Normierte LWL-Messtechnik

Abweichungen ans Licht bringen

5. April 2017, 8:00 Uhr | Von Dipl.-Ing. (FH) Frank Kölske.

Die informationstechnische Vernetzung von Unternehmensebene, Leitebene und Feldebene setzt die sichere und stabile Übertragung hoher Datenraten voraus. Lichtwellenleiter ermöglichen heute hohe Übertragungsgeschwindigkeiten - und dies über lange Strecken sowie im rauen Industrieumfeld. Verlässliche und reproduzierbare Labormessungen sorgen für die gleichbleibende Qualität der LWL-Anschlusskomponenten im Feldeinsatz.

Die Untersuchung von LWL-Komponenten - etwa von konfektionierten Steckverbindern oder Patch-Kabeln - erfolgt üblicherweise in der Produktion oder im Labor mittels Dämpfungsmessgeräten. Die ermittelten Werte kommen zu den überprüften Artikeln, um dem Endanwender die Qualität zu dokumentieren. Nach der Verlegung dieser Komponenten im Feld und bei einer anschließenden erneuten Messung ergeben sich jedoch häufig andere Werte als die dokumentierten Zahlen des Herstellers. Nicht selten weichen die Werte sogar mehr als fünfzig Prozent von den dokumentierten Werten ab.

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Als Hersteller hochwertiger LWL-Komponenten überprüft und dokumentiert Phoenix Contact die gleichbleibende Qualität der Steckverbinder und Leitungen permanent.

Zur Messung der Einfügedämpfung (IL = Insertion Loss) von LWL-Komponenten existieren zahlreiche Methoden. Wollen Hersteller und Anwender die Ergebnisabweichung für Multimode-Komponenten minimieren, sind identische Einkoppelbedingungen während der Messung zu beachten. Dies kann die Messunsicherheit auf bis zu zehn Prozent reduzieren.

Identische Messbedingungen reduzieren Abweichungen

Zunächst sollte sowohl für das Sendegerät - also die Lichtquelle - als auch für den Empfänger garantiert sein, dass diese gültige Kalibrierzertifikate aufweisen und einen zuverlässigen und stabilen Messvorgang erlauben. Damit sich Sender und Empfänger verstehen, muss die richtige Wellenlänge eingestellt und auf das übrige Messequipment sowie auf die zu prüfenden LWL-Komponenten abgestimmt sein.

Definierte Messkabel und -kupplungen ermöglichen zudem zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse. Die hochwertigen Messkabel verfügen über Referenzsteckverbinder, die mit geringen Toleranzen für Geometrien und Ferrulenmaße gefertigt sind. Als Messkupplungen eignen sich Kupplungen mit einer eng tolerierten Keramikführungshülse.

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Lichtquellen im Vergleich: Üblicherweise überfüllen LED-Lichtquellen die Faser, während Laser die Faser signifikant unterfüllen. VCSEL-Multimode-Transceiver unterfüllen die Faser nicht so stark wie gewöhnliche Laser-Lichtquellen.

Bevor der Techniker oder Monteur die Messkabel an die Prüflinge anschließt, sollte er unbedingt kontrollieren, ob die Stirnflächen der Steckverbinder sauber und unbeschädigt sind. Gerade beschädigte oder verschmutzte Stirnoberflächen können zu Folgeverschmutzungen, Folgeschädigungen und sogar zum Ausfall der LWL-Komponenten führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Steckverbinder der Messkabel sowie die Steckverbinder der zu messenden LWL-Komponenten zu inspizieren und gegebenenfalls zu reinigen.

Das Stecken der Verbinder darf erst geschehen, wenn alle Steckverbinder und Messkupplungen inspiziert, sauber und unbeschädigt sind. Beschrieben ist die visuelle Inspektion von LWL-Steckverbindern in der Norm DIN EN 61300-3-35.

Halbleiter-Laser als neuer Standard

Sind die zuvor beschriebenen Voraussetzungen erfüllt, können bei Multimode-Komponenten noch immer große Abweichungen der gemessenen Einfügedämpfungswerte auftreten. Diese Abweichungen kommen durch unterschiedliche Messgeräte zustande, da im Feld in aller Regel andere Messgeräte zum Einsatz kommen als in der Fertigung oder im Labor. Die entsprechenden Sender verfügen daher auch über unterschiedliche Lichtquellen, die wiederum unterschiedliche Lichtverhältnisse produzieren. Gerade bei Multimode-Messungen an Quarzglas-Lichtwellenleitern G50/125 µm und G62,5/125 µm wirken sich diese unterschiedlichen Lichtverhältnisse in den Messergebnissen der Einfügedämpfung aus. Wichtige Einflussgrößen sind dabei die Lichtmenge und die Modenverteilung - sie unterscheiden sich je nach der Art der verwendeten Lichtquelle.

In den Anfangsjahren der LWL-Messtechnik erfolgte die Einkopplung in den Multimode-Lichtwellenleiter per lichtemittierender Diode (Light Emitting Diode, LED). Heute kommen überwiegend oberflächenemitierende Halbleiter-Laser (Vertical Cavity Surface Emitting Laser, VCSEL) zur Messung von Quarzglas-Multimode-Fasern G50/125 µm - zum Beispiel in den Kategorien OM3 und OM4 - zum Einsatz. Während LED-Lichtquellen einen breiten Lichtstrahl bei überfüllter Anregung erzeugen, geht von Laser-Lichtquellen ein schlanker gerichteter Lichtstrahl bei unterfüllter Anregung aus (Bild oben).

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Wickeldorne eliminieren die Moden höherer Ordnung bei Multimode-Messungen.

In den zurückliegenden Jahren entstanden unterschiedliche Methoden zur Definition der Lichtverteilung, die als Multimode-Anregungsbedingungen in die Normen eingingen. Da sich in Multimode-Fasern das Licht in unterschiedlichen Moden ausbreitet, kommt der Eliminierung der unstabilen Moden höherer Ordnung eine besondere Bedeutung für reproduzierbare Messergebnisse zu. Eine vergleichsweise einfache technische Lösung bieten so genannte Glasfaser-Wickeldorne. Das Wirkprinzip der Wickeldorne beruht auf der unterschiedlichen Streuung der Lichtmoden. Während sich die Moden niedriger Ordnung stabil längs entlang des Glasfaserkerns ausbreiten, streuen die Moden höherer Ordnung vor allem bei stark gekrümmten Lichtwellenleitern. Diese Krümmung wird mittels Wickeldorn erreicht. Die umhüllte oder ummantelte Multimode-Glasfaser ist dann mehrfach um eine solche Spindel mit einem definierten Durchmesser gewunden (Bild links).

Da der Wickeldurchmesser in Abhängigkeit der gewählten Norm für die gleiche Faserstärke unterschiedlich vorgegeben wird, können aber noch immer unterschiedliche Lichtverhältnisse an der Einkoppelstelle der zu messenden LWL-Komponente (Device under Test, DUT) auftreten. Damit ist die tatsächliche Anregung an der Einkoppelstelle unbekannt.

Um auch diese Unsicherheit zu eliminieren, haben die Experten der internationalen Normungsgremien die Bedingungen für die Lichtverteilung an der Einkoppelstelle neu definiert. Das Ergebnis: der eingeschlossene Strahlungsfluss (Encircled Flux, EF). Die Standardisierung fordert diese Anregungsbedingung nicht an der Einkoppelstelle vom Sender in das Sendekabel, sondern an der Einkoppelstelle zur geprüften LWL-Komponente - also am Ausgang des Sendekabels.

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Beispiel einer EF-Schablone für eine G50/125-µm-Faser bei 850 nm (Quelle: DIN ISO/IEC 14763-3 Anhang A): Der eingeschlossene Strahlungsfluss stellt die Verteilung der Lichtleistung über den Radius der Faser dar - im Ergebnis ist die Faser kontrolliert unterfüllt.

Somit wird das Licht entsprechend der spezifizierten Anregungsbedingung direkt in die zu messende LWL-Komponente eingespeist. Die Spezifikationen sind im Standard DIN EN 61280-4-1 beschrieben und legen die Anregungsbedingungen im Wesentlichen für die Multimode-Fasern G50/125 µm und G62,5/125 µm bei den Wellenlängen 850 nm und 1300 nm fest. Der eingeschlossene Strahlungsfluss lässt sich durch das Anschließen eines Mode-Controllers oder eines sogenannten Encircled Flux Mode Conditioners erzeugen und durch eine Nahfeldmessung mit einem geeigneten Nahfeldmessgerät überprüfen.

Normierte Messmethoden

Aus der Vielzahl der Methoden zur Messung der Einfügedämpfung an LWL-Komponenten haben sich einige über die Jahre bewährt und kommen daher auch in der Praxis zum Einsatz. Als Messmethoden im Labor und in Fertigungsstätten haben sich die Verfahren nach DIN-EN-61300-3-4 "Einfügungsverfahren (C3) für Patchcords" und nach DIN-EN-61300-3-4 "Einfügungsverfahren (C2) für Steckverbinder" etabliert. Die Normen beschreiben die verschiedenen Verfahren zur Messung der Dämpfung von Lichtwellenleiter-Bauteilen.

Für Messungen im Feld ziehen Techniker zumeist die DIN ISO/IEC 14763-3 heran. Sie beschreibt Messmittel und Verfahren für die Sichtprüfung und Messung von Lichtwellenleiter-Verkabelungen, die nach ISO/IEC 11801 beziehungsweise DIN EN 50173 oder vergleichbaren Normen ausgelegt sind.

Fazit: Exakte Messung erforderlich

Die Anforderungen an qualitativ hochwertige LWL-Komponenten machen eine genaue und reproduzierbare Messung der Einfügedämpfung bei Multimode-Fasern unabdingbar. Hersteller hochwertiger LWL-Komponenten sowie Messtechniker im Feld müssen daher die Voraussetzungen berücksichtigen, die für die Durchführung der Messtechnik und für den normativen Aufbau gelten. Die Grundlagen dazu sind vorhanden.

Dipl.-Ing. (FH) Frank Kölske ist Entwicklungsingenieur Field Device Connectors bei Phoenix Contact in Blomberg ().

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