OM5: Neue Faserklasse für das optische LAN

Die neue Welt der Farben

30. Januar 2017, 8:00 Uhr | Von Carsten Fehr und Tayfun Eren.

Wer die Entwicklungen bei IEEE 802.3 beobachtet, dem fällt auf, dass im Moment tatsächlich kein Engpass an Ideen hinsichtlich der Übertragungsverfahren besteht. Eine Vielzahl von teils überlappenden Lösungen befindet sich in der Entwicklung oder ist bereits Standard. Schon jetzt ist jedoch absehbar: Nicht jede Lösung wird auch kommerziell ein Erfolg. Die neue optische Verkabelungsklasse OM5 könnte dagegen sehr wohl im LAN und RZ punkten. Das Stichwort lautet Wide-Band-Multimode-Faser für SWDM. Anwender praktizieren in diesem Umfeld scheinbar eine "Wait and See"-Strategie, denn anders ist es kaum erklärbar, warum optische Backbones mehrheitlich immer noch auf 10G-Niveau arbeiten, immerhin eine Technik des Jahres 2002. Eine Neuentwicklung kann für Belebung sorgen: das Wellenlängen-Multiplexing über Multimode-Glasfasern.

Investitionsstau

Das oft in seinem Übertragungspotenzial als begrenzt angesehene Kupfer-Datenkabel erfreut sich aktuell größter Beliebtheit. Nicht nur, dass es in LAN-Installationen als IT-Infrastruktur flächendeckend das gesamte Gebäude erschließt, es füttert gleichzeitig die WLAN-APs, bindet zudem die verteilte Gebäudetechnik ins Netz ein und dient zu guter Letzt auch noch zur Stromversorgung über PoE. Solche LANs sind heute richtigerweise auf 10 GBit/s (Klasse EA) ausgelegt, seit 2006 mit 10GBase-T genormte Technik.

Die optischen Gebäude- und Standortnetze, die diese horizontalen Strukturen versorgen müssen, laufen jedoch bis heute mehrheitlich ebenfalls nur auf 10 GBit/s, was seit 2002 gleichfalls mit 10GBase-SR genormte Technik darstellt. Dies passt nicht zur Logik des Ethernet LANs, denn für einen sicheren Betrieb sollten die Backbones eine "Stufe" schneller ausgelegt sein als ihre Zugangsnetze. Nach heutigem Stand der Technik wäre das 40GBase-SR4, genormt seit 2010.

Transceiver für dieses Verfahren finden heute durchaus Verwendung, und zwar im Rechenzentrum in EoR-Installationen (End of Row) oder zur Backbone-Konsolidierung, wenn vier 10G-Transceiver durch einen 40G-Transceiver ersetzt werden, ohne jedoch die Liniengeschwindigkeit pro Faserpaar zu steigern. Dies ist zwar wirtschaftlich sinnvoll, bedeutet jedoch technisch eher ein Auf-der-Stelle-Treten.

image1_1
Bild 1. Das Funktionsprinzip der Übertragung mittels SWDM.

Zu den Hürden gehört womöglich die Einführung der auf acht Multimode-Fasern basierenden Paralleloptik mit vier parallel geführten 10-GBit/s-Kanälen. Anhänger der klassischen Zwei-Faser-Topologie führen die höhere Komplexität und mangelnde Erfahrung zum Langzeitverhalten der dafür erforderlichen MPO-Verbindungstechnik an. Auch das begrenzte Link-Budget macht eine Entscheidung nicht leichter. Dabei ist die Zeit reif für den flächendeckenden 40G-Einsatz, nicht nur wegen der genannten Netzhierarchie, sondern auch, weil 40G-Transceiver heute auf einem "gesunden" Preisniveau angekommen sind, das die Voraussetzung für diese Investitionen schafft.

Auch Optimisten kommen nicht umhin, die Grenzen der technischen Möglichkeiten zu akzeptieren. Über ein Faserpaar seriell - also mit einer Quelle und einem Empfänger - 100 GBit/s und mehr zu betreiben, ist heute nicht möglich. In der Praxis gibt es daher stets Multi-Lane-Verfahren, bei denen mehrere Kanäle kaskadiert arbeiten. Neben der Variante, komplette Übertragungswege (Laser - Kabel - Stecker - Empfänger) zu multiplizieren, besteht eine Lösung im Parallelführen der optischen Kanäle in einen Faser pro Richtung. Dieses sogenannte WDM-Verfahren (Wavelength Divison Multiplexing) kommt seit über 20 Jahren in der Weitverkehrstechnik optimiert für die dortigen Anforderungen bei 1.550 nm zum Einsatz. Eine aktuelle Entwicklung bildet die WDM-Technik mit wenigen kurzen Wellenlängen von 850 nm bis 950 nm, auch Shortwave-CWDM oder SWDM genannt.

Wide-Band-Multimode-Fasern für SWDM

Heute sind Multimode-Fasern (MMF) der Klassen OM3 und OM4 die bevorzugten Medien für Ethernet- und Fibre-Channel-Anwendungen, die bei 850 nm mit NRZ-Modulation arbeiten. Wenn die Datenrate steigen soll, ist die effektive Bandbreite durch die modale Dispersion der MMF sowie die niedrige VCSEL-Bandbreite begrenzt. Um diese Beschränkung zu überwinden, setzt man auf parallele LWL-Strecken, die mit 10 und 25 GBit/s-Liniengeschwindigkeit arbeiten, und so die Kapazität multiplizieren.

Dieser Ansatz erfordert allerdings eine Infrastruktur basierend auf Multifaser-Verbindungstechnik (MPO). Zur Fortführung der bewährten Zwei-Faser-Strukturen wäre eine Lösung mit 100 GBit/s und darüber hinaus unter Verwendung einer einzigen MMF vorzuziehen. In diesem Zusammenhang lassen sich WDM-Techniken anwenden. Im Vergleich liefert eine OM4-MMF zwar eine hohe modale Bandbreite, dies jedoch nur über einen engen Wellenlängenbereich, der bei 850 nm zentriert ist, was ihre WDM-Fähigkeiten begrenzt. Der kostengünstige Betrieb von mindestens vier WDM-Kanälen mit je 25 GBit/s erfordert leistungsstarke Breitband-MMFs mit hoher Bandbreite über einen erweiterten Wellenlängenbereich von 100 nm. Für die Rückwärtskompatibilität bleibt die 850-nm-Wellenlänge beibehalten, was zu dem Betriebsfenster von 850 bis 950 nm führt (Bild 1). Die Leistung von MMFs in einem System hängt mit der effektiven Bandbreite zusammen, die eine Funktion der effektiven modalen Bandbreite (EMB) und der chromatischen Dispersion ist.

Um eine konstante effektive Bandbreite von 2.000 MHz×km zu garantieren, muss die EMB bei 850 nm 4.700 MHz×km betragen und darf bis 950 nm 2.700 MHz×km nicht unterschreiten. Wide-Band-MMFs, die diese Spezifikationen erfüllen, entstehen durch Optimieren des Kernprofils und Abstimmen des Alpha-Parameters im GI-Kernglas, um den Peak-EMB auf 880 nm zu verschieben.

Prototypen solcher Wide-Band-MMFs wurden bei verschiedenen Wellenlängen von 850 bis 950nm unter Verwendung eines abstimmbaren Titan-Saphir-Lasers gemessen. Die resultierende typische EMB ist in Bild 2 dargestellt, ebenso diejenigen von OM4-MMF zum Vergleich. Die Kurven zeigen eine Peak-EMB bei 875 nm, auf die Wide-Band-MMFs optimiert sind, während Standard-MMF des Typs OM4 eine bei 850-nm zentrierte, enge EMB-Verteilung aufweisen. Dadurch erfüllen Wide-Band-MMFs die genannte EMB-Spezifikation, während Standard-OM4-MMF bei etwa 900 nm ausfallen.

image2_1
Bild 2. Die effektive modale Bandbreite legt über einen relativ großen Wellenlängenbereich deutlich zu.

Um die WDM-Fähigkeit von Wide-Band-MMFs für bestehende und zukünftige Systemanwendungen zu demonstrieren, führten Experten BER-Tests bei 28 GBit/s und bei 850 und 980 nm durch. Die BER-Auswertung zeigt die erforderliche Leistungsreserve nach 100 m Übertragung an. Außerdem wurde die BER mit einem handelsüblichen 40-GBit/s-Duplex-Transceiver ermittelt, der zwei WDM-Kanäle mit je 20 GBit/s bei 850 und 900 nm nutzt. Bis zu 300 m fehlerfreie Übertragung (BER <10-12) über Wide-Band-MMF ist auf diese Weise möglich, was der doppelten Reichweite dieses Transceivers entspricht. Vier WDM-Kanäle mit 25,8 GBit/s von 850 bis 950 nm mit einem Abstand von 30 nm und einer Kapazität von 100G erreichten bei fehlerfreier Übertragung eine Distanz von 200 m.

Die Kapazität lässt sich weiter erhöhen, indem erweiterte Modulationsformate wie PAM-4 zum Einsatz kommen. Im Labor wurde erfolgreich eine 180-GBit/s-Übertragung über eine Wide-Band-MMF mit vier 45-GBit/s-PAM-4-WDM-Signalen realisiert, deren BER eine Reichweite von über 300 m belegt, dem maximal 150 m mit OM4-MMF gegenüber stehen. Diese Ergebnisse belegen die Leistungsdaten von Wide-Band-MMFs, um 40, 100 oder 200 GBit/s ohne die Notwendigkeit von parallelen LWL-Infrastrukturen zu realisieren.

Fazit

Es gibt bereits Anwender, deren Planungshorizont bis 40GbE und darüber hinaus reicht. Es handelt sich bei den weitaus meisten Anwendungen um Backbone-Installationen von Switch zu Switch. Dort war in vielen Fällen bereits OM3 mit zwei Fasern pro Strecke vorhanden, und ein System-Upgrade erfolgt oft Schritt für Schritt. Dabei macht sich positiv bemerkbar, dass eine Wide-Band-MMF (OM5) der beschriebenen Leistung voll rückwärtskompatibel zu allen bisherigen MMFs von OM2 über OM3 bis hin zu OM4 ist und auch an die LC-Stecker keine anderen als die herkömmlichen Anforderungen stellt. Damit ermöglicht die Wide-Band-MMF eine effiziente Migration von bestehenden 10G-Netzen.

Carsten Fehr ist tätig bei Draka/Prysmian Group () und Tayfun Eren ist tätig bei Draka/Prysmian Group ().

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Bark, Föhr & Partner GmbH Personalberatung

Weitere Artikel zu Brainloop AG

Weitere Artikel zu A.T. Kearney GmbH

Weitere Artikel zu aetka Communications Center AG

Matchmaker+