Stetiges Wachstum im Storage-Markt

Tempo und Stabilität sind die Trumpfkarten

3. Oktober 2006, 22:00 Uhr | Elmar Török/mw

Die große Revolution bleibt aus, doch langsam, aber sicher füllen sich einige Marketingfloskeln mit Leben. Hersteller und Kunden von Speichersystemen erleben gerade eine ruhige und produktive Zeit mit Virtualisierung und ILM als zentralen Trends. Mehr Durchsatz und größere Festplatten stehen auf den Einkaufs- und Prioritätenlisten häufig weit oben. Dafür sorgen schon die linear ansteigenden Datenmengen, mit denen die meisten Anwender zu kämpfen haben.

Ein Glück für Kunden und Hersteller: Der Storage-Markt hat die Sturm- und Drangzeiten hinter
sich. Die Techniken und deren Vorteile sind bekannt, die Positionierung weitgehend festgelegt. Was
im Moment in vielen Unternehmen abläuft, kann man als das "Erfüllen von Versprechen" bezeichnen.
Nachdem die Infrastruktur in großen Firmen fest steht und in der Regel auch mittelfristig
unverändert bleibt, realisieren die Firmen die lange versprochenen Vorteile von Storage Area
Networks: einfaches Verwalten von großen Datenmengen, unproblematisches Skalieren der
Speichersysteme und nahtlose Einbindung der Systeme in Services und Applikationen. Gerade wenn es
um das Skalieren geht, profitieren die Kunden vom beständig fortschreitenden Preisverfall,
zumindest bei den Datenträgern und bei den Port-Kosten für SAN-Switches. Die Zahlen von IDC
spiegeln den Trend wider: Während die Umsätze im Jahr 2006 nur um vier Prozent wachsen sollen,
schätzen die Auguren den Zuwachs bei den Stückzahlen auf 50 Prozent.

"Schneller und größer" ist natürlich auch in diesem Jahr das Motto vieler Anwender und
Hersteller. Mehr Durchsatz und größere Festplatten stehen auf den Einkaufs- und Prioritätenlisten
weit oben. Dafür sorgen schon die linear ansteigenden Datenmengen, mit denen die Anwender zu
kämpfen haben. Roger Turner, Director of Storage Systems von Hitachi Data Systems, sieht bei seinen
Ansprechpartnern in den Unternehmen Zuwächse bei 60 bis 100 Prozent pro Jahr. Das erklärt auch,
warum immer mehr mittelgroße Firmen ein SAN einführen oder zumindest über die Einführung
nachdenken. Allerdings ist die Akzeptanz immer noch weit unter dem Level, den große Firmen einem
SAN entgegenbringen, wie auch eine Studie von Gartner belegt. Dies mag an den nach wie vor hohen
Investitions- und Wartungskosten liegen, aber auch an einer Scheu vor der
Fibre-Channel-Technik.

SAN-Vorteile mit iSCSI nutzen

Dem kommt die iSCSI-Technik entgegen. Auch wenn die Grundstruktur wie ein SAN aussieht und viele
SAN-Vorteile bietet, nutzt iSCSI das bekannte und bewährte TCP/IP und Ethernet als Medium. Hartmut
Lüerßen, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Lünendonk, sieht iSCSI gut für bestimmte
Anwendungen positioniert: "Gerade in Microsoft-Umgebungen bietet iSCSI auf günstige Weise die
Vorteile von Fibre Channel." Kunden scheinen iSCSI besonders gern für Exchange-E-Mail-Server
einzusetzen, eine Beobachtung, die Lutz Buerger, Country Manager Central Europe beim
iSCSI-Spezialisten Equallogic bestätigt: "Die Unterstützung durch Microsoft hilft sehr bei der
Akzeptanz von iSCSI. Und gerade bei Exchange- oder Backup-to-Disk-Lösungen setzten mittelgroße
Unternehmen vermehrt auf iSCSI." Neben Microsofts Hilfe trägt bestimmt auch die Tatsache, dass die
Kinderkrankheiten überwunden sind, dazu bei, dass iSCSI in den Unternehmensnetzen Einzug hält.
Hartmut Lüerßen hat sich intensiv im Rahmen einer Studie mit iSCSI beschäftigt und kommt zu dem
Schluss: "Die Reife der Lösungen ist in Ordnung." Dass iSCSI trotz allem relativ langsam voran
kommt, die Marktanteile im Jahr 2008 betragen abhängig von der jeweiligen Studie zwischen acht und
25 Prozent, liegt auch daran, dass viele Firmen Storage selbst nicht als Grund genügt, um
Investitionen freizugeben. Meist wird ein größeres Projekt, zum Beispiel die Einführung einer neuen
Mail-Lösung oder der Wechsel des ERP-Systems als Anlass genommen, um die Speicherinfrastruktur
anzupassen.

Ähnlich langsam, aber mit erheblich größeren Auswirkungen gehen die Unternehmen die beiden
Dauerbrenner ILM (Information Lifecycle Management) und Virtualisierung an. Fest steht, dass Firmen
nicht um eine differenzierte Sichtweise auf ihre Daten herum kommen. Stefan Ehmann, Storage-Experte
bei Computer Associates und Chairman der SNIA, ist davon überzeugt, dass das reine Bereitstellen
von mehr Kapazität nichts bringt: "Selbst wenn die Preise für den Speicher selbst sinken, die
Sekundärkosten – Strom, Kühlung, Verwaltung – steigen mit jeder neuen Festplatte und jedem
Speichersystem. Man muss Daten kategorisieren und nach ihrer Relevanz abgestuft behandeln."
Computer Associates sieht bei ILM noch viel Bewegung, das Thema werde Firmen noch lange
beschäftigen. Der Meinung ist auch Heiko Schrader, Country Sales Manager Germany bei Brocade. "Die
Kunden und die Hersteller haben mittlerweile verstanden, dass ILM vor allem ein Konzept und weniger
ein Produkt oder eine Lösung ist." Ehmann ergänzt: "ILM erfordert viel Planung und das Ausarbeiten
von Richtlinen, dazu gehört auch ein umfassendes Assessment von Datenstrukturen."

Archivierung und Virtualisierung wachsen zusammen

Wer ILM sagt, muss auch Archivierung und Virtualisierung einbeziehen. Die Grenzen zwischen den
Buzzwords sind ohnehin fließend. Wenn man eine Ebene tiefer geht und Produkte oder zumindest die
Technik betrachtet, überlappen die Bereiche noch stärker. ILM setzt eine Kategorisierung von Daten
voraus, Archivierung ist die bevorzugte Speichermethode für selten benutzte Daten. Und
Virtualisierung hilft dabei, aus den vorhandenen Speicherressourcen eine logische Einheit zu
machen, die physikalisch sehr wohl zwischen teurem und schnellem sowie billigem und langsamem
Speicher unterscheidet.

Tiered-Storage ist also Trumpf, wie auch Tim Piper, Director Product Marketing, Xyratex
bestätigt: "Für größere Unternehmen dürfte die Einführung von Tiered-Storage das Hauptthema der
nächsten zwölf bis 24 Monate werden." Treibende Faktoren sind Compliance und die Notwendigkeit,
sich gegen mögliche Streitigkeiten, auch vor Gericht, abzusichern. Um die Massen an ständig
anfallenden Daten zu managen, müssen zum einen intelligente Systeme eine Vorentscheidung treffen
können, was ständig aktuell gehalten und was in ein Archiv verschoben werden muss. Die Trennung der
Archiv- von den Produktionsdaten beschleunigt natürlich auch Backup und Restore. Und sie hilft bei
der Konsolidierung von Ressourcen, wie Roger Turner von Hitachi Data Systems anmerkt: "Wenn die
relevanten Daten bekannt sind, kann man Anwendungen auf einem Speichersystem konsolidieren. Die
Speicherhersteller gehen ohnehin dazu über, verschiedene Laufwerkstechnologien wie SATA und Fibre
Channel in einem Array zu kombinieren. So lassen sich Fileservices, Mail-Server und ERP-Daten in
einem Array konzentrieren und dennoch auf unterschiedlich kostspieligen Medien ablegen."

Das klingt nicht nur nach Virtualisierung, es ist auch mehr oder weniger eine exakte
Beschreibung dieser Technik. Für den Anwender soll der Speicherplatz wie eine einzige große
Dateiwolke aussehen. Was sich im Einzelnen darunter verbirgt, welche Arrays, welche Festplatten und
welche Dateisysteme die Wolke letztendlich bilden, soll dem Benutzer gleichgültig sein.
Mittlerweile hat auch fast jeder Hersteller entsprechende Produkte im Angebot. Ob das EMCs Invista
ist, SAN Volume Controller von IBM oder Tagmastore von Hitachi, im Endeffekt wollen alle Anbieter
das Gleiche erreichen, eine Abstraktion des physikalischen Speichers. Dass so eine Funktion bitter
notwendig ist, belegt Roger Turner mit Zahlen aus einer unternehmenseigenen Studie: Die befragten
Firmen gaben an, dass über die Hälfte der Service- und Anwendungsausfälle auf Speichermangel
zurückzuführen waren. Und in knapp drei Viertel dieser Fälle hätte durchaus genug Speicher zur
Verfügung gestanden – nur auf einem anderen Array, auf das die Anwendung oder der Dienst keinen
Zugriff hatte.

Ob das Speicher-Array der richtige Ort für die Virtualisierung ist oder nicht, wird die Zukunft
zeigen. Hitachis Turner merkt an, dass auf diese Weise eine ganze Reihe von Funktionen eng mit dem
virtualisierten Speicher verknüpft werden kann. Snapshots, Rechteverwaltung und Recovery wären so
nahtlos in das Management eingebunden, ohne dass der Anwender auf herstellerspezifische Werkzeuge
zurückgreifen müsste.

Im SAN-Bereich ist die Entscheidung zu Gunsten 4-Gigabit-Durchsatz längst gefallen. Carsten
Wilde, Geschäftsführer beim Speicherdistributor Starline, bestätigt das: "Kunden bestellen nur noch
Systeme mit 4 Gigabit Fibre Channel. Mittlerweile sind die 4-GBit/s-Geräte ohnehin gleich teuer
oder sogar billiger als die mit 2 GBit/s." Allerdings kann er keine groß angelegten Aufrüstaktionen
beobachten. Die vorhandenen Switches und HBAs bleiben, wo sie sind, schließlich haben die meisten
Firmen lange auf ein stabiles SAN hingearbeitet. Schnellere Techniken wie 10 GBit/s Fibre Channel
haben zurzeit keine Chance, sagt Heiko Schrader von Brocade: "Die Pläne für 10 GBit/s Fibre Channel
liegen bei uns in der Schublade, werden aber von den Kunden nicht gewünscht. Das liegt zum einen am
Preis, außerdem hindert die nicht-vorhandene Rückwärtskompatibilität mit 4 und 2 GBit/s die
Integration." Neben dem Durchsatz-Upgrade freuen sich die Kunden zurzeit über den gestiegenen
Funktionsumfang von SAN-Komponenten. Viele Funktionen, die früher dem Highend vorbehalten waren,
haben ihren Weg in Einstiegssysteme gefunden. Einrichtungen für reibungslose Migration und
Hochverfügbarkeit gehören mittlerweile zur Standardausstattung, wie Mika Kotro, Product Marketing
Manager bei EMC, erklärt. Auch die Kompatibilität gibt keinen Grund zur Sorge mehr. Roger Turner
berichtet: "Wir haben die Tests auf Kompatibilität verbessert und finden erfreulich wenig Probleme,
Tendenz weiter sinkend."

Backup und Restore erleben zwar im Moment keine umwälzenden Erneuerungen, dennoch tut sich auch
auf diesem Gebiet etwas. Joachim Erb, Product Marketing Manager bei Storagetek, sieht generell
einen weiter zunehmenden Trend in Richtung Tape-Automatisierung. Einzelne Laufwerke sind trotz der
massiven Kapazitätszuwächse pro Band den Anforderungen in Firmen nicht mehr gewachsen. Nach wie vor
entscheiden sich viele Unternehmen für eine Backup-to-Disk Lösung, ob als eigenständiges Archiv
oder als Zwischenspeicher vor einer Tape Library. "Das verursacht kaum Änderungen an der
Infrastruktur, in der Regel muss man nur die zusätzlichen Lizenzen für die Backup-Software
erwerben," weiß Erb. Ansonsten hat ILM auch Auswirkungen auf den Bandbereich. Tape ist trotz
billiger SATA-Arrays immer noch das günstigste Speichermedium und eignet sich damit gut für die
Langzeitarchivierung. Allerdings müssen dafür Archiv und Backup getrennt werden, sogar innerhalb
einer Library. Storagetek sieht daher in Zukunft unterschiedliche Bandformate in einem Gerät,
zumindest bei sehr großen Libraries.

Mehr Sicherheit mit Double Parity

Große Festplatten sind praktisch. Allerdings steigt bei 750 GByte pro Platte auch das Risiko,
bei einem Ausfall nicht nur viele, sondern sehr viele Daten zu verlieren. Keine Überraschung also,
dass RAID 6 oder Double Parity verstärkt nachgefragt und von den Herstellern auch angeboten wird. "
Mittlerweile sind sogar Triple-Parity-Systeme im Angebot, da können drei Platten im Verbund
ausfallen, ohne dass Daten verloren gehen," berichtet Carsten Wilde von Starline. Gute Nachrichten
gibt es auch aus dem Serial-Attached-SCSI-Lager. Die Platten sind lange genug im Einsatz, um einen
Eindruck von den Ausfallquoten zu bekommen. Wilde bestätigt, dass die Datenträger genau so gut oder
besser als SCSI- und Fibre-Channel-Geräte abschneiden. Und noch ein Trend zeichnet sich immer
deutlicher ab: Sicherheit. Die vielen Zusammenschlüsse in diesem Bereich – EMC und RSA, Network
Appliance und Decru – zeigen, wie groß der Markt eingeschätzt wird. Die Analysten von Gartner gehen
noch einen Schritt weiter: Bis Ende 2007 soll es zum einen noch mehr Zusammenschlüsse geben, zum
anderen sollen 80 Prozent der Fortune-1000-Firmen Verschlüsselung im Speicherbereich einsetzen, vor
allem bei Archiven.


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