Bandbreitencharakterisierung von Mehrmodenfasern

Bandbreitenpotenzial von Glasfasern

6. November 2006, 6:50 Uhr | Dr. Russell Ellis/jos Dr. Russell Ellis ist bei Corning Optical Fiber tätig.

Eine zuverlässige Multi-Gigabit-Systemleistung für Lichtwellenleiter erfordert nach Einschätzung von Experten aus dem Haus Corning den Einsatz von minEMBc, einem neuen Verfahren zur Laserbandbreitenmessung für die Charakterisierung von laseroptimierten Mehrmodenfasern. minEMBc bietet eine Glasfaserbandbreitenspezifikation, die das tatsächliche Bandbreitenpotenzial der Glasfaser beschreibt, und ist für alternative Distanzen skalierbar.

Mehrmodenfasern zählen schon seit geraumer Zeit zu den attraktivstes Optionen für
kosteneffektive optische Industrienetzwerke, die einen durchgehenden Upgrade-Pfad von 10 MBit/s bis
zu 10 GBit/s und darüber hinaus bieten. Durch den zunehmenden Bandbreitenbedarf und höhere
Datenraten findet in der Branche ein Übergang vom MBit/s- zum GBit/s-Bereich statt, der
laseroptimierte Mehrmodenfasern und Transceiver auf Laserbasis anstelle der langsameren Transceiver
auf LED-Basis erfordert. Dieser Wandel beruht auf der breiten Einführung von
GBit-/Multi-GBit-Protokollen (zum Beispiel Ethernet, Fibre Channel etc.) und dem wachsenden
Interesse an Lösungen, die 10-GBit/s-fähig sind und die kostengünstige VCSEL-Technik
(Vertikallaserdioden) nutzen. Die folgenden Überlegungen erläutern, warum das standardisierte
Laserbandbreitenmessverfahren mit der Bezeichnung "minEMBc" (Calculated Minimum Effective Modal
Bandwidth = Minimale berechnete effektive modale Bandbreite) für die Multi-Gigabit-Übertragung über
laseroptimierte Mehrmodenfasern erforderlich ist. Im Vordergrund stehen dabei die Vorteile von
minEMBc gegenüber dem älteren DMD-Maskentestverfahren (normierte Masken), das in der frühen Phase
der 10-Gigabit-Ethernet-Standardisierung entstand.

Übergang zur Mehrmodenfaser

Es ist von großer Bedeutung, dass Mehrmodenfasern während der Herstellung gemessen und
charakterisiert werden, da Faserbandbreitenmessungen bei der Anwendung vor Ort nicht möglich sind.
Der Übergang von der LED-optimierten zur laseroptimierten Glasfaser [1] begann 1981 (Bild 1).
Gleichzeitig wurde das OFL-Mehrmodenfaserbandbreitencharakterisierungsverfahren (OFL = Overfilled
Launch), das zum Testen konventioneller LED-optimierter Glasfasern in den 80er-Jahren entstand,
durch RML2 (Restricted Modal Launch), das erste laseroptimierte Faserbandbreitenmessverfahren [2],
ersetzt. Während der Entwicklung des 10-Gigabit-Ethernet-Standards [3] wurde das umfassendere
Laserbandbreitentestverfahren DMD eingeführt, und 2004 – als Reaktion auf den Übergang zu
Multi-Gigabit-Anwendungen über Mehrmodenfaser – entwickelten die Experten mit minEMBc ein genaueres
und robusteres Bandbreitenmessverfahren [4].

Die OFL-Methode nutzt eine LED-ähnliche Einkopplung mit "Überfüllung" des Kerns einer
LED-optimierten Mehrmodenfaser. Man erhöht die Modulationsfrequenz des Eingangslichtsignals so
lange, bis sich eine Verringerung der Amplitude des Ausgangssignals um 3 dB (50 Prozent)
feststellen lässt (Bild 2). Dieser Frequenzpunkt wird mit der Glasfaserlänge multipliziert, um die
normierte Bandbreite (MHz.km) bei 850 und 1300 nm zu bestimmen. Im Gegensatz zu laseroptimierten
Mehrmodenfasern, die bei 850 nm eine höhere Bandbreite haben, um VCSEL-Lasertechnologie nutzen zu
können, haben LED-optimierte Glasfasern in der Regel bei 1300 nm eine höhere OFL-Bandbreite. Um dem
Übergang zu laseroptimierten Glasfasern Rechnung zu tragen, entstand der Standart RML, der eine
laserähnliche Einkopplung mit definiertem Versatz zur Faserkernmitte (durch ein Mode-Conditioning
Patchcord) verwendet. RML simuliert die kleinere (selektive) Spot-Größe eines Lasers (Bild 2). Auf
diese Weise ist es möglich, die Mehrmodenbandbreite mit Lasern, die typischerweise mit bis zu 1
GBit/s arbeiten, genauer vorherzusagen.

DMD-Bandbreitenmesstechniken

Die Einführung der DMD-Testmethode markierte den Beginn des Übergangs zu einer komplexeren
Bandbreitenbeurteilung mit Zeitbereichsanalyse anstelle der Frequenzbereichsanalyse bei OFL und
RML. Das DMD-Testverfahren mit normierten Masken [5] wurde zu Beginn der Entwicklung des
10-Gigabit-Ethernet-Standards eingeführt, der 2002 erschien. Daher ermöglicht das DMD-Testverfahren
mit normierten Masken nur die Zertifizierung für Glasfasern der OM-3-Klasse [6] bei 10 GBit/s über
die Übertragungsdistanz von 300m, wie im 10-Gigabit-Ethernet-Standard (IEEE 802.3ae) angegeben.
Glasfasern, die diesen Test nicht bestehen, fallen der Klasse OM-2 zu. Das DMD-Verfahren nutzt
einen Monomodelaser, der stufenweise den Glasfaserkern scannt (es kommt kein VCSEL zum Einsatz, da
die Leistung zu gering ist, um die Dämpfung der während der Herstellung getesteten Glasfaserrollen
mit voller Länge zu überwinden).

Auf jeder Stufe koppelt das System einen Laserimpuls in die Glasfaser ein und misst die
Verzögerungszeit der Ausgangsantwort, um ein wie in Bild 3 dargestelltes DMD-Ausgangsprofil zu
erzeugen. Damit lässt sich die modale Verzögerungsstruktur der getesteten Glasfaser vollständig
erfassen. An diesem Punkt analysiert ein Rechner alle Ausgangsantworten und normiert sie auf 25
Prozent der maximalen Impulsamplitude. Dabei werden erfasste Daten, die Details der
Ausgangsantwortinformationen mit Bezug zur Quelle enthalten, praktisch gelöscht (Bild 3, das diesen
Vorgang durch die Quantisierung der Ausgangswellenform illustriert). Die normierte Antwort
durchläuft anschließend eine Analyse bezüglich einer Reihe von bis zu sieben verschiedenen
Maskengruppen, die alle empirisch vom 10GbE-Standard für die 10-GBit/s-Leistung über 300m
abstammen.

Jede Maske beschreibt eine Gruppe von schnellen und langsamen Verzögerungszeitrandbedingungen
entsprechend der Offset-Position der Lasereinkopplung relativ zur Mittelachse der Glasfaser. Wenn
die normierten Verzögerungszeitausgangsantworten vollständig innerhalb der Randbedingungen
mindestens einer der Masken liegen, dann erfüllt die Glasfaser die DMD-Kriterien des
10-Gigabit-Ethernet-Standards für die 300m-Strecke, und man geht von einer effektiven modalen
Bandbreite (Effective Modal Bandwidth, EMB) von mindestens 2000 MHz.km aus.

Das "Ja/Nein"-Testkriterium für DMD-Masken liefert kein Maß des tatsächlichen
Bandbreitenpotenzials der Glasfaser. Die Skalierung der DMD-Masken zum Testen von Mehrmodenfasern
für längere Übertragungslänge (zum Beispiel 550m) kann unzuverlässig sein, da ein großer Teil der
Ausgangsmessinformationen verloren geht und normierte DMD-Antworten die tatsächliche Kapazität der
Glasfaser überschätzen können.

minEMBc stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem DMD-Testverfahren mit normierten
Masken dar und misst im Gegensatz zum DMD-Maskenverfahren die tatsächliche Bandbreite der
Glasfaser. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die Bandbreite des Gesamtsystems eine Funktion
sowohl der Bandbreiteneigenschaften der Glasfaser als auch der speziellen Eigenschaften der
verschiedenen Laserquellen ist. Normkonforme VCSELs decken einen weiten Bereich von
Emissionseigenschaften ab, die für jede Mehrmodenfaser sehr unterschiedliche Bandbreitenergebnisse
liefern können. Das minEMBc-Testverfahren enthält die Lasereigenschaften von zehn verschiedenen
VCSEL-Quellen, deren Auswahl während der Entwicklung des IEEE 802.3ae Standards [7] von der TIA
vorgenommen wurde, und repräsentiert den gesamten Bereich der 10G-standardkonformen VCSELs, um den
möglichen Bereich der Faserlaserbandbreitenleistungen zu bestimmen.

minEMBc nutzt das DMD-Verfahren für die erste Phase des Messprozesses, bei der der Monomodelaser
den Kern der Mehrmodenfaser scannt und eine Aufzeichnung der Laserausgangsimpulse stattfindet.
Anschließend werden die Abstrahlprofile der zehn VCSELs mathematisch auf das
DMD-Verzögerungszeitprofil angewendet, um zehn verschiedene VCSEL-Ausgangsantworten zu generieren.
Dieser Prozess ahmt eine Testreihe nach, in der der gesamte Bereich konformer VCSELs für die
direkte Charakterisierung der Glasfaserleistung verwendet würde. Aus den zehn
VCSEL-Ausgangsantworten leiten sich zehn separate Werte für die effektive modale Bandbreite (EMBc
in MHz.km) für die Glasfaser ab. Die minEMBc-Spezifikation der Glasfaser ist durch den niedrigsten
der zehn Werte festgelegt und garantiert damit die Anwendungsleistung über den gesamten Bereich
standardkonformer Transceiver. Im Gegensatz zum DMD-Test lässt sich minEMBc für alle
10-GBit/s-Übertragungsdistanzen skalieren (innerhalb des Betriebsbereichs standardkonformer
Transceiver), die in realen Netzwerkanwendungen zum Einsatz kommen. Das minEMBc-Verfahren lässt
sich zudem so erweitern, dass verschiedene Datenraten und die Auswirkungen anderer
Lasereigenschaften wie Wellenlänge und spektrale Breite mit einfließen. Dadurch ist eine schnelle
Anpassung an die Weiterentwicklung der Transceiver- und Glasfasertechnik möglich.

Übertragungsdistanz aus Laserbandbreitenmessungen

Die Reichweite von Mehrmodenfasern hängt von vielen Faktoren ab, die mit den Eigenschaften jeder
Glasfaser, der Anzahl der Verbindungsstellen und den Transceiver-Eigenschaften korrelieren. Die
minimale Bandbreite, gemessen mit dem minEMBc-Verfahren, ermöglicht zusammen mit den zusätzlich
notwendigen Glasfaser- und Transceivereigenschaften die Berechnung der Systemstreckenlänge auf der
Grundlage der veröffentlichten IEEE-Modelle [8], die von zentraler Bedeutung für die Entwicklung
sowohl des "Gigabit-" als auch des "10-Gigabit-Ethernet"-Standards waren). Die durch das
minEMBc-Verfahren gelieferten tatsächlichen Werte der Glasfaserbandbreite übertreffen oft die von
den relevanten Glasfaserstandards geforderten Mindestspezifikationen. In einem solchen Fall kann
die überschüssige Bandbreite mit Hilfe des IEEE-Modells in zusätzliche Systemreichweite oder eine
höhere Systemreserve für optimale Systemleistung übersetzt werden. Höhere Systemreserven durch
Glasfasern mit höherer Bandbreite können den Einsatz zusätzlicher Verbinder oder von
Multifasersteckverbinder erlauben, was eine schnellere Installation oder größere
Installationsflexibilität ohne Beeinträchtigung der Systemreichweite ermöglicht (Bild 5). Die
Laserbandbreitenspezifikationen von nicht mit dem minEMBc-Verfahren gemessenen Mehrmodenfasern
können weniger genau sein und somit dem Systementwickler weniger Möglichkeiten zur Maximierung der
Systemleistung geben.

Fazit

Eine maximierte, zuverlässige und kosteneffektive Multi-Gigabit-Systemleistung erfordert den
Einsatz von minEMBc, einem Verfahren zur Laserbandbreitenmessung für die zuverlässige
Charakterisierung von laseroptimierten Mehrmodenfasern. Das minEMBc-Verfahren bietet eine
Glasfaserbandbreitenspezifikation, die das tatsächliche Bandbreitenpotenzial der Glasfaser
beschreibt, und ist für alternative Distanzen skalierbar. minEMBc ist zudem nach Einschätzung des
Autors das einzige Verfahren zur Laserbandbreitencharakterisierung, das die unterschiedlichen
Abstrahleigenschaften der VCSEL-Quellen berücksichtigt.


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