CiViQ will die Telekommunikationsbranche mit Quantentechnik ausrüsten

Fraunhofer HHI entwickelt Quantenkryptografie weiter

23. November 2018, 12:30 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Das Projekt CiViQ ist Teil der europäischen "Quanten-Flaggschiff-Initiative". Ziel ist die Entwicklung von Quantenkryptografie, die sich auf einfache Weise in bestehende Telekommunikationsnetzwerke integrieren lässt. Teilnehmen können damit Verbindungen aufbauen, die prinzipiell nicht unentdeckt abhörbar sind. Das Konsortium besteht aus 21 Partnern aus neun Ländern, die die gesamte Wertschöpfungskette der Quantenkryptografie abdecken. Das Fraunhofer HHI (Heinrich Hertz Institut) entwickelt im Umfeld des CiViQ einen Quantenkryptographie-Empfänger. Bereits heute berührt etwa jedes zweite im Internet transportierte Bit klassische Empfängertechnik des Fraunhofer HHI, die die Basis für diese Quanten-Entwicklung ist, so die Einschätzung des Instituts.

In mehr als 200 Jahren hat die Welt vier große industrielle Revolutionen erlebt. Während die erste Dampfkraft für mechanisierte Produktion einführte, basierte die zweite auf Stromenergie und trieb die Massenproduktion an, die dritte nutzte Elektronik und Computer für die Automatisierung der Produktion. Und schließlich veränderte die vierte mittels digitaler Technik radikal die Art der Interaktion und Kommunikation, Arbeits- und Lebensweise und sogar die Art, wie Menschen die heutige Welt erleben.

Diese vierte Revolution bringt eine neue Art des Teilens von Informationen, die mit riesiger und exponentiell inkrementeller Datenerzeugung und -speicherung sowie Datenverkehr in globalem Ausmaß einhergeht. In den meisten Fällen werden diese Daten von schnell wachsenden Techniken generiert, zum Beispiel dem Internet der Dinge, Big Data, Virtual Reality, autonomen Fahrzeugen und anderen Anwendungen künstlicher Intelligenz. Viele dieser Informationen, zum Beispiel solche aus den Bereichen Gesundheit, Finanzen oder sogar sicherheitsrelevanter Kommunikation, gelten als extrem vertraulich und erfordern den Umgang mit Protokollen und Verfahren, die ein Höchstmaß an Sicherheit garantieren.

Die derzeit genutzte Kryptografie gerät mit dem Aufkommen von Quantencomputern in Gefahr. Sie werden sofort die meisten Verschlüsselungsmethoden aufbrechen, die heute noch als sicher gelten und in großem Umfang genutzt werden. Entsprechende quantenbasierende Protokolle und Systeme bieten jedoch zusätzliche Methoden, die jetzt und in Zukunft verhindern sollen, dass damit verschlüsselte Nachrichten von einem Computer jedweder Art entschlüsselt werden können. Aus diesem Grund soll die "klassische" Kryptographie um "Quantenkryptografie"-basierende Protokolle erweitert werden, deren Fundament die Quantenmechanik darstellt. Damit fügt man der bestehenden übergreifenden Sicherheitsschutzarchitektur der Kommunikationsinfrastrukturen eine zusätzliche zukunftssichere physikalische Ebene hinzu. Quantum Key Distribution (QKD) ist das am häufigsten genutzte Quantenkryptographie-Protokoll. Seit seiner Einführung in den späten 80er Jahren hat es außerordentliche Fortschritte gemacht. Dennoch wird sein Potenzial für Anwendungen im Bereich Cybersicherheit noch nicht vollständig genutzt. Deshalb bestehen immer noch beträchtliche Herausforderungen, besonders weil die derzeit für bestimmte Sicherheitsdienste verwendeten QKD-Systeme oft teuer oder wenig flexibel sind und nicht nahtlos mit bestehenden Kommunikationsnetzwerken zusammenarbeiten können.

Das neue europäische Projekt CiViQ (Continuous Variable Quantum Communications) konzentriert sich auf die Lösung dieser Probleme. Ausgewählt als eines der 20 Projekte für den Start des Quantum Flagship (eine ambitionierte Initiative mit einer Milliarde Euro im Hintergrund, unterstützt von der Europäischen Kommission für die nächsten zehn Jahre), zielt CiViQ darauf ab, flexible und kostengünstige QKD-Systeme zu entwickeln, die sich problemlos in zukünftige Telekommunikationsinfrastrukturen integrieren lassen. CiViQ soll auch neue Quantenkryptografie-Systeme und -Protokolle hervorbringen mit dem grundsätzlichen Ziel, Privatpersonen, Industrie und Institutionen leicht zugängliche und innovative Dienste anbieten zu können und damit den Bedürfnissen eines sicheren Telekommunikationsmarkts gerecht zu werden.

Projektkoordinator Valerio Pruneri, ICREA Professor (Catalan Institution for Research and Advanced Studies) am ICFO (Institut de Ciències Fotòniques), sagt dazu: "In den nächsten drei Jahren wird CiViQ eine Technologie entwickeln, die spezifische Netzwerk-Sicherheitsanforderungen erfüllt. Ein Endnutzer-freundlicher Ansatz in Verbindung mit flexibler Integration in Telekommunikationsnetzwerke ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Akzeptanz seitens der Kryptografie- und Cybersicherheit-Märkte."

Um dies zu erreichen, vereint das Projekt ein Konsortium von 21 Partnern, das die gesamte Supply Chain des QKD abdeckt: akademische Forschungsgruppen, Komponentenhersteller, Industrieausrüster und Telekommunikationsnetzwerk-Betreiber und -Endnutzer. Fünf Forschungseinrichtungen, sechs Universitäten, zwei KMUs und acht große Unternehmen sollen mit ihrer Forschungsarbeit unter anderem in den Bereichen Quantenprotokoll-Design und Sicherheitsanalyse, Zertifizierung, integrierte Photonik sowie System- und Netzwerkentwicklung zum Erfolg beitragen. Die Partner sollen ihre Expertise mit dem Ziel zusammenbringen, quantenerweiterte Sicherheitsdienste zu fördern und die Entwicklung neuer kommerzieller Anwendungen voran zu treiben, um damit die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Quantentechnik zu stärken.

Das Fraunhofer HHI hat langjährige Erfahrung im Bereich optischer Kommunikationstechnik, die für die Quantentechnik zur Anwendung kommt. Zum Beispiel kommt die Technik des Fraunhofer HHIs in großem Umfang in optischen Kommunikationsnetzen zum Einsatz. Speziell der Mach-Zehnder-IQ-Modulator und der kohärente Empfänger sind Bauteile von transatlantischen und transpazifischen Übertragungsstrecken, sodass etwa jedes zweite Bit, das eine dieser Übertragungsstrecken passiert, eine Technik des Fraunhofer HHI berührt.

Weitere Informationen stehen unter www.fraunhofer.de und civiquantum.eu/ zur Verfügung.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

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