Fremdnebensprechen messen

Interview mit einem Alien

17. August 2006, 22:00 Uhr | Sören Schnapka/jos

Verkabelungsstandards wie Klasse Ea und Fa sind finalisiert oder stehen kurz vor der Verabschiedung. Anders als bisher ist diese Entwicklung nicht allein von Kabel- und Stecker-Herstellern getrieben. Vielmehr stehen hinter der Anforderung nach Verkabelungssystemen mit höherer Bandbreite echte Applikationen wie zum Beispiel 10 GBit über Kupferleitungen. Um zu gewährleisten, dass diese neuen Systeme nach der Installation auch einwandfrei funktionieren, bedarf es neuer Messtechnik und neuer Messverfahren.

Neue Applikationen sind bandbreitenhungrig und machen neue Netzwerktopologien erforderlich. 10
GBit über Kupfer steht in den Startlöchern. Eine Kategorie-6- oder Klasse-E-Verkabelung reicht ohne
weiteres nicht mehr aus. Daher haben sowohl amerikanische wie auch internationale
Standardisierungsgremien an neuen Verkabelungsklassen gearbeitet, die nun kurz vor der
Verabschiedung stehen. Eine dieser neuen Klassen ist die Klasse Ea. Klasse Ea bezeichnet die
installierte Verkabelung, während die dazugehörigen Komponenten wie Stecker, Dosen und Kabel unter
den Begriff Kategorie 6a fallen. Diese Klasse Ea wurde speziell für die Übertragung von
10-GBit-Netzwerken geschaffen und basiert wie die bisherige Klasse E und Kategorie 6 auf RJ-45
Stecksystemen. Da 1-GBit-Netzwerke schon auf Kategorie-5e- und Klasse D-Verkabelungen einwandfrei
funktionieren, bleibt zu vermuten, dass die bisherige Kategorie 6 ein ähnliches Schattendasein wie
ehemals Kategorie 4 führen könnte.

Klasse Ea und Kategorie 6a bedeuten die konsequente Weiterentwicklung der bisherigen
Kategorie-6-Systeme, allerdings wurde die Bandbreite von 250 MHz nun auf 500 MHz wesentlich
erweitert. Anders als bei den "alten" Kategorie 6 und 5 ist hier erstmals ein negativer
Signal-Rauschabstand, definiert als ACR (Attenuation to Crosstalk Ratio), in Kauf genommen. Dies
bedeutet: Störrauschen, das bei einer Übertragung entsteht, darf stärker sein als das ankommende
Signal. Um dennoch eine Übertragung zu ermöglichen, werden Switches mit aktiven Kompensati-onen
arbeiten. Dies macht die Systeme allerdings anfällig gegen andere Störungen wie zum Beispiel Alien
Crosstalk. Waren diese Effekte bislang zu vernachlässigen, gewinnen sie mit den neuen Klasse-
Ea-Systemen an Bedeutung.

Auch in den Bereich der europäischen Klasse F kommt wieder Bewegung. Hier liegt ein Vorschlag
für Systeme mit 1 GHz Bandbreite vor, um diese Klasse weiter für Multimedia-anwendungen nutzen zu
können. Die Verteilung von Kabelfernsehen in Wohnhäusern ist dabei eine der Herausforderungen, der
diese strukturierte Verkabelung der Klasse Fa gerecht werden muss. Die neue Klasse Fa basiert auch
wie der Vorgänger auf Tera-Steckverbindern der Firma Siemon oder GG45 von Nexans. Mit diesen
höheren Frequenzen ergeben sich allerdings auch neue Anforderungen an die verbundene Messtechnik,
die nun Messungen bis 1000 MHz durchführen muss. Agilent Technologies etwa stellte kurz vor der
Verabschiedung der Standards den "Wire-scope-Pro"-Kabeltester vor. Der Hersteller entwickelte das
Gerät nach eigenen Angaben speziell dazu, die neuen Standards vollständig zu erfüllen. Agilent
betont, weiter auf die Strategie zu setzen, normkonforme Messgeräte zu liefern, was dazu führe,
dass die Nutzungsdauer deutlich höher liege und der Installateur nicht für viel Geld immer wieder
neue Geräte kaufen müsse. Alle nötigen Updates lassen sich laut Agilent über Software vom Benutzer
einspielen.

Bis 1000 MHz

Das Wirescope Pro misst im Frequenzbereich von 1 bis 1000 MHz und soll so alle älteren Standards
wie Kategorie 3, 4, 5, 5e,6 und die Klassen C, D, E und F abdecken. Aber auch neue Standards, die
neben einem erhöhten Frequenzbereich auch neue Messverfahren wie Alien Crosstalk vorschreiben,
seien vollständig erfüllt. Das Gerät verfügt über einen Messeinschub, in dem verschiedene Adapter
wie RJ-45 Cat6A Link und Channel, Tera und GG45 Platz finden. Optional stehen auch
Glasfasermesseinschübe zur Verfügung, die das Gerät in die Lage versetzten, Multimode- und
Singlemode-Glasfaserkabel zu zertifizieren.

Messverfahren werden feldtauglich

Eine wesentliche Neuerung ist die Messung von Alien Crosstalk, auch Fremdkabelübersprechen
genannt. 10-GBit-Netzwerkkomponenten, die auf Verkabelungen mit RJ-45 laufen sollen, müssen mit
negativem ACR arbeiten. Die Komponenten führen eine aktive Kompensation durch, um zum Beispiel das
eigene Übersprechen zu minimieren. Dies macht solche Systeme aber anfälliger gegenüber Einstrahlung
von außen. Gerade wenn im Kabelkanal die Verlegewege von mehreren Kabeln parallel geführt sind,
kann es passieren, dass umgebende Kabel Signale in die Nachbarn induzieren. In der Theorie geht man
davon aus, dass ein Kabel von maximal sechs Kabeln umgeben ist und diese im Strang parallel
zueinander verlaufen und dabei die sechs Kabel auf das "Opferkabel" einwirken.

Bislang war das Messen von Alien Crosstalk nur durch aufwändige Apparaturen möglich und wurde
fast ausschließlich im Labor durchgeführt. Mit geeigneten Geräten soll diese Messung nun auch im
Feld durchzuführen sein. Mithilfe der optionalen AXTalk-Stimulatoren werden die Signale in die
benachbarten Kabel eingespeist und das Messgerät misst gleichzeitig den im "Opferkabel"
auftretenden Alien Crosstalk. Diese Messungen speichert das Mess-Tool und erlaubt so ein
anschließendes Protokollieren, ähnlich wie bei den Autotests.

Glasfasermessungen für Multi- und Singlemode

Neben der Vermessung von Kupferverkabelungen bietet der Wirescope Pro auch die Möglichkeit,
Multimode- und Singlemode-Glasfaserkabel zu messen. Dazu bietet der Hersteller optionale Fiber
Probes an. Zwei Varianten stehen zur Auswahl: Multimode Probes für den Wellenlängenbereich 850 nm
und 1300 nm und Singlemode Probes für 1310 nm und 1550 nm. Ähnlich wie bei Kupferkabeln läuft auch
in diesem Fall ein automatisierter Test ab. Duplex-Glasfaserkabel misst das Gerät in einem
Durchgang. Neben der Dämpfung ermittelt es auch die Länge der installierten Duplex-Fasern. Anhand
einer Optischen-Link-Budget-Betrachtung (OLB) erfolgen ein Vergleich mit Standardwerten und
Bewertung in "Gut/Schlecht".

Ein wichtiger Aspekt bei der Praxisbeurteilung eines Messwerkzeugs ist bekanntermaßen die
Handhabung. Insofern verwundert es nicht, dass der Hersteller nach eigenen Angaben ein besonderes
Augenmerk auf diesen Punkt gelegt hat.

Die Bedienung des Geräts erfolgt über einen robusten Touchscreen, die farbige Anzeige soll dies
möglichst einfach gestalten. Sollte dem Benutzer dennoch etwas unklar sein, kann er auf die
eingebaute deutsche Hilfe zurückgreifen. Die ermittelten Messdaten lassen sich bei Bedarf bereits
im Gerät anzeigen und auswerten. Die Speicherung erfolgt auf einer Compact-Flash-Karte und kann zur
weiteren Analyse mit einer mitgelieferten Software am PC zu grafischen Protokollen aufbereitet
werden.

Fazit: Messtechnik ist zu überdenken

Neue Standards machen es nötig, die zugehörige Messtechnik zu überdenken. Selbst wenn ein
Installateur nur selten Klasse Fa Verkabelungen realisiert, um Klasse Ea wird er nicht herumkommen.
10 GBit über Kupfer kommt auch für ihn früher oder später, und die Verkabelung sollte heute schon
dafür gerüstet sein. Mit passenden Geräten ist eine professionelle Abnahmemessung bereits heute
möglich.

Info: Psiber Data Tel.: 089/89136060 Web: www.psiberdata.de


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