequenzen im 60-GHz-Band und Datenraten von mehreren GBit/s bei jedoch nur sehr kurzen Distanzen im Bereich einiger Meter. Erste Router und Clients, die für das laufende Jahr zu erwarten sind, sollen beispielsweise hochauflösende Fernseher und Mediaplayer ins WLAN einbinden - primär im Konsumentenmarkt, prinzipiell jedoch auch im Unternehmensbereich.   Inhouse-Ortung mit Beacons Das Jahr 2016 hat jedoch noch weitere Neuerungen für drahtlose und verkabelte Gebäudevernetzung parat. So wird derzeit die Smartphone-Inhouse-Ortung mit Beacons immer populärer. Dabei scheint die Branche den seinerzeit von Apple für sein proprietäres Verfahren verwendeten Begriff "Ibeacon" (Beacon: Leuchtfeuer) zu übernehmen - nur eben ohne das bei Apple obligatorische "I". Beacons sind kleine "Bluetooth Low Energy"-(BLE-)Sender, die sich in den für den Dienst vorgesehenen Räumlichkeiten beziehungsweise Hallen positionieren lassen. Damit ein Smartphone (mit aktiviertem Bluetooth) genau lokalisierbar ist, müssen mindestens drei (Fläche) beziehungsweise vier Beacons (Raum) in dessen Reichweite sein. Die für die Ortung verwendeten Verfahren wie Trilateration oder Fingerprinting ermitteln zudem die individuelle Kennung des Smartphones (UUID), was ein sehr genaues Tracking des Geräts auch über mehrere Räume/Hallen hinweg erlaubt. Auf Beacons aufsetzende Dienste lenken Besucherströme beispielsweise in Museen und Flughäfen. Sie schicken Informationen zur Orientierung oder Werbung an potenzielle Kunden, wenn sich eine Person mit dem Smartphone nähert. Backend-seitig lassen sich die Beacons über WLAN mit den entsprechenden Infos des Betreibers füttern. Über WLAN erfolgt auch das Management der Beacons, womit auch größere und komplexere Installationen mit mehreren Tausend Beacons gut in den Griff zu bekommen sind. Der inzwischen zu Hewlett Packard Enterprise (HPE) gehörende WLAN-Spezialist Aruba beispielsweise hat kürzlich eine Cloud-basierende Beacon-Management-Lösung vorgestellt, die sich herstellerunabhängig in jedem WLAN-Netzwerk einsetzen lassen soll. Der Hersteller bietet dazu ein umfassendes Analyse-Tool, das auswertet, wer wann und wo und mit welchem Gerät verbunden ist. Damit lässt sich das Benutzerengagement messen - einschließlich der aggregierten Ergebnisse von Navigationsmetriken, standortbasierenden Anreizen und Verweildauer. Das gesamte Beacon-Konzept funktioniert nur, wenn man am Smartphone Bluetooth aktiviert, die App des Betreibers geladen ist und der Benutzer den Rechteanforderungen dieser App zugestimmt hat. Kritiker sehen dies als größten Hemmschuh von Beacons, Hersteller versuchen es als Sicherheitsfaktor zu vermarkten. Aruba hat im Zuge seiner neuen Beacons das App-Developer-Partnerprogramm erweitert, damit es IT-Organisationen leichter haben, ihre IoT-Initiativen umzusetzen und besser mit dem Marketing zusammenzuarbeiten.   LTE-M für die M2M-Kommunikation Auch die Mobilfunktechniken entwickeln sich mit Blick auf das Internet der Dinge. Während die Schaffung des großen Rahmenwerks für die IoT-gerechte zukünftige Mobilfunkgeneration 5G noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird, stellt sich die nächste 4G-(LTE-)Generation bereits in absehbarer Zeit auf das IoT ein: LTE-M (auch als EMTC, Enhanced Machine Type Communications, bezeichnet) gilt als erster Schritt von LTE-Advanced nach LTE-Advanced Pro (Standardisierung als 3GPP Release 13). Hauptmerkmal dieser LTE-Version ist eine Bandbreite von 1,4 MHz, die von den 20 MHz des normalen LTE abgezweigt werden. Die Übertragungsraten kommen zwar nur auf bescheidene 1 MBit/s, aber die Funkabdeckung soll im Vergleich zu konventionellem LTE um den Faktor vier besser sein. Zudem sollen Geräte mit LTE-M vergleichsweise einfach aufgebaut sein - die Komplexität soll sich dort um bis zu 80 Prozent reduzieren. Zielanwendung sind vor allem die etwas datenreicheren Sensoren, wie sie beispielsweise beim Umwelt-Monitoring und in der Gebäudeüberwachung zum Einsatz kommen. Erste Feldversuche laufen derzeit in Südkorea, wo die Korea Telecom (KT) zusammen mit Nokia an einer "Connected World" baut.   Powerline und PoE über vier Adernpaare Experten erwarten, dass in diesem Jahr die Datenübertragung über Stromkabel (Powerline) neue Impulse erhält. Der AV2/2000-Standard der Homeplug Alliance steht kurz vor der Verabschiedung - er soll nun auch Powerline bei der Übertragungsrate über die Gigabit-Marke hieven (bis 2 GBit/s). In den USA sind erste entsprechende Powerline-Adapter bereits seit letztem Jahr im Angebot, in Europa und Deutschland soll es in diesem Jahr losgehen. Allerdings ist auch dies in erster Linie ein Consumer-Thema, im professionellen Umfeld ist Powerline bestenfalls in Home-Offices und kleineren Büros relevant. Neben hochauflösender Videokommunikation (4K) sieht sich der neue Standard als idealer Träger jedweder Smart-Home-/Smart-Building-Applikation. Auch beim umgekehrten Verfahren - Strom über Datenkabel (Power over Ethernet, PoE) - gibt es signifikante Fortschritte und in absehbarer Zeit auch einen neuen Standard. Seit April 2013 laufen in der PoE Study Group des IEEE-Konsortiums die Arbeiten an einem neuen Verfahren, das nicht mehr wie bisher nur zwei, sondern alle vier Adernpaare eines Twisted-Pair-Ethernet-Kabels für die Datenübertragung nutzt (4-Pair Power over Ethernet, kurz 4PPoE oder PoE++). Das bisherige Leistungsmaximum von 30 W (IEEE 802.3at) soll damit auf zunächst 55 W und später bis zu 100 W steigen. Der künftige Standard läuft unter der Bezeichnung IEEE 802.3bt - geplanter Veröffentlichungstermin ist grob 2017. Derzeit sind bereits erste Produkte als "Pre-Standard"-Lösungen mit Stromübertragung über vier Adernpaare verfügbar. An der Einführung des neuen Verfahrens wird vor allem deswegen mit Hochdruck gearbeitet, weil es nicht nur die Zahl potenzieller PoE-Clients drastisch anhebt, sondern auch, weil sich damit die Verlustleistung bei der Stromübertragung drastisch reduzieren lässt. Berechnungen haben ergeben, dass die Verlustleistung der aktuell etwa 100 Millionen PoE-Knoten weltweit mehr als 121 Millionen kWh beträgt. Kommen alle vier Adernpaare zum Einsatz, wäre zumindest rechnerisch eine Halbierung dieses Werts drin. Zu den neuen Gerätetypen, die sich via 4PPoE per Datenkabel mit Strom versorgen lassen, zählen nicht zuletzt solche aus dem Bereich Gebäudeautomatisierung und -überwachung. IP-Überwachungskameras beispielsweise benötigen in der Regel mindestens 30 W, bei Nutzung bestimmter Funktionen wie Zoomen oder Schwenken können es oft auch bis zu 60 W werden. Die Steuerung von Beleuchtungssystemen operiert bei 30 bis 50 W - ebenfalls deutlich über der Nettoleistung von 802.3at. Darüber hinaus fallen Geräte verschiedener anderer Art wie beispielsweise Geldautomaten in den Versorgungsbereich der neuen PoE-Technik. Größtes Problem mit 4PPoE sind thermische Effekte: je mehr Strom, desto mehr Wärme im Kabel. Mit zunehmender Wärme erhöht sich allerdings auch die Dämpfung, und umso geringer ist die realisierbare Daten-Übertragungsreichweite. Hersteller versuchen über spezielle Berechnungs-Tools, das Problem wenn schon nicht zu lösen, so doch wenigstens kalkulierbar zu machen (siehe Link). Das IoT wird inzwischen auch für Nichtfachleute immer klarer sicht- und greifbar. WLAN-Anbieter TP-Link beispielsweise erwartet, dass sich das intelligente Heim in diesem Jahr in vielerlei Aspekten breit etabliert. Produkte wie LED-Glühbirnen, die sich über das WLAN steuern lassen, oder Cloud-basierende IP-Kameras seien nun für die breite Masse erschwinglich und würden verstärkt den Weg in die Haushalte finden. Um sich auf den Ansturm der erwarteten großen Massen einfacher, energiearmer IoT-Clients vorzubereiten, werden die etablierten Funktechniken fast durchweg neu aufgesetzt - im Fall von 5G sogar komplett neu entwickelt. Halow hat nun sehr prominent das IoT-Fähnchen gehoben. Es wird sicher spannend, wie sich jetzt Z-Wave und Zigbee, teilweise auch Bluetooth positionieren - denn mit all diesen Techniken gibt es klare Zielüberschneidungen. Als sicher gilt aber: Der Großteil des IoT kommuniziert ohne Kabel.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

Powerline im Profieinsatz: Der direkte Anschluss des Adapters im Schaltschrank an die drei Phasen der gebäudeinternen Stromleitung ermöglicht einen besonders hohen Datendurchsatz. Der "Dlan Pro 1200 Dinrail" von Devolo unterstützt dabei neben einem 1,2-GBit/s-Powerline-Chip auch die MIMO-Technik, die eine parallele Datenübertragung über Phase, Neutralleiter und Schutzleiter ermöglicht. Bild: Devolo

Beacons erlauben eine Inhouse-Navigation wie hier in einem Elektronikmarkt. Abhängig von der Position lassen sich Infos zur Orientierung oder zu besonderen Angeboten zeigen. Bild: Aruba

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