Backup mit Turbo

Im Test: Atto Faststream 5300 VTL

9. Mai 2007, 23:15 Uhr | Elmar Török/mw

Virtual Tape Libraries liegen im Trend - und Atto hat mit der Faststream 5300 ein sehr flexibles Exemplar im Angebot. Die Appliance nutzt beliebige SCSI-Speichersysteme und nimmt Backup-Jobs über zwei Fibre-Channel-Ports entgegen.

Am Anfang noch als unpraktikabel weil zu teuer verschrien, haben sich Virtual Tape Libraries
(VTL) mittlerweile etabliert. Nicht in allen Bereichen: Vor allem große Unternehmen nutzen das
Konzept, weil es hilft, die enormen Backup-Mengen in kurzen Zeitfenstern zu sichern. Je kleiner die
Firmen, desto weniger stark ist die Neigung ausgeprägt eine VTL einzusetzen. Die damit verbunden
Kosten und die oftmals unflexiblen Einsatzbedingungen schrecken potenzielle Anwender ab. Was oft
negativ auffällt ist die zwangsweise Koppelung mit einem Speichersystem. Sicher, auf diese Weise
können die Hersteller optimale Leistung durch abgestimmte Komponenten garantieren. Aber ein Array
mit einigen Terabyte Kapazität sorgt für schmerzhaft hohe Einstiegskosten, kein gutes Argument für
den Mittelstand. Der amerikanische Hersteller Atto geht einen anderen Weg. Seine Virtual Tape
Library Faststream 5300 kommt ohne eigenen Speicher zum Kunden. Und noch etwas hebt die VTL von
anderen Produkten ab: Die Anbindung des Speichers läuft über zwei Ultra320-SCSI-Ports, die
Anbindung in Richtung Server geschieht mittels zwei 4-GBit/s-Fibre-Channel-Ports. Dadurch können
Anwender bereits vorhandenen Speicher als VTL- Backend nutzen und ihr Backup-System langsam per
Fibre Channel aufrüsten.

Viele Wege führen zu Virtual Tape

Das Virtual-Tape-Konzept gibt es in vielen Ausführungen, eine Appliance ist nur ein Weg, um zu
schnellem, festplattenbasiertem Backup-Speicher zu kommen. Der Vorteil einer Appliance liegt in
ihrer einfachen Integration, ebenfalls ein Argument für kleinere und mittlere Betriebe. Attos
VTL-System gibt sich dem Server gegenüber wie eine Band-Library aus, welches Modell und mit welchen
Parametern kann bei der Einrichtung der Appliance bestimmt werden. Folglich behandelt die
Backup-Software den virtuellen Speicher wie jede andere Tape-Library auch. Wer will, kann seine
bestehenden Backup-Jobs unverändert lassen und lediglich das Zielgerät anpassen. In der Praxis wird
man anders vorgehen. Durch die deutlich höheren Durchsätze und die Möglichkeit mehrere
Bandlaufwerke zu emulieren, bietet sich ein Umbau der Backup-Aufträge an. So könnte man mehrmals am
Tag die wichtigen Arbeitsverzeichnisse der Benutzer sichern, weil sie durch die erheblich kürzeren
Laufzeiten der Backup-Jobs weniger ausgebremst werden. Dadurch steigt die Zahl der
Wiederherstellungspunkte, beim Datenverlust ist die Zeitspanne kürzer, in der Änderungen nicht
gesichert wurden. Und mit mehreren virtuellen Bandlaufwerken, die auch über eigene, virtuelle
Bandmedien verfügen, sind Volumes und Datenstrukturen besser voneinander trennbar.

Für den Test verwendeten wir ein EasyRAID S8A2-Speichersystem von Starline Computer mit acht
SATA-II Festplatten und netto 4 TByte Kapazität. Starline fungiert auch als Distributor für Atto in
Deutschland. Der Testserver, auf dem die Backup-Anwendungen installiert wurden, war ein Dell
Poweredge 2900 mit 4 GByte RAM und zwei Dual-Core-Xenon-Prozessoren sowie einem Qlogic FCX-65
Fibre-Channel-Adapter.

Setup per Browser

Die flache VTL von Atto nimmt nicht mehr als eine Höheneinheit im Rack ein und wird mit
passenden Winkeln für die Rack-Montage geliefert. An der Front befinden sich die LEDs für die SCSI-
und Fibre-Channel-Anschlüsse, alle Buchsen sind verkabelungsfreundlich an der Rückseite
untergebracht. Als einziges Bedienungselement gibt es den Ein-Aus-Schalter, was zu konfigurieren
ist, läuft über den Webbrowser und die GUI des Faststream 5300. Der Anschluss ist simpel: Strom und
Netzwerkkabel anstecken, SCSI-Array anschließen und den oder die Fibre-Channel-Leitungen mit den
Host-Bus-Adaptern (HBA) verbinden. Die Appliance holt sich nach dem Hochfahren, das gut eine Minute
lang dauert, per DHCP eine IP-Adresse und steht fortan zur Konfiguration zur Verfügung. Wer seinen
Webbrowser auf die Adresse richtet, wird mit einem Login-Bildschirm begrüßt, der
Standard-Benutzername ist "root", das Passwort "password". Danach geht es weiter zu einem "
Initial-Setup" Wizard. Er erscheint immer dann, wenn noch keine VTL eingerichtet ist. Zwei logisch
getrennte VTLs sind möglich, wer nur einen Host anschließt kommt mit einer VTL aus. Trotz
Initial-Setup, sollte man als erstes bei den Einstellungen für die Fibre-Channel-Ports aufpassen.
Im Testgerät war dort 4 GBit/s als Standardwert eingestellt, nicht der ebenfalls mögliche "Auto"
-Modus. Als wir im Test einen zweiten, älteren HBA von JNI mit dem Gerät verbinden wollten, ging
zunächst nichts, da der HBA maximal 2 GBit/s schaffte. Es dauerte eine Weile, bis wir die Ursache
gefunden hatten, danach klappte es auch mit dem FCX-6562.

Der Initial Setup Wizard will es dem Anwender leicht machen. Er bietet zunächst an, die
Laufwerke einzurichten und dann eine Schnellkonfiguration durchzuführen. Ebenfalls möglich ist die
herkömmliche Konfiguration ohne Wizard-Unterstützung. Zu der würden wir nach dem Test auch raten,
auf dem schnellen Weg hat der Anwender zu wenig Kontrolle über wichtige Parameter.

Aber zuerst ist die Initialisierung der Laufwerke dran. Was sich am anderen Ende der
SCSI-Verbindung befindet ist dem Faststream 5300 ziemlich gleichgültig. Es kann ein JBOD sein, also
eine unintelligente Ansammlung von Laufwerken, oder ein komplett eingerichtetes RAID-Array, das
sich der Appliance wie eine, sehr große, Festplatte präsentiert. Im Test versuchten wir es zunächst
mit der fertigen RAID-Variante, da das easyRAID deutlich mehr Redundanz durch RAID-6 und sogar
Triple-Parity bot. Attos Faststream beherrscht lediglich RAID 0, 1 und 5. Natürlich muss man sich
dann auch innerhalb des RAID-Arrays um Hot-Spares kümmern, normalerweise kann das Faststream
globale Hot-Spares zur Verfügung stellen. Die fast 3 TByte große RAID-6 Platte akzeptierte die VTL
ohne Probleme, versuchte dann allerdings einen Test des Laufwerks mit anschließender
Initialisierung durchzuführen. Weil das bereits im Array passiert war, brachen wir den Vorgang ab,
die VTL nahm es nicht übel und fuhr mit der Konfiguration fort. Schön gelöst ist die Infoanzeige
der Datenträger. Bewegt man die Maus über einen Eintrag, klappt ein Fenster mit Seriennummer,
RAID-Gruppe und Plattentyp sowie Hersteller auf. Übrigens: Wer bei den ersten
Konfigurationsversuchen nach dem Knopf für "Ok" oder "Next" sucht – er ist ganz unten rechts
versteckt. In vielen Menüs geht es unter dem Bildrand noch weiter, aufgrund des etwas verwirrenden
Seitenlayouts merkt man dies am Anfang nicht.

ID-Strings entscheidend

Nachdem die Datenträger bereit stehen, kann es an die Konfiguration der eigentlichen VTL gehen.
Wichtig sind vor allem zwei ID-Strings: der für die Library und der für das oder die virtuellen
Bandlaufwerke. Weil sich die Appliance der Backup-Software gegenüber als "echte" Bandbibliothek
tarnt, kommt es darauf an, dass die Software bekannte Gesichter vorfindet, wenn sie die
Backup-Devices abfragt. Hier gab es am Anfang Schwierigkeiten, denn mit den "Quick" konfigurierten
ID-Strings (ATTOVT, ATTOTape) konnten unsere vier Testprogramme Backup Exec 10d und 11d, Tapeware
8.1 SP2a, CA Brightstor Arcserve 11r5 und EMC Retrospect 7.5 ausnahmslos nichts anfangen. Eine
Anfrage bei Attos Support brachte Klärung. Weil das Gerät ganz neu auf dem Markt ist, laufen die
Zertifizierungsprozesse mit den Backup-Software-Herstellern noch, deren Bandtreiber erkennen die
neuen Strings noch nicht. Die Abhilfe: mit den alten ID-Strings aus dem Vorgängermodell Atto
Diamond arbeiten (ATTO/Diamond, ATTO/DiamondTape). Eine Ausnahme stellt Symantec Backup Exec dar.
Hier lauten die Strings: ATL/M1500 und Quantum/DLT8000. Mit den korrekten Strings hatte keines der
Backup-Programme Probleme, die Virtual Tape Library zu erkennen und anzusprechen.

Noch ein Faktor ist bei der Konfiguration wichtig. Bei VTLs spielt die Größe eines virtuellen
Bandmediums theoretisch keine Rolle, praktisch kann es aber durchaus von Bedeutung sein, zum
Beispiel, wenn man virtuelle auf echte Bänder kopieren will. Tunlichst sollte dann die virtuelle
der physikalischen Größe entsprechen. Die Bandkapazität hängt bei VTLs aber von mehreren Faktoren
ab. Zum Einen von der Gesamtgröße des zur Verfügung stehenden Speichers und von der Menge der
gewählten virtuellen Bandmedien. Ein Beispiel: Ist für eine VTL 1 TByte Speicher vorhanden und der
Admin entscheidet sich für 20 Bänder, legt die Appliance 20 Medien zu je 50 GByte an. Einmal
festgelegt genügt ein Mausklick (wenn man den "OK"-Button gefunden hat) und die Faststream 5300
legt Bandlaufwerke und Medien an. Noch ein Wort der Warnung: Eine einmal konfigurierte VTL kann
nicht mehr geändert werden, ID-Strings, Anzahl der Bandmedien, etc. bleiben fixiert. Änderungen
sind nur auf die harte Tour möglich, per Löschen und neu Erstellen. Solange die RAID-Funktionalität
extern verwaltet wird, ist dies keine große Sache, das Löschen und neu konfigurieren dauert eine
Minute. Kümmert sich die Appliance selbst um das RAID, sieht dies anders aus. Eine
RAID-5-Initialisierung bei unseren knapp 3 TByte dauerte 21 Stunden. Hier noch ein Hinweis: Während
des Tests sollten wir die Firmware auf den neuesten Stand (1.01) bringen. Dies geschieht entweder
über die serielle Schnittstelle und eine Terminal-Emulation (ohne Benutzername/Passwort) oder per
FTP. Der Vorgang ist in der Anleitung beschrieben, vergisst aber, den Befehl BIN zu erwähnen, der
den Transfermodus von ACSII auf Binary umstellt. Einige FTP-Clients sind zwar schlau genug, dies
automatisch zu bewerkstelligen, sicherer ist es jedoch per Hand. Ebenfalls unterschlagen: der
notwendige Neustart, die Appliance leitet ihn nicht automatisch ein.

Nun geht es am Server weiter. Fährt der Computer mit bereits installiertem und verkabeltem
Fibre-Channel-HBA hoch, erkennt er prompt die eingerichtete Library samt virtuellen Bandlaufwerken.
Treiber für Windows liegen auf einer CD bei, auch wenn diese laut Aufschrift nur Dokumentation und
Firmware enthält. Nach einiger Suche ist auch klar, dass die Treiber im Verzeichnis /i386 liegen
und nicht, wie vermutet unter Windows 2000 oder Windows 2003. Die Treiber sind allerdings nicht
unbedingt nötig, die meisten professionellen Backup-Programme bringen ihre eigenen Treiber mit, die
sie, solange die ID-Strings der VTL passen, auch korrekt installieren. Ist die Backup-Software
schon installiert, kann es losgehen. Und jetzt kommt der Moment, auf den der Administrator mit
Spannung gewartet hat – wie fühlt sich die Sicherung mit einer VTL an? Klare Antwort: schnell. Die
durchschnittlichen Durchsatzraten liegen um die 1600 MByte pro Minute, die Spitzenwerte erreichten
bis zu 3800 MByte/min. Für maximalen Durchsatz sollte der Anwender das RAID von der Appliance
verwalten lassen. In den Tests stieg der Spitzendurchsatz beim Backup dann auf 1800 MByte/min. Die
verwendete Backup-Software spielte kaum eine Rolle, es gab zwar Abweichungen, die lagen aber bei
unter zehn Prozent zwischen den Programmen. Der Durchsatz beim Wiederherstellen war mit
durchschnittlich 1400 MByte/min auch nicht viel schlechter. Besonders eindrucksvoll sind die bei
einer echten Library zeitraubenden Bandakti-onen. Laden und entladen, zwischen Magazinen wechseln –
alles funktioniert tadellos und rasend schnell. Die Emulation von Library und Bandlaufwerk hat Atto
also perfekt hinbekommen, sogar Schächte für Reinigungsbänder ließen sich definieren. Wir testeten
die üblichen Aufgaben wie Formatieren, Laden/Entladen und Inventarisieren, sowie unsinnige Dinge
wie eben die Reinigungsbänder- oder "Band spannen"-Kommandos. Alles funktionierte problemlos, im
schlimmsten Fall gab es eine Fehlermeldung der Backup-Anwendung.

Info: Starline Computer Tel.: 07021/487-200 Web: www.starline.de


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