Messtechnik bei Kupferverkabelung

Der Haken an der Messung

6. November 2006, 6:50 Uhr | Dr. Jörg Schröper

Alle wollen schnellere Netze, womöglich soll dies auf Basis bekannter Technik zu realisieren sein. 10 Gigabit Ethernet über Kupfer bietet sich als bewährtes Konzept an, denn die meisten Netzwerker sind mit den Grundzügen bestens vertraut. Allerdings bleibt bei der Hochgeschwindigkeitsverkabelung im Gegensatz zu mancher früheren Installation sowohl bei der Installation als auch bei Messung und Abnahme kein Platz mehr für schlampiges Arbeiten.

Das Messen und die Abnahme der Installation von Verkabelungssystemen gehörten auch schon in der
Vergangenheit bekanntermaßen nicht zu den trivialen Arbeiten. Völlig losgelöst von einer Diskussion
über Technik – und dabei vor allem über die passenden Messgeräte und Verfahren – kann es zu
Meinungsverschiedenheiten zwischen Hersteller, Installateur und Endbetreiber kommen, wenn im
Vorfeld keine hieb- und stichfesten Absprachen getroffen worden sind. Details zu dieser Diskussion
finden sich zum Beispiel im LANline Spezial III "Verkabelung" aus dem Sommer dieses Jahres.

Problematischer Signal-Rausch-Abstand

Vor allem im Umfeld von 10 Gigabit Ethernet über Kupfer lohnt es sich, die wichtigsten
Problembereiche noch einmal zu rekapitulieren: Aufgrund des verwendeten Kodierungsverfahrens PAM-16
(siehe Kasten auf Seite 72) ist der Signal-Rausch-Abstand bei 10GBase-T als kritische Größe
einzustufen. Mit einem qualitativ passenden Verkabelungssystem (also in der Praxis meist Kabel und
Komponenten nach Kategorie 6 oder 7 und Klasse EA oder F) werfen hochwertige geschirmte Lösungen
bei einer Neuinstallation prinzipiell jedenfalls keine zusätzlichen Fragen auf: Die bei den
verwendeten hohen Frequenzen (die Nyquist-Frequenz beträgt 417 MHz) neu auftretende Störung namens
Alien Crosstalk (AXT) bewältigen normgerechte Systeme gewissermaßen per Definition (Tabelle 1) Die
relevante Norm ist IEEE 802.3 an.

Yvan Engels, Leiter des Produktmanagements Datenkabel und Systeme bei Kerpen und selbst in den
relevanten Normierungsgremien vertreten, wertet dies als wichtigen Beweis für den außerordentlichen
Praxisbezug des Regelwerks. Dies sei "geradezu eine Sternstunde" für das Procedere der
Normierungsverfahren, folgerichtig jedoch auch für den Endkunden, dem die Hersteller eine hohe
Planungssicherheit bieten können.

Ein wenig schwieriger gestaltet sich die Diskussion um die 10GbE-Tauglichkeit bestehender
Verkabelungen, womöglich noch mit UTP-Material. Maßgebliche Richtlinie ist der "Technische Report
zur Unterstützung von 10GbE für die bereits installierte Basis", kurz TR 24750.

Alien Crosstalk ist auch im Feld messbar

Der weit verbreiteten Meinung, Alien Crosstalk sei "im Feld" prinzipbedingt nicht messbar, tritt
zum Beispiel Christian Schillab, Product Manager Infrastructure Super Vision bei Fluke Networks,
vehement entgegen. Schillab, Autor mehrerer Fachartikel in der LANline und regelmäßiger Referent
unseres Tech Forums, hat an beispielhaften bestehenden Installationen Referenzmessungen zum Alien
Crosstalk durchgeführt. Im Gegensatz zu anderen Störungen ist AXT keine Eigenschaft eines einzelnen
Kabels, da Störungen im Prinzip von jedem Nachbarkabel kommen können. Daher lässt es sich übrigens
auch nicht durch elektronische Filter oder andere Helfer beheben. Eine genaue Definition von
Störern = "Tätern" und gestörten Adern = "Opfern" findet man zum Beispiel im Artikel "Interview mit
einem Alien" im LANline Spezial III/2006 auf Seite 38.

Aus der Definition wird schnell deutlich, dass eine große Zahl von Feldmessungen nötig wäre,
wollte der Techniker tatsächlich jede mögliche Täter-Opfer-Kombination durchmessen.

Schillab stellte in seinen Untersuchungen klar, dass sich die Zahl der relevanten Messungen
enorm verringern lässt, wenn der Messtechniker die räumliche Verteilung der Strecken
berücksichtigt: Die meisten Kabel liegen so weit auseinander, dass ohnehin keine zusätzliche
Störung nach AXT auftreten kann. Wichtig ist dabei offenbar, nicht nur die Wege in den Kanälen,
sondern auch in den Patch-Panels zu berücksichtigen.

Eine grundsätzliche Frage sollte man bei der Diskussion, ob 10GbE über die angepeilte Strecke
nun möglich ist oder nicht, allerdings stets im Auge behalten: Anders als bei anderen "Fehlern"
lässt sich die Ursache für ein "Fail" nicht so einfach abstellen, da sich der Verlegeweg meist
nicht ohne großen Aufwand ändern lässt. Die Folgerung kann dann nur lauten, die auffälligen
Strecken einfach nicht für 10 GbE zu verwenden.

Forderung nach hoher Qualität

Was für die Installation gilt, nämlich die Forderung nach besonders guter Qualität, gilt sowohl
für das eingesetzte Gerät als auch für den Messvorgang selbst. Der Grund dafür ist so einfach wie
bedeutend: Die Reserven, die bei früheren Installationen zwischen Norm und Applikation bestanden,
existieren bei 10GBase-T nicht mehr, wie Bild 1 eindrucksvoll belegt.

Messgeräte für 10GBase-T bieten mittlerweile diverse Hersteller an. Beispiele sind der DTX Cable
Analyzser von Fluke Networks, der Lantek 7G von Ideal Industries oder der Wirescope Pro von Agilent
Technologies.

Konstantin Hüdepohl, Produktmanager bei Ideal Industries, verwies in diesem Kontext während der
GG45-Konferenz (Bericht in LANline 10/2006) auf die im Lantek-7G-eingebauten Features. Dieses Gerät
misst heute bereits Frequenzen bis zu 1GHz. Zunächst sei die gesamte Prozedur zwar nur als
Channel-Messung definiert, für die Messgenauigkeit ist Level IVe zu fordern. So genannte
Dual-Mode-Messungen ermöglichen das gleichzeitige Zertifizieren nach ISO F und ISO FA.

Viele Fragen sind im Rahmen dieses Beitrags nur kurz angedeutet und erfordern eine weitere
Diskussion und praktische Tests. Mehr Details finden sich unter den im Kasten "Weitere
Informationen" angegebenen Artikeln und White Papers. Bereits heute lässt sich jedoch das Fazit
ziehen, dass die grundsätzlichen Aufgaben in puncto 10 Gigabit Ethernet über Kupfer gelöst sind,
und zwar was Normierung, Messdefinition und -vorgang angeht. Grünes Licht – oder ein O.K.-Häkchen–
gilt jedoch auch die erforderlichen Messgeräte.


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