VDE führt unabhängige Kabelüberprüfungen durch

Hochfrequenzmessung für 40GBase-T

6. August 2015, 6:00 Uhr | Dipl.-Ing. Jörg Bör ist beim VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut für Kabel und Leitungen zuständig./jos

Mit wachsender Bedeutung von IT-Netzwerken im täglichen Leben wird auch die Netzwerksicherheit und -zuverlässigkeit zunehmend wichtiger. Voraussetzung für ein zuverlässiges Netzwerk ist die einwandfreie Qualität aller Komponenten. Diese will das VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut mit der unabhängigen Bewertung von Datenkabeln und zugehörigen Steckverbindungen sowie anderen passiven Netzwerkkomponenten sicherstellen.

Infrastrukturexperten sollten sich der großen Bedeutung umfassender, unabhängiger und neutraler Prüfungen von Netzwerkkomponenten bewusst sein und dabei auch den hohen technischen Anspruch an die Durchführung solcher Messungen beachten. Aktuell ist ein Blick auf den Stand der Normung hinsichtlich des neuen Standards IEEE 802.3bq (Übertragung von 40 Gigabit Ethernet über vierpaarige symmetrische Kupferkabel - 40GBase-T) nützlich. Außerdem gilt es, die sich daraus ergebenden übertragungstechnischen Anforderungen an Kabel, Komponenten und Übertragungsstrecken zu betrachten.
 
Symmetrische Hochfrequenz-Messtechnik
Neben der IT-Sicherheit ist die Zuverlässigkeit von Kommunikationssystemen eine der tragenden Säulen der digitalen Gesellschaft. "Die weitreichende Revolution durch digitale Transformation erfasst nahezu sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche in unserer Wirtschaft und Gesellschaft", schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel zur CeBIT 2015. Dabei ist die zuverlässige Funktion des Netzes offenbar als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.
Die tägliche Erfahrung lehrt jedoch, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. Heute werden nicht nur Einkäufe und Bankgeschäfte via Internet abgewickelt, sondern auch die Telefonie. Selbst Notrufe, Gebäudeleitsysteme und Schutzeinrichtungen in Fertigungsanlagen nutzen Datennetze, womit der Netzwerkzuverlässigkeit sogar eine lebenswichtige Bedeutung zukommt. Datennetze müssen somit auch unter extremen äußeren Einflüssen wie externen elektromagnetischen Feldern sowie mechanischen und thermischen Belastungen zuverlässig funktionieren.
Die Anforderungen an Datennetze steigen permanent. Gerade die Weiterentwicklung des Ethernet-Standards zu immer höheren Übertragungsraten führt zu noch anspruchsvolleren Spezifikationen. Im Frühjahr 2016 soll mit Verabschiedung des neuen Standards IEEE 802.3bq die Übertragung von 40 Gigabit Ethernet über vierpaarige symmetrische Kupferkabel (40GBase-T) definiert sein. Auf Basis der IEEE-Anforderungen werden dann die entsprechenden Produktnormen für Kabel und Komponenten in Kraft gesetzt.
Dann wird der in den Entwürfen IEC 61156-9 und IEC 61156-10 für Kategorie-8-Kabel als "for further study" deklarierte Frequenzbereich bis 2 GHz möglicherweise den aktuell favorisierten bis 1,6 GHz ersetzen. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Messtechnik für Kabel, Komponenten und Übertragungsstrecken gehen weit über das bisher bekannte Maß hinaus.
Die Experten in den internationalen Normungsgremien diskutieren nicht nur über die erforderliche Erweiterung des Frequenzbereichs für die neue Übertragungsklasse. Auch andere Prüfungen und Eigenschaften sind anzupassen: So behandelt etwa der Technical Report IEC 62153-4-16 eine Frequenzbereichserweiterung für die Messung des Kopplungswiderstandes und der Schirmdämpfung, da die standardisierte Messanordnung die messbaren Frequenzbereiche begrenzt.
Um zuverlässig funktionierende Datennetze aufzubauen, gilt es, alle Einzelkomponenten sorgfältig auszuwählen, zu prüfen und einzubauen. Mängel lassen sich jedoch oft erst nach der Installation im Testbetrieb feststellen. Auch dann ist nicht immer eindeutig festzustellen, welche Komponente den Ausfall verursacht hat und ob diese nicht durch die Montage beschädigt wurde. Solche Diskussionen sind für Anwender, Installateure und Hersteller gleichermaßen unerfreulich.
Die regelmäßige Qualitätsüberwachung durch ein neutrales und unabhängiges Prüflabor gibt dem Hersteller und seinen Kunden die Sicherheit, dass die Fertigung eine gleichbleibend hohe Qualität aufweist und Abweichungen oder mögliche Negativentwicklungen frühzeitig erkannt werden. Bei HF-Prüfungen an symmetrischen Datenkabeln ist ein hohes Maß an Erfahrung notwendig. Auch wenn die Frequenzen im Vergleich zur Radiotechnik noch moderat sind, treten verschiedene Effekte auf, die bei klassischen Nachrichten- und Signalkabeln nicht bekannt sind. Diese sind bei der Interpretation der Messwerte zu beachten, um Fehlmessungen auszuschließen.
Infolge des Skin-Effekts wächst die Dämpfung eines Kabels mit der Wurzel aus der Frequenz an. Bei eindrähtigen Massivleitern lässt sich dieser Effekt messtechnisch sehr genau nachvollziehen. Werden jedoch vieldrähtige Litzenleiter eingesetzt, steigt die Dämpfung gerade im höheren Frequenzbereich deutlich stärker an, da die Einzeldrähte aufgrund ihrer Lage im Leiter nicht gleichmäßig zum Stromtransport beitragen. Die Übergangswiderstände von einem Draht zum anderen sind nicht unendlich klein.
Der Wellenwiderstand lässt sich als komplexe Funktion aus den primären Leitungsbelägen berechnen. Bei hohen Frequenzen nähert sich der Wert jedoch einem Grenzwert an, da die Imaginärteile sowohl im Zähler als auch im Nenner der Wurzelfunktion so stark anwachsen, dass die Realteile vernachlässigbar sind. Oberhalb eines von der Dimensionierung des Kabels abhängigen Frequenzbereiches hat der Wellenwiderstand einen gewissermaßen konstanten Wert.
Jede Frequenz, die in einem Medium übertragen wird, entspricht genau einer Wellenlänge. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit in dem jeweiligen Medium bestimmt dabei die Relation von Wellenlänge zu Frequenz. Frequenz, Laufzeit und Wellenlänge stehen also in einem festen Zusammenhang zueinander. Deshalb lassen sich Hochfrequenzsignale sowohl im Zeitbereich (als Amplitude über der Zeitachse) als auch im Spektralbereich (Amplitude über der Frequenzachse) betrachten. Durch mathematische Transformationen (zum Beispiel nach Fourier) sind beide Darstellungen ineinander überführbar.
Diese grundlegenden physikalischen Zusammenhänge wirken sich bei Hochfrequenzkabeln auch praktisch aus. In regelmäßigen Abständen über die Kabellänge verteilte Störstellen lassen sich in den HF-Messkurven bei der entsprechenden Frequenz als Fehler erkennen. Solche frequenzselektiven Störungen können zum Beispiel dann entstehen, wenn ein aufgewickeltes Kabel punktuell belastet ist. Sind mehrere Windungen mit konstanter Windungslänge dieser Belastung ausgesetzt, so wirkt diese Belastung in äquidistanten Abständen auf das Kabel und kann die beschriebenen frequenzselektiven Störungen auslösen.
Daher kann der Prüfer seine Messlänge nicht einfach gewickelt an einen Haken hängen, wo das Eigengewicht des Kabels einen Knick verursacht. Die zu prüfenden Leitungen müssen sorgfältig abgelegt sein.
Frequenzselektive Störungen führen bei einigen Parametern abhängig von der Phasenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen. So kann es passieren, dass eine Messkurve der Eingangsimpedanz im gesamten Frequenzbereich die Toleranzgrenzen einhält. Schneidet der Tester jedoch an den Anschlussenden des Kabels nur wenige Zentimeter ab, so ergibt sich eine Phasenverschiebung dieser Störung und die Messung zeigt dramatische Grenzwertverletzungen.
Bei der Messung symmetrischer Kabel bei Frequenzen im höheren Megahertz-Bereich kommt auch der Anschlusstechnik eine enorme Bedeutung zu. Parallel zum Anschlusspunkt geführte Adern bilden eine Leiterschleife, deren Induktivität die Messwerte erheblich verfälscht. Schon wenige Zentimeter Parallelführung machen bei nur 100 MHz eine induktive Impedanz im zweistelligen Ohm-Bereich aus. Dies verfälscht nicht nur die Ergebnisse der Impedanzmessung, sondern auch andere Messgrößen, da die entstehende Fehlanpassung bei der Übertragung der Messsignale Reflexionen und Verluste hervorruft. Daher sind symmetrische Datenkabel mit höchster Sorgfalt an speziell dafür ausgelegte Messköpfe anzuschließen, sodass die Verdrillung der Paare und die Abschirmung möglichst nahe bis zum Messpunkt weiterläuft.
Diese und viele andere Besonderheiten der Hochfrequenztechnik berücksichtigen die Prüfingenieure im VDE-Prüfinstitut, wenn sie die Messkurven der Hochfrequenz-Übertragungseigenschaften symmetrischer Datenkabel auswerten. In unzähligen Messungen gewonnene Erfahrung führt zu einer zuverlässigen Beurteilung von Kabeln, Steckverbindern und Komponenten. Vom Wissen des Prüfdienstleisters profitieren nicht nur die Komponentenhersteller, die zumeist Auftraggeber der Prüfungen sind, sondern auch deren Kunden und letztlich der Endverbraucher.
 
Hochfrequenzprüfungen beim VDE
Für Hochfrequenzmessungen an symmetrischen Datenkabeln setzt der VDE hochmoderne Messautomaten ein. Kernstück dieser Messplätze ist ein vektorieller 4-Port-Netzwerkanalysator. Der Anschluss der zu prüfenden Kabel erfolgt Balun-los über spezielle Messköpfe. Balun (von balanced-unbalanced) nennen die Experten die herkömmlichen Symmetrieübertrager, die bei dieser Methode nicht benötigt werden. Die Steuer- und Auswertungssoftware kann den Prüfablauf vollautomatisch durchführen, lässt dem Prüfer aber auch die Möglichkeit, bei Auffälligkeiten einzugreifen, einzelne Messungen zu wiederholen oder die Kontaktierung nachzubessern.
Ein wesentlicher Vorteil der Balun-losen Messtechnik ist vor allem der Wegfall der Bandbreitenbegrenzung durch die Symmetrieübertrager. Früher war es nötig, für jeden Bereich des Frequenzbandes geeignete Übertrager einzusetzen. Dies bedeutete, dass der Messablauf gemäß den Frequenzbereichen in mehrere Abschnitte zu unterteilen war. Bei der heutigen Messtechnik ist der Frequenzbereich des Netzwerkanalysators die einzige Bandbreitenbegrenzung.
Bei symmetrischen HF-Messungen mit der herkömmlichen Methode mussten die Tester für jedes Balun-Paar eigene Referenzdaten aufzeichnen und zuweisen. Dies bedeutete nicht nur höheren Aufwand, sondern barg auch zusätzliche Fehlerrisiken, etwa durch falsche Zuordnung der Referenzdaten oder fehlerhafte Beschaltung des Prüfaufbaus.
Darüber hinaus reduzierten die Baluns die Dynamik des Messaufbaus, da sie selbst eine messbare Dämpfung aufweisen. Einen weiteren Vorteil bietet die Balun-lose Messtechnik auch bezüglich der zu prüfenden Kabellängen. Die Messung ist erheblich unempfindlicher gegenüber Reflexionseffekten, daher lassen sich auch kürzere Prüflinge zuverlässig bewerten.
Zudem vermeidet die Balun-lose Methode Messfehler durch Fehlanpassung, da sowohl symmetrische als auch unsymmetrische Signalanteile gezielt auszuwerten sind. Bei der Balun-losen Messung erfasst der Netzwerkanalysator S-Parameter im sogenannten Mixed-Mode und wertet sie dann aus. Mixed-Mode bedeutet, dass sowohl Gegentaktwelle (Balanced Mode) als auch Gleichtaktwelle (Common Mode) aufgenommen werden. Aus den Mixed-Mode-S-Parametern können die Tester alle primären und sekundären Leitungskenngrößen bei beliebigen Frequenzen ermitteln.
Darüber hinaus wird so auch die Modenkonversion als Maß für die Unsymmetrie des Kabels berechnet. Die Unsymmetriedämpfung (Conversion Loss) ist ein wesentlicher Parameter zur EMV-Bewertung symmetrischer Kabel, vor allem bei ungeschirmten Ausführungen.
Erfahrung, technische Kompetenz, zeitgemäßes Prüfequipment und ein hohes Qualitätsbewusstsein sind wichtige Voraussetzungen für die fundierte Beurteilung der Übertragungseigenschaften. Dies sind Randbedingungen, die im industriellen Umfeld eine große Herausforderung darstellen können. Beispielsweise geben Abnahmemessungen, die häufig mit handelsüblichen Handheld-Testern durchgeführt werden, zwar einen Anhaltspunkt, ob die Komponenten und auch die Installation den Anforderungen entsprechen. Zur Analyse möglicher Fehlerursachen sind diese Geräte jedoch oft nicht geeignet. Nicht selten ist selbst ein Kontaktierungsproblem nicht als solches erkennbar.
EMV-relevante Eigenschaften wie Symmetrie und Schirmung ermitteln die Handgeräten oft gar nicht. Dabei sind gerade diese Parameter sehr sensibel, da sich die guten Eigenschaften der Einzelkomponenten beim Verbinden völlig verändern können. Die beste elektromagnetische Abschirmung wird bei unzureichender Kontaktierung quasi wirkungslos. Die Symmetrie eines guten Kabels lässt sich durch ungünstige Kombination mit einem für sich alleine ebenso guten Steckverbinder nachgewiesenermaßen zerstören. Nicht zuletzt deshalb definiert die IEC im Entwurf IEC62153-1-1 zusätzliche Anforderungen für Messungen der Unsymmetriedämpfung TCL mit Feld-Testgeräten bis 1.000 MHz.
In den Prüflabors des VDE können die Tester über die präzise Ermittlung aller Hochfrequenz-Übertragungseigenschaften und der EMV-Parameter hinaus auch Belastungsprüfungen durchführen, wie die entsprechenden Normen der Reihe EN 50288 es fordern. Auch Materialprüfungen und sogar Brandtests gehören zum Prüfportfolio, mit dem sich die Qualität eines Kabels oder Steckverbinders oder auch einer gesamten Übertragungsstrecke umfassend analysieren und bewerten lässt.
Hinsichtlich Brandprüfungen ist zu beachten, dass 2015/2016 die Europäische Bauproduktenverordnung auch für Kabel und Leitungen in Kraft tritt. Damit geht für Hersteller die Verpflichtung einher, eine Erklärung zum Verhalten ihres Produkts im Brandfall zu erstellen. Eine solche Erklärung beruht ausnahmslos auf einer entsprechenden Typprüfung einer "Notifizierten Stelle". Auch diese Dienstleistung bietet das VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut an.

Im VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut prüfen die Tester nicht nur elektrische Eigenschaften, sondern auch mechanisches Verhalten, Materialeigenschaften sowie das Brandverhalten.

Unterschiedliche Ergebnisse bei Eingangsimpedanz-Messungen durch unterschiedliche Phasenlage von frequenzselektiven Störungen.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu DSW Elektronik GmbH

Weitere Artikel zu Tarox Systems & Services GmbH

Matchmaker+