Innovationsstau im klassischen Facility-Management

IT als Treiber für die Intelligenz der Dinge

10. September 2015, 6:19 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Wenn es um Gebäudevernetzung und Haustechnik geht, kommt sehr schnell auch das Thema Facility-Management ins Spiel. Das intelligente Gebäude-Management hob einst vielversprechend an, die Bauwerke selbst samt aller ans Stromnetz angeschlossenen Geräte im Sinne der Optimierung von Ressourcen mit Intelligenz zu versehen. Doch während sich die Marktteilnehmer rund um das Facility-Management derzeit im schon Erreichten sonnen, kommen Innovationen inzwischen eher von Quereinsteigern aus der IT-Branche.Facility-Management (FM) und speziell das computergestützte Facility-Management (CAFM) galt lange Zeit als Inbegriff für Innovation und Fortschritt nicht nur bei der Verwaltung von Liegenschaften und Gebäuden, sondern speziell auch bei der Optimierung von Facility-relevanten Abläufen und der Automatisierung von Prozessen, ebenso wie bei der Steigerung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Große Hoffnungen wurden auch in Sachen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit geschürt, sind doch Gebäude nach wie vor für immerhin rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 21 Prozent der erzeugten Treibhausgase verantwortlich. In allen Bereichen gibt es also riesige Einsparpotenziale. Irgendwo auf dem Weg scheint jedoch Sand ins Getriebe gekommen zu sein, größere Fortschritte sind im Facility-Management schon seit einiger Zeit nicht mehr zu beobachten. Bezeichnend für diese Situation war eine Diskussion, die ein entsprechender Beitrag in der Fachzeitschrift "Der Facility Manager" Anfang dieses Jahres losgetreten hat. Paul Stadlöder, Geschäftsführer der FMC Facility Management Consulting, eröffnete dort mit einer sehr pointierten Marktanalyse, wonach die Dienstleister "sich inzwischen eingeigelt haben", die Auftraggeber "immer schon ein Problem der Ressourcen und Kompetenzen vor sich hergeschoben haben" und die Berater "sich selbst am Atomisieren" sind. Auch die einschlägigen Verbände wie die German Facility Management Association (Gefma) und Realfm bekamen ihr Fett weg. Sie seien "im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht, ihre Pfründe zu behalten beziehungsweise auszubauen, an die wirklich interessanten Themen geht Gefma nicht ran. Realfm ist willig, scheitert jedoch an der Finanzierung." Auch wenn diese im Weiteren noch ausführlich begründeten Statements von anderen Diskussionsteilnehmern später teils relativiert, teils differenzierter dargestellt wurden, so richtig wiedersprechen mochte offenbar niemand. Die schärfste Gegenposition kam noch von Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Glauche, der neben seinem Hauptjob als Leiter der FM-Beratung bei Rödl & Partner unter anderem auch als Leiter des Gefma-Richtlinienwesens, Vorsitzender des Fachbeirats FM im DIN e.V., stellvertretender Vorsitzender des Fachbeirats FM im VDI e.V., Mitarbeiter in Arbeitskreisen von Realfm sowie als Dozent für FM an der TH Nürnberg fungiert. Von Stagnation will er nichts wissen - jedoch auch er räumt ein, dass Innovationen im FM derzeit nicht auf einem Niveau stattfinden, das für eine gedeihliche Marktentwicklung wünschenswert wäre. Unterdessen feiert sich die Gefma auf Branchen-Events wie der Facility-Management-Messe Ende März in Frankfurt als Förderer von Industrienetzwerken, Entwickler des Markts und Herr über die Standards. Eines der Highlights war in Frankfurt der neue CAFM-Trendreport: Er attestiert der bei den befragten Anwendern aktuell eingesetzten CAFM-Software eine - angesichts kontroverser Diskussionen - überraschend hohe Positivbilanz (80 Prozent gaben an, vollkommen oder eher zufrieden mit der Funktionalität und dem Support ihres Produktes zu sein). Dazu mag sich jeder seinen Teil denken. Immerhin werden auch dort ganz leise "Hinweise auf Verbesserungspotenziale" erwähnt. Sie lägen laut Trendreport etwa bei der Benutzeroberfläche und den Schnittstellen zu anderen IT-Systemen. Die Annahme, dass Nutzer von individualisierter Software zufriedener mit ihrem System sind als Nutzer von Standardsoftware, konnte die Umfrage nicht belegen. Die Autoren des Reports vermuten, dass man mit den in den meisten modernen CAFM-Systemen bereits hinterlegten Best-Practice-Lösungen auf einem Erfolg versprechenden Lösungsweg ist. Die Erwartungen an das Marktwachstum bewegen sich laut Report im unteren zweistelligen Prozentbereich und damit in der Größenordnung der letzten Jahre. Neue Chancen bieten nach der Untersuchung die weitere Verbreitung von mobilen Techniken, Cloud Computing, die Nutzung von Building Information Modeling (BIM) sowie moderne fotometrische Datenerfassungstechniken. Die seit vielen Jahren vorausgesagte Marktbereinigung unter den etwa 60 Anbietern von CAFM-Software im deutschsprachigen Raum findet gemäß den Untersuchungsergebnissen bisher nicht statt. Die Anbieter teilen sich derzeit einen Gesamtumsatz von 120 Millionen Euro.   IT-Unternehmen bauen intelligente Gesamtlösungen Global operierende IT-Unternehmen wie Cisco, Dell, Fujitsu, HP, IBM, Microsoft, Oracle und Siemens sind in dieser Erhebung nicht erfasst. Für sie alle gehört CAFM beziehungsweise das gesamte Thema FM nicht zum Kerngeschäft - entwickelt sich aber zunehmend zu einem lukrativen Geschäftsfeld, in dem die jeweiligen Kerntechniken einfließen und zusammen mit Weiter-/Neuentwicklungen für innovative Anwendungsszenarien getrimmt werden. Ein gutes Beispiel dafür liefert derzeit Cisco auf der noch bis Ende Oktober laufenden Expo 2015 in Mailand, die unter dem Motto "Den Planeten ernähren, Energie fürs Leben" (Feeding the Planet, Energy for Life) steht. Zusammen mit Telecom Italia hat Cisco dort federführend das Netzwerk aufgebaut - laut eigener Aussage "das erste All-IP-Netz in globaler Dimension". Alle Aktivitäten, Lösungen und Services, die die Event-Partner in Sachen Sicherheit, Energie, Beleuchtung und Bezahlsysteme eingerichtet haben, setzten direkt auf dieser Infrastruktur auf. Dabei ist das gesamte Expo-Gelände als "intelligente Stadt" konzipiert. Als Basis dafür dient das "Cisco Public Facilities Management", das das Unternehmen in Form seiner "Smart and Connected Communities"-Initiative in einen umfassenderen Rahmen packt und als Partner-Ökosystem vermarktet. Das Smart-City-Konzept der Expo ist in fünf Ebenen mit jeweils bestimmten Service-Gruppen organisiert. Die unterste Ebene bildet das intelligente Stromnetz. Darüber folgen IT- und Telekommunikationsnetz, Sicherheitsdienste, Unterhaltung und spezielle Dienste. Der Zugang zu den zahlreichen Smart-City-Services der Expo erfolgt über mehr als 2.500 WLAN-Access-Points (APs). Besucher erhalten damit nicht nur schnellen Internet-Zugang, sondern über die implementierten Location-Services auch kontextbezogene Information und Hilfe. Die APs sind aber auch für alle anderen Personengruppen auf dem Gelände (Orga-Team, teilnehmende Länder, Security-Personal etc.) die wichtigste Anlaufstelle. Beispielsweise werden auch die Smart-Metering-Dienste für das Energie-Management darüber angesteuert. Für Cisco gehört zu einer intelligenten Stadt auch die Möglichkeit, sich flexibel von verschiedenen Stellen aus zusammenzuschalten, um visuell unterstützt Informationen auszutauschen, Probleme zu schildern, oder gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Die Expo-Organisatoren wollten dabei nicht kleckern - so gibt es auf dem Gelände neben etwa 2.000 IP-Telefonen mit Instant Messaging-, Jabber-Präsenz-Apps und Webex-Software auch knapp 100 große Telepresence-Endpunkte für diese Zwecke. Und natürlich sind in einer intelligenten Stadt auch Hinweisschilder und Anzeigetafeln digital - sie bieten neben einer animierten Geländeorientierung auch jeweils aktuelle Informationen zu Alarmen, Tagesagenda und Sicherheit sowie Werbung.   All-IP in der Gebäudeautomation kein Thema Abseits von solch großen Prestigeprojekten wie einer Expo, bei der sich die Planer nicht mit Altlasten herumschlagen müssen und wo auch nicht so genau auf jeden Cent geguckt wird, ist All-IP noch in weiter Ferne. Die Kommunikationsinfrastruktur für Sensoren und Aktoren im Gebäude basiert nach wie vor sehr häufig auf den ursprünglich für diese Aufgaben entwickelten Techniken wie BACnet, Konnex (KNX), Lonworks und vielen weiteren. Erst für die Verbindung zur Unternehmens-IT, die zentrale Steuerungsfunktionen übernimmt, geht es in der Regel mit IP weiter. BACnet (Building Automation and Control Networks) beispielsweise hat eine sehr rührige Community, und die Anbieterzahlen wachsen seit den letzten fünf Jahren um jeweils 20 Prozent auf nunmehr gut 800. "Der weltweite ISO-16484-5-Standard bewährt sich in zahlreichen Anwendungen. Darum ist eine offene und herstellerunabhängige Gebäudeautomation mit BACnet der Schlüssel zum Erfolg für den wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Gebäudebetrieb", so etwa Raymond Rae, Vice President von Delta Controls auf der Eröffnungsveranstaltung zu einer globalen BACnet-Road-Show, die noch bis in den Herbst laufen soll. BACnet gilt in der Tat als das einzige herstellerunabhängige Kommunikationsprotokoll, das speziell für die Gebäudeautomation entwickelt wurde. Traditionell ist BACnet in den Bereichen HLK (Heizung, Lüftung und Klimatechnik), Lichtsteuerung, Sicherheit und Brandmeldetechnik zu Hause. Die meisten modernen Lösungen bieten Übergänge zum IP-Protokoll, sodass die Kommunikation mit der IT kein Problem mehr darstellt. Die BACnet-Protagonisten sehen sich auch beim Internet der Dinge (IoT) keineswegs im Abseits, wie das gelegentlich vonseiten der IT-Hersteller anklingt. "Die BACnet-Commuity muss die IoT-Bewegung nicht fürchten, sondern sollte diese umarmen, da sie von Anfang an Teil der Bewegung war", so Rick Fellows von KMC Controls, ebenfalls zum Roadshow-Start. "BACnet passt sehr gut in die Welt des Internets der Dinge."   Fazit Bei der intelligenten Gebäudesteuerung geht es im Grunde um einen effizienteren und ökonomischeren Umgang mit Ressourcen aller Art. Die Schlüsselfaktoren sind dabei relativ übersichtlich: Sensoren verschiedenster Art an den elektrisch betriebenen Geräten, Rechnerleistung für die Analyse der gesammelten Daten am Backend - beides über verschiedene Übertragungssysteme mit Trend in Richtung "IP" und "drahtlos" miteinander verbunden. Ob in diesem Szenario nun eher die Anbieter des klassischen FM/CAFM die innovativeren Lösungen bieten oder die Player aus der IT, ist für den Anwender sicher einerlei. Eine stärkere Zusammenarbeit dieser Blöcke hätte jedoch das Potenzial, die jeweiligen Kernkompetenzen zusammenzuführen - und dies wäre bestimmt am meisten im Sinne der Nutzer.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

Das Smart-City-Konzept von Cisco für die Expo in Mailand ist in fünf Ebenen mit jeweils bestimmten Service-Gruppen organisiert. Die unterste Ebene bildet das intelligente Stromnetz. Darüber folgen IT- und Telekommunikationsnetz, Sicherheitsdienste, Unterhaltung und spezielle Dienste.

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