Praxis: Digitalisierung des Tiefbaus

Daten aus der Tiefe

24. August 2022, 7:00 Uhr | Sinka Ismail/jos

Strom, Wasser, Gas, Fernwärme, Glasfaser: Der Untergrund moderner Industrienationen besteht aus einer stark verästelten Struktur an Leitungen und Kabeln mit zahlreichen Überschneidungen und Abzweigungen. Doch während die unterirdische Netzinfrastruktur im Zuge der Energiewende und der politisch forcierten Breitbandförderung immer weiter wächst, verharrt ihre geografische Dokumentation überwiegend auf 50 Jahre alten Standards. Ein Plädoyer für die Digitalisierung.

Energiewende, neue Lieferstrukturen bei Gas und Öl, digitale Megatrends: Deutschland sieht sich derzeit bekanntermaßen enormen Transformationsprozessen ausgesetzt. Sie alle haben gemein, dass sie ohne eine funktionierende Netzinfrastruktur, die zuverlässig für Energie, Wasser und Daten sorgt, nicht auskommen. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie groß der Bedarf etwa an schneller Datenübertragung durch Glasfaserkabel ist.

Doch nicht nur in puncto Internet gilt: Die deutschen Netze werden fortlaufend ausgebaut, modernisiert und ausgetauscht. Dass die bisherigen Prozesse mehr Kosten und Zeitaufwand verursachen, als es Politik und Wirtschaft geplant haben, liegt nicht zuletzt an einer Jahrzehnte alten Vermessungstechnik und einer großen Ungewissheit über Bestand und Position der unzähligen Kabel und Leitungen im deutschen Erdreich. Studien wie zum Beispiel ein Papier vom Institut für Bauforschung offenbaren die gravierenden Folgen des problematischen Status quo.

Ungefähr 800.000 Kabel- und Leitungsschäden jährlich verursachen direkte und indirekte Kosten mit einem volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 60 Milliarden Euro für entgangene Umsätze, Umweltkosten, Verkehrskosten, erhöhte Versicherungsbeiträge etc. Sie wirken wie ein Bremsklotz auf dem Weg der Modernisierung. Selbst Menschenleben fallen den veralteten Standards zum Opfer, wie zum Beispiel ein tödlicher Unfall im Schleswig-Holsteinischen Itzehoe im Jahr 2014 zeigt. Die Ursache der Tragödie ist symptomatisch für den auch heute noch anzutreffenden Stand der Baubranche: Eine bei den Baggerarbeiten aufgerissene Gasleitung, die weder der Stadtverwaltung noch dem zuständigen Netzbetreiber oder den Bauarbeitern der Tiefbaufirma bekannt war.

Die Kartografie des Untergrunds

Aufgrund von Kosten- und Zeitdruck tritt in der Praxis meist der Fall ein, dass das Bauvorhaben schon vollständig abgeschlossen oder die Baugrube bereits mit Sand und Erde verfüllt ist, wenn der ausgebildete Vermessungsexperte mit seinem geodätischen Vermessungsequipment auf der Baustelle eintrifft. Dies bedeutet, dass die Dokumentation erst im Nachgang stattfindet, wenn keine Leitungen mehr sichtbar sind. Dieser Vermessungsvorgang ist dann fehleranfällig und auch sehr ungenau.
Innovationen von DeepTech sollen diese Prozesse um ein Vielfaches beschleunigen und zugleich sicherer machen. Mit ihnen lassen sich dreidimensionale Datensätze generieren, die weitaus präziser sind, als es nach den tradierten Methoden der Vermessungstechnik möglich wäre. Durch den Einsatz von 3D-Handscannern, die sich durch jeden Baustellenmitarbeiter vor Ort sekundenschnell nutzen lassen, werden die Daten unmittelbar am geöffneten Untergrund gesammelt und die verlegten Leitungen und Kabel digital registriert.

Nach einem Datentransfer auf die DeepTech-Plattform erfolgt die Kategorisierung der geografischen Datensätze durch eine hochleistungsfähige künstliche Intelligenz. Die sich daraus entstehende Datenbank stellt die Rohre, Kabel und Verbindungselemente nicht nur in mehreren Dimensionen und Perspektiven dar, sondern gibt zugleich Aufschluss über ihre Versorgungsspartenzugehörigkeit und die verwendeten Bautypen.

Das digitale Abbild der Netzstruktur erlaubt es, den Baufortschritt engmaschig von überall ganz bequem aus der Ferne zu verfolgen. Anschlussarbeiten sind somit präzise durchführbar, was das Risiko von Arbeitsunfällen und Infrastrukturschäden deutlich reduziert. Die Leistungsfähigkeit des Systems fußt auf einigen der prägendsten technischen Fortschritte des letzten Jahrzehnts: Künstliche Intelligenz, Cloud-Computing, 3D-Rekonstruktion sowie Augmented Reality verbinden sich zu einer gemeinsamen Lösung.

Glasfaserausbau

Damit entsteht eine neue Arbeitswelt innerhalb der Baubranche, in der sich Bauprojekte von der Planung, über die Dokumentation bis hin zur Abrechnung ganzheitlich und bedienerfreundlich durchführen lassen. Umfassende Besprechungsrunden zur Bauleitung und die zahlreichen bisher erforderliche Kontrolltermine werden entbehrlich. Die umfassende, satellitengestützte Bilddokumentation liefert Informationen und objektive Nachweise, was Rechtsstreitigkeiten und Abstimmungsprobleme zwischen den handelnden Akteuren vorbeugt.

Die für den regionalen Glasfaserausbau besonders wichtigen Kommunen, die das finanzielle Risiko für Großprojekte bisher oft scheuen, gewinnen an Planbarkeit. Orte, an denen ein Ausbau bisher wegen finanzieller und technischer Risiken scheiterte, rücken wieder in den Fokus. Denn Gemeinden und privatwirtschaftliche Netzbetreiber können mit den neuen Ansätzen auf eine bessere Grundlage für ihre Kooperationen beim kommunalen Breitbandausbau zurückgreifen und so direkt profitieren.

Weltweite Skalierbarkeit

Der Anbieter kann von einem wachsenden Interesse bei vielen Kunden sowie von der Zusammenarbeit mit über 20 Partnern aus der Netzbranche berichten. Die Bauindustrie ist mit einem jährlichen Marktvolumen von über elf Billionen Euro von zentraler Bedeutung für die Weltwirtschaft.

Angesichts des Umstands, dass die vorgestellten Lösungen in Anwendung und Nutzen keine Ländergrenzen kennen, könnten gerade sie der durch Rohstoffengpässe und Fachkräftemängel gebeutelten Baubranche eine neue Wachstumsdynamik bescheren. Denn die leistungsstarken Techniken sind weltweit skalierbar. Profiteure dieser Entwicklung könnten vor allem jene Unternehmen sein, die frühzeitig in die neuen digitalen Lösungen investieren und sie in der Praxis zum Einsatz bringen.
Mit ihnen - daran dürfte als Fazit kaum ein Zweifel bestehen - ist das Informationszeitalter nunmehr auch im Tiefbauwesen angekommen.

Sinka Ismail ist geschäftsführender Gesellschafter von DeepUp.

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