Bluetooth-Mesh in der Gebäudeautomatisierung

Smarte Sensornetzwerke

25. Mai 2020, 7:00 Uhr | Martin Woolley/ts
Schematischer Aufbau der Mesh-Vernetzung bei Silvair.
© Bluetooth SIG

Überwachung, Steuerung, Automatisierung – nahezu alle intelligenten Anwendungen bauen in Zukunft auf unzähligen Sensornetzwerken auf, die Informationen erfassen, weiterleiten und analysieren. Neben dem Smart Home zählen vor allem intelligente Fabriken, Städte und die Gebäudeautomation zu den Haupteinsatzfeldern dieser Netze. Bereits heute, so eine Studie von Gartner, sind dreimal mehr IoT-Sensoren im Einsatz, als Menschen auf der Welt leben. Die technischen Anforderungen an die darauf basierenden Sensornetze sind hoch.

Gerade im professionellen Umfeld kommt es neben stabiler Übertragungsleistung vor allem auf sichere Kommunikationswege und -architekturen an. Auch spielt Flexibilität eine wichtige Rolle. Denn die professionelle Gebäudeautomation muss heute flexible Raumnutzungskonzepte unterstützen. Nicht zuletzt spielen daher drahtlose Netzwerktechnologien eine wichtige Rolle. Sie bieten beim Aufbau anpassungsfähiger Architekturen Vorteile gegenüber kabelgebundenen Netzen. Mit der Mesh-Vernetzung über Bluetooth steht eine funkbasierte Technik bereit, die hohe Sicherheit, Skalierbarkeit und Interoperabilität für smarte Umgebungen bietet.

Bluetooth Mesh Networking wurde insbesondere für die Gebäudeautomation und drahtlose Sensornetzwerke (Wireless Sensor Networks, WSNs) in der Industrie und dem öffentlichen Raum konzipiert. Dieser Standard ermöglicht so genannte Many-to-Many-Netzwerke mit Tausenden, sogar Zehntausenden von Bluetooth-Geräten, die man im Mesh-Netzwerk „Knoten“ nennt. Von einem Sensor oder Gerät gesendete Meldungen überträgt das Netzwerk über diese Knoten bis zum Ziel. Nachrichten lassen sich somit auch über die eigentliche Funkreichweite eines Geräts hinaus weitergeben. Da Meldungen über verschiedene Wege parallel durch das Netzwerk laufen, muss der Administrator keine speziellen Regeln oder Routen konfigurieren.
Diese „Multi-Path Delivery“ genannte Datenübertragung umgeht eine der zentralen Schwachstellen drahtloser Netze im professionellen Einsatz: Bei zentralisierten funkbasierten Netzwerken laufen alle Daten immer über ein zentrales Steuerungsgerät. Dieses wird damit nicht nur zum „Single Point of Failure“, sondern führt zu Engpässen. Denn die Sensoren schicken Informationen an die zentrale Steuerungshardware und diese wiederum sendet Befehle an jedes der zugehörigen Geräte. Dadurch vervielfacht sich das Volumen des Datenverkehrs. Die Mesh-Vernetzung über Bluetooth verlagert die Steuerungsfunktionen in die einzelnen Geräte. Dies verringert das Volumen des Datentransfers um die Hälfte und ermöglicht eine Informationsweitergabe ohne Engpässe.

Intelligente Beleuchtungssysteme auf Basis von Bluetooth bilden die technische Basis für viele professionelle Einsatzszenarien der Mesh-Vernetzung – sowohl in einer Maschinenhalle als auch in Büro- oder Funktionsgebäuden. Leuchten befinden sich überall, sind in kurzen Distanzen zueinander installiert und eignen sich damit hervorragend als Träger für kabellose Netzwerkfunktionen. Bis heute wurden bereits mehr als 460 Produkte mit Mesh-Netzwerkfähigkeit hierfür von Seiten der Bluetooth SIG qualifiziert.
 

Netzwerksicherheit ist nicht verhandelbar

Anders als beim Einsatz im Konsumentenbereich ist der Grad der Datensicherheit, den Anbieter in ihre Bluetooth Mesh-Lösungen einbringen, nicht verhandelbar. Die Absicherung des Netzes findet auf mehreren Ebenen statt und ist obligatorisch. Dies ist nicht zuletzt der besonderen Bedeutung geschuldet, die eine Ausfallsicherheit gerade in professionellen Anwendungen einnimmt. Jede Störung der Fertigung bedeutet für produzierende Unternehmen ein erhebliches finanzielles Risiko. Ähnlich sensibel sind Einsatzfelder im Bereich der Zutrittssteuerung für Gebäude oder Smart-City-Anwendungen. Bei der Mesh-Vernetzung per Bluetooth wird Informationssicherheit durch ein Schichtenmodell erreicht, dass auf voneinander getrennten Sicherheitsschlüsseln basiert:

  • Netzwerkschlüssel (NetKeys) gelten für alle Nachrichten im Netzwerk, damit die Knoten sicher miteinander kommunizieren.
  • Anwendungsschlüssel (AppKeys) schützen Nachrichten zu bestimmten Anwendungen wie Klimaanlage, Beleuchtung oder physische Sicherheit.
  • Geräteschlüssel (DevKeys) ermöglichen das Einrichten und Konfigurieren eines Knotens, um neue Geräte zum Netzwerk hinzuzufügen.

Diese Trennung stellt sicher, dass innerhalb des Netzes alle Knoten in der Lage sind, Mitteilungen sicher zu übertragen. Aber nur diejenigen Knoten, die über den passenden Anwendungsschlüssel verfügen, können die Information auch verarbeiten. Zusätzliche Mechanismen sichern das Mesh-Netzwerk selbst vor exotischen Gefahren. Zum Beispiel ist die Gerätekonfiguration durch asymmetrische Kryptografie geschützt. Vor Trash-Can-Attacken mit Hilfe ausgemusterter Geräte schützen regelmäßig aktualisierte Sicherheitsschlüssel. Und eine intelligente Nutzung von Sequenznummern blockiert Replay-Angriffe.

 

Am Anfang war das Licht

Die Ausstattung von Büros und öffentlichen Einrichtungen mit Mesh-basierten Lichtanlagen zur Gebäudeautomation ist der Startpunkt für den Einsatz der Technologie. Aufbauend auf den Erfahrungen von Bluetooth-Entwicklungspartnern lässt sich ihr Potenzial bereits absehen. So sind heute bereits Mesh-Netze mit 1.000 und mehr Knoten im Echtbetrieb. Ein Pionier in Sachen Mesh-Vernetzung ist das polnische Unternehmen Silvair. Als Proof-of-Concept der Technologie hat die Firma ihre eigene Zentrale mit einem solchen drahtlosen Netz ausgestattet. Die Büros von Silvair befinden sich in einem typischen Bürogebäude in Krakau. Das Unternehmen belegt hier zwei Etagen, auf die insgesamt 200 Leuchten verteilt sind. Vor der Umrüstung auf die Mesh-Vernetzung waren das Beleuchtungssystem und seine Steuerung eher simpel gehalten. Lediglich in den Sanitärräumen gab es Bewegungssensoren; die Beleuchtung in allen anderen Räumen wurde manuell gesteuert.

Die Idee hinter dem Mesh-Retrofit war nun, die vorhandene Anlage in ein adaptives, sensorgesteuertes und drahtloses Lichtsteuersystem umzuwandeln. Ein solches Konzepte zur Lichtsteuerung verbessert die Lichteffizienz in Büros und senkt die Energiekosten. Eine Anwesenheitserfassung über Sensoren und die Nutzung von Tageslicht gehören dabei zu den effektivsten Methoden. Entsprechend wollte Silvair beide Strategien in seinen Büroräumen umsetzen und installierte Sensoren, die die Raumbelegung und das Umgebungslicht erfassen.
Zur Einrichtung der gewünschten Lichtsteuerungsmöglichkeiten gruppierte das Silvair-Team die Leuchten zunächst entsprechend ihrer Anordnung in allen Büroräumen. Dann erfolgte die Konfiguration sogenannter „Szenarien“ innerhalb der Räume. Wird etwa ein Bereich für einen bestimmten Zeitraum verlassen, verlischt das Licht oder schaltet sich völlig autonom ein und aus.

Alle Räume regeln die Lichtstärke automatisch entsprechend dem einfallenden Tageslicht im Raum. Dies stellt eine besondere Herausforderung für alle Netzwerklösungen dar. Host-zentrierte Netzwerke sind hier weniger geeignet, denn Umgebungslichtsensoren liefern sehr häufig Messungen, um Schwingungen der Leuchte rund um Sollwerte zu minimieren. Es gilt, Datenpakete, die diese Messwerte enthalten, und Datenpakete mit antwortenden Steuerbefehlen mit minimaler Verzögerung auszutauschen, sodass menschliche Augen die Schwingungen nicht erkennen – ein Problem, dass bei hoher Datenlast eines zentrierten Hosts ebenso auftaucht wie bei Netzwerklösungen, die Licht über eine einfache Multicast-Kommunikation steuern. Die geringe Größe der Datenpakete in der Mesh-Vernetzung über Bluetooth in Kombination mit einem Kommunikationskonzept, das gleichzeitiges Multicasting erlaubt, und einer vollständig dezentralen Architektur löst diese Aufgabe elegant.

 

Adaptives Sensornetzwerk

Eine ähnliche Installation hat Osram in Kooperation mit Silvair und Livebau Solutions kürzlich auch in der Osram-Unternehmenszentrale in München umgesetzt. Hier hat man 26 Arbeitsplätze, Besprechungsräume, Think Tanks und den Küchenbereich mit einem adaptiven Sensornetzwerk auf Mesh-Basis ausgestattet. Da keine Verkabelung der Lichtsteuerung erforderlich war, ließ sich die gesamte Umrüstung der 100 Knoten in weniger als zwei Tagen abschließen. Dies umfasste die Installation neuer Leuchten und Schalter sowie die Inbetriebnahme und Abstimmung des gesamten Systems.

Positive Erfahrungen kommen auch vom Bluetooth-Partner Xicato, der die etwa 1.300 Lichtpunkte im Van Gogh Museum in Amsterdam auf Module mit Bluetooth-Steuerung umgerüstet hat. Die besondere Herausforderung hierbei: Museen kontrollieren sorgfältig die Menge des Lichts, denen jedes Kunstwerk ausgesetzt sein darf, denn jede Form von Licht verschlechtert die in Gemälden und Wandteppichen verwendeten Pigmente. Hier gilt es, die Aufgabe der öffentlichen Präsentation von Kunstwerken gegen die Notwendigkeit der Konservierung abzuwägen. Nach der Umrüstung von Halogen-Glühlampen auf intelligente, Mesh-basierte LED-Module ist das Museum in der Lage, die Lichtexposition jedes Kunstwerks detailliert zu kontrollieren und bei Bedarf zu minimieren.

 

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