ISO/IEC 14763-3:2006

Feldmessung von Glasfasern

17. August 2006, 22:00 Uhr | Christian Schillab/jos

Ganz klar kann man derzeit von einem Trend hin zu höheren Netzwerkgeschwindigkeiten sprechen. Auch innerhalb der IEEE finden Gespräche zum Thema 40 und 100 GBit/s über Multimode Fiber basierend auf Parallel Optics statt. Dies hat auch für die entsprechende Messtechnik Konsequenzen, und zwar sowohl für das Konzept wie auch für die praktische Ausführung.

Ob sich ein Trend wie bei 1000Base und 10GBase fortsetzt, bei dem höhere Übertragungsraten mit
reduzierten maximalen Channel-Längen und Dämpfungsbudgets Hand in Hand geht, ist abzuwarten. Die
reduzierten Dämpfungsbudgets stellten eine Herausforderung sowohl an die Messtechnik, als auch an
den Anwender der Messtechnik dar.

Wollte der Dienstleister den normativen Hintergrund zu einer konformen Abnahmessung verstehen,
musste er bisher auf mehrere Dokumente zurückgreifen. In der ISO-11801 sind die Anforderungen an
den Channel beschrieben. Bezüglich der Feldmessung ist darin auf die TR-14763-3 (technische
Richtlinie und nicht normativ), dort wiederum auf einzelne Kapitel in der IEC 61280-4-1 (für
Multimode) und IEC 61280-4-2 (für Singlemode) zu verweisen. Die Beschreibung von drei verschiedenen
Methoden zur Referenzierung sorgte für weitere Unklarheit. In vielen Fällen wurde die falsche
Variante gewählt – mit dem Resultat falscher Messergebnisse. Dies wirft die berechtigte Frage auf,
was das Ergebnis maßgeblich beeinflusst.

Die Genauigkeit des Messergebnisses hängt in großem Maß von der Güte der Messleitung und der
Kupplung ab.

Einfluss von Referenziermethode und Messkabel

Ersetzt man zum Beispiel die ursprüngliche Messleitung nach deren Verschleiß durch qualitativ
minderwertige Rangierkabel, kommt es bei einer Strecke von 100 Metern und einer Wellenlänge von 850
nm zur folgenden Situation:

Dämpfungsbudget = 0,75dB/Kupplung + 3dB/km =

0,75 * 2 + 100 * 3,5 / 1000 = 1,85 dB

Dabei gelten folgende Annahmen: (Low-Cost-)Messkabel, 0,6 dB/Kupplung und Referenzierung nach
Methode 3 ("3 cord reference") anstatt mit der richtigen Methode 2 ("1 cord reference").

Der Messfehler beträgt im schlechtesten Fall 2 * 0,6dB = 1,2dB – ein vernachlässigbarer Fehler
bei 100Base-FX und einem Dämpfungsbudget für den Channel von 11dB, jedoch ein unter Umständen
fataler Fehler von nahezu 50 Prozent bei 10GBase und einem Dämpfungsbudget von nur 2,6 dB. Dieses
konstruierte Beispiel ist zwar überzeichnet, die Problematik stellt es jedoch anschaulich dar.

Kein Einfluss der Lichtquelle im Singlemode

Während der Einfluss der Lichtquelle bei Singlemode keine Rolle spielt, hat dagegen die
Verteilung der Modi bei Multimode einen eklatanten Einfluss auf die gemessenen Dämpfungswerte.
Höhere Modi werden weitaus schneller und besonders an den Steckerübergängen gedämpft, wobei der
Steckerversatz hier von großer Bedeutung ist. Will man bei der Feldmessung vergleichbare Ergebnisse
erzielen, darf der Anteil dieser höheren Modi nicht dem Zufall oder dem Messgerätehersteller
überlassen bleiben. Im Extremfall führte dies dazu, dass Messgeräte mit VCSEL als Lichtquelle
ausgestattet werden, bei denen im Gegensatz zu einer LED mit "Overfilled Launch Condition" nur der
Kernbereich mit Licht gefüllt wird. Das Resultat sind sehr optimistische Dämpfungswerte, jedoch
keine normkonformen Ergebnisse, da die Norm ganz klar eine Lichtquelle mit einem CPR (Coupling
Power Ratio) der Kategorie 1 verlangt. CPR ist eine Verhältniszahl in dB, die die Leistung der
kernnahen Modi versus allen Modi beschreibt. Dabei ist jedoch eine gewisse Vorsicht geboten, denn
leider ist die Festlegung dieser Verhältniszahl in diversen nationalen und internationalen Normen
nur ähnlich und nicht identisch.

Vergleich von OTDR- und LSPM-Messungen

Vielfach ist es durchaus sinnvoll, die verschiedenen regionalen Vorlieben und Gegebenheiten im
Auge zu behalten: Speziell im deutsch- und französischsprachigen Raum ist die Verwendung eines OTDR
(Optical Time Domain Reflectometer) als Alternative zu einem LSPM (Light Source and Power Meter)
weit verbreitet. Auch hier ist die Situation für Single- und Multimode gänzlich unterschiedlich.
Während für Singlemode die beiden Methoden nahezu identische Ergebnisse für die Gesamtdämpfung
liefern, ist bei Multimode die Übereinstimmung fast schon die Ausnahme. Eine Vielzahl von Experten
hat erfolglos versucht, eine verlässliche Korrelation zwischen den beiden Messmethoden
herzustellen. Manche Abhandlungen zu dem Thema wurden vor mehr als 30 Jahren verfasst.

Die Problematik hat auch hier mit dem Anteil der höheren Modi zu tun, denn jedes Multimode-OTDR
arbeitet bekanntlich mit einem Laser als Impulsquelle.

Ein OTDR ist das einzige Messmittel, das es erlaubt, einen Flaschenhals in einer Ins-tallation
zu identifizieren und zu lokalisieren. Allerdings ist die ausgewiesene Gesamtdämpfung um einen
Faktor von bis zu zwei zu gering. Auch gängige Methoden wie die Verwendung von langen Vorlauffasern
zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Modi führen bei kurzen Strecken nicht zum
erwünschten Erfolg.

Im Mai 2006 wurde der neue Standard der IEEE verabschiedet, und zwar unter der Bezeichnung
ISO/IEC 14763-3:2006, "Information technology – Implementation and operation of customer premises
cabling, Part 3: Testing of optical fibre cabling".

Neuer Standard mit größerem Umfang

Anders als sein Vorgänger ist dies eine Norm und nicht nur eine Richtlinie. Zudem ist der
Seitenumfang von 16 auf 62 angewachsen. Wie weit die aufgezeigten Probleme in der neuen Richtlinie
adressiert sind, ist Inhalt der folgenden Diskussion in diesem Artikel. Soviel vorweg: Einige der
Vorbehalte, die manche Fachleute gegenüber den bisherigen Richtlinien vorgebracht haben, lassen
sich nun relativ schnell und logisch entkräften.

Refenzierung per ISO/IEC 14763-3:2006

Der neue Standard definiert zwei alternative Methoden für die Referenzierung: Primär: "3 cord
reference" und Sekundär: "1 cord reference". Für eine detaillierte Betrachtung ist es sinnvoll,
diese genau unter die Lupe zu nehmen und die Unterschiede herauszuarbeiten. "3 cord reference": Der
aufmerksame Leser fragt sich sofort, warum die beiden Methoden alternativ angewendet werden dürfen,
ist doch im vorangehenden Beispiel ein möglicher Messfehler von 1,2dB als nicht akzeptabel
dargestellt. ISO/IEC 14763-3:2006 definiert auch die Güte der Messkabel. Diese müssen die
Anforderungen für Referenzkabel erfüllen und dürfen die Einfügedämpfung von 0,1dB bei der
Steckerverbindung zweier Messkabel nicht überschreiten um einen resultierenden statistischen
Messfehler von mehr als 0,15dB zu vermeiden. Dem Anwender ist zu raten, die Messkabel sehr
sorgfältig zu behandeln, um einen häufigen und kostspieligen Ersatz zu vermeiden.

"1 cord reference": Diese Methode erlaubt die genaueste Messung und ist auch die bevorzugte
Methode im Labor. Sie setzt jedoch voraus, dass das Power-Meter mit einem Wechseladapter
ausgestattet ist und sich so bei Bedarf an das Steckgesicht des zu messenden Links anpassen lässt.
Ein großer Vorteil der Referenzierung mit nur einem Messkabel im Vergleich mit der "3 cord
reference"- Methode ist die Tatsache, dass die Güte und der Zustand der Messkabel einen stark
reduzierten Einfluss auf die Genauigkeit der Messung haben.

Lichtquelle nach ISO/IEC 14763-3:2006

Dieser Standard entkräftet einige Vorbehalte der Experten über die Aussagekraft des CPRs, denn
zusätzlich zum CPR ist auch eine Grenzwertemaske für die MPD (Modal Power Distribution/Modale
Leistungsverteilung) definiert. Um eine universelle Lichtquelle für 62,5 und 50 µm zu ermöglichen,
ist allerdings auch weiter die Verwendung von Wickeldornen (Mandrel Wrap) mit dem jeweils richtigen
Durchmesser von Bedeutung.

Dämpfungsbudget in der Kritik

Wenn man davon ausgeht, dass die Einfügedämpfung eines hochwertigen Messkabels in Verbindung mit einem beliebigen, jedoch standardkonformen Stecker nie die bis dato veranschlagten 0,75dB erreicht, sind die neuen Grenzwerte voll und ganz zu begrüßen. Viele Netzwerkplaner haben dem auch schon in der Vergangenheit mit projektspezifischen, strengeren Grenzwerten Rechnung getragen.

Dies muss nicht graue Theorie bleiben, sondern lässt sich ebenfalls wieder mit konkreten Werten durchspielen. Wiederholt man nämlich das Rechenbeispiel von Seite 32 für einen 100-Meter-Link ergibt sich im Vergleich zu 1,85dB ein um nahezu 50 Prozent reduziertes

Dämpfungsbudget = 0,3 dB/Kupplung + 3dB/km =

0,3 * 2 + 100 * 3,5 / 1000 = 0,95 dB.

Diese Reduzierung durch die neue Norm sollte bei einer Ausschreibung unbedingt Beachtung finden - eine nicht ganz unerhebliche Konsequenz.

Basic und Extended Test-Regime

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Problematik kombiniert der Standard die Vorteile beider
Welten und definiert ausschließlich ein LSPM zur PASS/FAIL-Bestimmung eines Links.

Dies ist jedoch noch nicht alles: Zudem ist der neue Standard um eine qualitative Aussage einer
OTDR-Messung in einem erweiterten (extended) Test-Regime ergänzt. Damit lassen sich die Qualität
einer Installation durch das Identifizieren und Beseitigen von Flaschenhälsen verbessern und die
gesamte Systemreserve optimieren, wie auch in Tabelle 2 auf Seite 34 dargestellt. Auch dieser
Aspekt hat eine durchaus wichtige Praxisrelevanz.

Signifikante Auswirkungen auf den Messvorgang

Als Fazit lässt sich festhalten, dass alle Argumente sowohl den Planer wie auch den mit der
Messung und Abnahme betrauten Techniker betreffen: Der vorgestellte neue Standard umfasst viele
Änderungen, die eine signifikante Auswirkung auf Grenzwerte und Messergebnisse haben. Dem sollte
jeder Planer Rechnung tragen und klar definieren, nach welchem Test-Regime gemessen werden
muss.

Info: Fluke Networks Tel.: 069/222220223 Web: www.fluke.de


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