HP nutzt die Interop 2011 in New York als Bühne

Netzwerk-Fitness für das Cloud-Zeitalter

28. Oktober 2011, 6:00 Uhr | Stefan Mutschler/wg

Zum Start der Herbst-Interop am 3. Oktober im New Yorker Javits Conference Center gab es diverse Neuankündigungen. So präsentierte Cisco-Herausforderer HP eine Reihe von Neuheiten im Umfeld der erst im Mai dieses Jahres vorgestellten Flexnetwork-Architektur. Mit den neuen Produkten und Dienstleistungen will HP die Geschwindigkeit von Applikationen in virtualisierten Umgebungen auf Trab bringen und die Flexibilität seiner Netzwerke weiter verbessern. Für den globalen Markt war dies sicher die dominierende News von der Interop New York. Die vergleichsweise übersichtliche Veranstaltung will eher vertiefen, während die Schwestershow im Frühjahr in Las Vegas mehr für die Sensationen zuständig ist.Zur Interop in New York kommt, wer sich in den Bereichen Cloud Computing, Virtualisierung, Sicherheit, Mobility, Rechenzentrum und Networking technisch auf den aktuellen Stand bringen und mit Mitstreitern der Szene austauschen will. Die großen Nachrichten stehen hier in der Regel nicht auf dem Programm. Ab dem zweiten Messetag war natürlich auch auf der Interop der tragische Tod von Steve Jobs das beherrschende Thema, wo unter anderem der Chief Technology Officer von Amazon, Werner Vogels, den Visionär und Mitgründer von Apple in seiner Keynote spontan würdigte.

Am ersten Messetag hatte noch HP die volle Aufmerksamkeit des Publikums, und was der angeschlagene IT-Konzern zu sagen hatte, hat sicher Aufmerksamkeit verdient. Mitten im Getöse um falsche Grundsatzentscheidungen, einen infolgedessen geschassten CEO, massive Kurzstürze und Gerüchte bezüglich einer Übernahme seitens des Softwaregiganten Oracle (inzwischen wohl erst mal vom Tisch) meldete sich HP in New York wieder mit konstruktiven Dingen am Markt zurück: mit dem weiteren Ausbau seiner Produktlinie im Bereich Flexnetwork.

Hinter dem für sich sprechenden Kunstwort steht eine Strategie, in deren Verlauf HP nach den funktionalen "IT-Silos" für Server, Speicher und Netzwerk nun auch die ortsbezogenen Silos aufbrechen will. Ziel ist eine einheitliche Infrastruktur in Zentrale, Zweigniederlassungen und Außenstellen. "Einige unserer Mitbewerber verfolgen auf funktionaler Ebene einen ähnlichen Ansatz wie wir", so Saar Gillai, Vice President der Advanced Technology Group bei HP Networking, "aber sie tun das mit unterschiedlichen Produkten für Zentrale, Zweigniederlassungen und Außenstellen - teilweise sogar mit völlig verschiedenen Protokollen und Technologien." Dies treibe die Kosten in die Höhe und mache die gesamte Architektur komplex und aufwändig zu managen. Der Unterschied bei HP, so Gillai: "Wir bieten für alle Bereiche eine konsistente Produktlinie mit exakt den gleichen Protokollen." Mit Flexnetwork hat sich HP zugleich vom klassischen, dogmatisch dreistufigen Netzwerkdesign (Core?, Distribution- und Edge-Switches) verabschiedet. Dank hoher 10GbE-Port-Dichten im Core-Switch ist die Verteilebene nun in vielen Fällen obsolet.

Neue Netzwerklösungen

Auf der Interop präsentierte der Herausforderer im Enterprise-LAN-Markt nun seine neuen Netzwerklösungen. Sie sind dafür gedacht, die Migration zu neueren Internet-Protokollen (inklusive IPv6), zum 10GbE-Standard (mit Option auf 40 und 100 GBit/s) und zu virtualisierten Außenstellen-Services zu vereinfachen.

Im Einzelnen umfassen die Neuvorstellungen Lösungen für Rechenzentren wie den neuen 10GbE-Top-of-Rack-(ToR-)Switch HP 5900, die für eine um 80 Prozent verbesserte Server-to-Server-Kommunikation überarbeitete HP-12500-Switch-Serie sowie Campusangebote wie den neuen stapelbaren Switch HP 3800 mit einer laut Herstellerangaben um 450 Prozent gesteigerten Leistung und einer neuen, einheitlichen Referenzarchitektur für verkabelte und drahtlose Netze. Hinzu gesellt sich ein erweitertes Flexbranch-Portfolio mit neuen virtualisierten Service-Modulen von HP-Partnern wie VMware und Citrix. Darüber hinaus bekommt auch das Intelligent Management Center (IMC) ein umfassendes Update. Die neue Version 5.1 verfügt erstmals über eine mobile Netzwerkzugangskontrolle (Network Access Control, NAC). Gleichzeitig gibt es eine App für Apples Smartphone-Betriebssystem IOS, die im gewissen Umfang Management-Aufgaben auch von einem Iphone aus erlauben soll.

Die klassischen Netzwerkinfrastrukturen sind typischerweise nicht flexibel genug, um virtualisierte Infrastrukturen zu unterstützen, ihre Bandbreiten reichen nicht für intensive Multimedia-Applikationen, und ihre Fähigkeit zu skalieren scheitert an der schnell wachsenden Zahl mobiler Geräte, die sich mit dem Netzwerk verbinden wollen. Ein weiteres Manko: "Analysten beispielsweise von Gartner haben hochgerechnet, dass Netzwerkplaner bis 2014 damit rechnen müssen, dass 80 Prozent des Netzwerkverkehrs durch die Kommunikation zwischen den Servern erzeugt wird", so Bethany Meyer, Interims-General-Manager und Senior Vice President bei HP Networking. "Die Struktur bisheriger Netze ist für diese Anforderung völlig unzureichend."

Auf dem Weg zu einem umfassenden Enterprise-Operating-Modell will HP den Zugangs-Layer vereinheitlichen, Ressourcen virtualisieren, Verbindungen designen, Nutzer verbinden und die Infrastruktur überwachen. Im Grunde gehe es bei allen Aufgaben darum, die Steuerung des Rechenzentrums mehr mit dem Kopf anzugehen und weniger mit den Turnschuhen: "IT-Manager haben bisher viel zu oft vom Maschinenraum aus operiert", so Saar Gillai, "es wird Zeit, endlich den Platz auf der Kommandobrücke einzunehmen."

Mit den neuen Angeboten verschwinden übrigens auch die Differenzierungen in der Namensgebung von Produkten, über die HP bislang originäre HP-Linien (Procurve) von Produkten aus der Übernahme von 3Com/H3C unterschieden hat. Ab sofort betrachtet HP alles als "HP-eigene Lösungen".

Top-Thema der nächsten Jahre: IPv6

Auch das Service-Angebot wurde erweitert. Ab sofort können HP-Kunden Unterstützung bei der Migration von IPv4 auf IPv6 buchen. Mit dieser Dienstleistung will HP den laufenden Betrieb bei einer solchen Umstellung sichern und Risiken minimieren.

Um die Migration nach IPv6 beziehungsweise die Koexistenz von IPv4 und IPv6 ging es auch beim Interop-Netzwerk, das unter der Federführung von HP alle Aussteller und deren Netzwerkprodukte miteinander verband. Dieses in nur wenigen Tagen hochgezogene Rechenzentrum (das Basis-Setup existierte allerdings bereits von der Frühjahrs-Interop) wurde in New York schwerpunktmäßig dafür genutzt, den Umgang mit IPv6 im großen Stil zu erforschen und zu testen. Dieses Gemeinschaftsnetz unterstützten neben HP unter anderem Cisco, VMware, F5, Axis, Opengear, Sciencelogic, Gigamon und Netscout, um einige prominentere zu nennen. Außer Cisco war also für HP keine nennenswerte Konkurrenz mit an Bord - oder überhaupt auf der Messe - wichtige Player wie Arista, Alcatel-Lucent oder Juniper hielten sich von der Interop fern.

Keynote mit Praxisbezug

Die Keynotes kamen in New York von Amazon, Cisco, Huawei, Microsoft sowie einer New Yorker Stadträtin und boten neben dem Bezug auf neue Produkte auch etliche Praxisinformationen. Sujai Hajela, Vice President und General Manager in der Wireless Networking Business Unit bei Cisco zeichnete am Beispiel eines Krankenhausarztes ein sehr plastisches Bild von den typischen Situationen der heutigen mobilen Arbeitswelt und wie Cisco Unternehmen und Anwender bei deren Bewältigung unterstützt. Robert Wahbe, Corporate Vice President der Server und Tools Marketing Group bei Microsoft, gab ein umfassendes Bild zu den Cloud-Aktivitäten seines Arbeitgebers. Insbesondere stellte er die Rolle von Azure als künftiges "Cloud-Betriebssystem" für die Public Cloud heraus, für welches das Unternehmen neben Office 365, Dynamics CRM Online und Windows Intune schon bald weitere Applikationen und Tools liefern werde. Basis der privaten Cloud sei weiterhin Windows Server mit Lync, Exchange, SQL Server, Sharepoint, Dynamics und künftig ebenfalls zahlreichen weiteren Anwendungen. Dabei wollen die Redmonder durchaus nicht die Rolle eines Alleinunterhalters spielen: Sowohl im Bereich privater als auch öffentlicher Clouds wolle Microsoft auch Drittanbieter mit ihren Applikationen unterstützen.

Fazit zur Messe

Eine Reiseempfehlung zu dieser Messe muss man auf Basis der diesjährigen Veranstaltung nicht unbedingt aussprechen. Für einen Europäer ist die Interop New York sicher kein Muss. Wer aber dort ist, hat die Chance auf hochkarätige Vorträge, Gespräche und Erweiterung seines technischen Basiswissens.
Der Autor auf Lanline.de: ElCorrespondente

"Wir betrachten Azure als Betriebssystem für die Cloud - ähnlich wie das Windows für den PC ist", so Robert Wahbe, Corporate Vice President, Server und Tools Marketing Group bei Microsoft. Foto: Stefan Mutschler

Der neue stapelbare Switch HP 3800 soll um 450 Prozent schneller sein als seine Vorgänger. Foto: HP

"Einige unserer Mitbewerber verfolgen auf funktionaler Ebene einen ähnlichen Ansatz wie wir", so Saar Gillai, Vice Prisident der Advanced Technology Group bei HP Networking, "aber sie tun das mit unterschiedlichen Produkten für Zentrale, Zweigniederlassungen und Außenstellen. Wir bieten für alle Bereiche eine konsistente Produktlinie mit exakt den gleichen Protokollen." Foto: Stefan Mutschler
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