Ungewöhnliches Information-Lifecycle-Management

Intel löscht E-Mail-Beweise für Antitrust-Verfahren

5. März 2007, 23:50 Uhr |

Für ein globales IT-Unternehmen sollten die Archivierung und das Auffinden von elektronischen Dokumenten eigentlich ein Kinderspiel sein - nicht jedoch bei Intel. Der weltweit größte Chiphersteller meldete jetzt, dass er die vom Gericht im Antitrustprozess mit AMD angeforderten E-Mails "leider nicht mehr beibringen kann, da sie gelöscht wurden".

Laut Meldung an das Gericht kann Intel auch nicht genau sagen, um wie viel E-Mails es sich dabei genau gehandelt hat. "Wir bereuen sehr, dass wir diese peinliche Mitteilung an das Gericht machen müssen", schrieb Richard Horwitz, Intels führender Anwalt in diesem Verfahren, in dem AMD Intel vorwirft, Druck auf die PC-Hersteller ausgeübt zu haben, um diese vom Einsatz der AMD-Prozessoren abzuhalten.

Horowitz erklärt in seinem Schriftsatz sehr genau, wie es dazu kam, dass die gewünschten E-Mails nicht mehr vorhanden sind. "Wir betreiben ein Standardarchivierungssystem, das automatisch alle Mitarbeiter-E-Mails nach 35 Tagen löscht", heißt es darin. Aufgehoben werden nur die Dokumente, welche die Mitarbeiter manuell in einen speziellen Ordner ablegen. Diese werden dann vom Standardlöschen ausgenommen und einer längeren Archivierung zugeführt. Früher erfolgte diese Archivierung ausschließlich auf Festplatten, doch seit Oktober 2005 wird auch auf Tapes archiviert, die außerhalb des Unternehmens aufbewahrt werden.

Das besonders Kritische an diesem etwas ungewöhnlichen Information-Lifecycle-Managementsystem ist neben dem manuellen Eingriff und der subjektiven Einschätzung die Tatsache, dass die Mitarbeiter weder die Details dieser Regelung noch die Zeiträume dahinter kennen. So stellte sich jetzt heraus, dass manche Mitarbeiter der Ansicht waren, es wäre völlig ausreichend, wenn die zu sichernden Dokumente einmal im Quartal markiert werden.

AMD hat in seiner Stellungnahme zu diesem Vorfall das Intel-Management für den nachlässigen Umgang mit den sensitiven Unternehmensinformationen verantwortlich gemacht. "Der Intel-Vorstand hat in diesem Punkt alles verkehrt gemacht, was man nur falsch machen kann", heißt es im Schriftsatz an das Gericht. Darüber hinaus erhebt der Intel-Konkurrent aber keinerlei Vorwürfe, dass es sich bei diesem Datenverlust um Vorsatz oder gar rückwirkende Manipulation handeln könnte.

Trotzdem könnte gegen Intel noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren in diese Richtung angestrengt werden, denn der Supreme Court hat im vergangenen Dezember nochmals eindringlich auf die Einhaltung der Aufbewahrungspflichten hingewiesen. Gleichzeitig wurde fest gelegt, dass es in der Behandlung eines Unternehmens keinen Unterschied darin geben darf, warum es im Einzelfall die angeforderte Pflichtinformationen nicht vorlegen kann. "Wer schlampt, darf nicht noch später einen Vorteil daraus ziehen können", heißt es in der Begründung der höchsten Richter.

Für fehlende Daten können die Gerichte jetzt Bußgelder von bis zu 100 Millionen Dollar verfügen. Außerdem hat der Supreme Court alle untergeordneten Gerichte angewiesen, fehlende Dokumente immer so einzustufen, als ob darin Negatives über das fragliche Unternehmen steht.

Intel hat inzwischen Besserung gelobt. So sei die Installation einer Backup-Software geplant, die eine automatische Archivierung vornimmt. Die gesetzlichen Vorgaben könnten darin als Parameter eingegeben werden.

Harald Weiss/wg


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