Verkabelung von Sicherheitsanlagen im RZ

Kabel entscheidet über Sicherheit

21. Oktober 2015, 6:00 Uhr | Dietmar Claßen, in der Anwendungstechnik bei Leoni Kerpen tätig, www.leoni.com./jos

Die Anforderungen, denen ein Rechenzentrum heute gerecht werden muss, sind hoch, und sie steigen stetig. Nutzer und Betreiber erwarten maximale Leistung und minimale Latenzzeiten bei gleichzeitig größtmöglicher Effizienz, niedrigsten Betriebs-kosten und hoher Umweltverträglichkeit. Die Verkabelung trägt entscheidend zu den Sicherheitsüberlegungen bei.

Der Markt bietet als Lösung für diese Anforderungen gleich mehrere Ansätze. Dazu gehören:
Software-Defined Datacenter,
Ethernet Fabrics,
das Datacenter-Infrastructure-Management,
Intelligent Cooling und
regenerative Energien.
Neben diesen Grundanforderungen sind die Ansprüche an die Sicherheit in einem Rechenzentrum mindestens genauso hoch. Dies betrifft einerseits die Zugriffssicherheit auf die verarbeiteten Daten, zum anderen die Sicherheit gegen unbefugten Zugang in die sensiblen Bereiche der Rechenzentren.
Sicherheit bedeutet aber auch Sachschutz, also einen maximalen Schutz der Einrichtungen gegen äußere Einflüsse wie Feuer, Wasser oder Überspannung. Dabei stehen eine möglichst frühzeitige Erkennung von Gefährdungen und eine schnelle Intervention im Vordergrund, um das Ausmaß von Schäden an Anlagenteilen und die damit verbundenen Ausfallzeiten auf ein Minimum zu begrenzen. Auf dem Weg zur Zertifizierung von Rechenzentren stellt eine solide und fachgerecht ausgeführte Verkabelung, die allen nationalen und internationalen normativen Anforderungen gerecht wird, die Basis für hochfunktionale Anlagenteile dar.
Ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Verkabelung ist das Brandverhalten der zu verwendenden Kabel. Bei der strukturierten Datenverkabelung hat sich längst die Verwendung halogenfreier, raucharmer und schwer entflammbarer Kabel als Standard durchgesetzt. Für alle anderen Gewerke im Gebäude kommen jedoch fast ausnahmslos preiswerte, aus brandschutztechnischer Sicht aber völlig mangelhafte PVC-Kabel zum Einsatz.
Dies ist umso weniger verständlich, da für alle Anwendungen in der technischen Gebäudeausrüstung halogenfreie Kabel mit optimiertem Brandverhalten verfügbar sind. Es ist also völlig unnötig, mit PVC-Kabeln das Gebäude-Sicherheitskonzept aufzuweichen.
 
Anmerkung zur Bauproduktenverordnung
Seit Veröffentlichung der EN 50575 im Amtsblatt der EU im Juli 2015 sind die Prüfverfahren zur Klassifizierung des Brandverhalten von Kabeln jetzt umsetzbar. Die Zertifizierung der Kabel ist ab Dezember 2015 möglich, eine CE-Kennzeichnungspflicht für Kabel besteht ab Dezember 2016.
Die Brandeigenschaften von PVC-Kabeln und halogenfreien Kabeln mit optimiertem Brandverhalten lassen sich so im Überblick zusammenfassen:
PVC-Kabel:
sehr starke Rauchgasentwicklung,
Sichtbehinderung bei der Evakuierung,
hohe Konzentration giftiger Brandgase,
lebensbedrohliches Kohlenmonoxid,
Freisetzung korrosiver Brandgase
Gebäude-/Sachschäden,
nicht selbstverlöschend und
intensive Brandfortschreitung.
Halogenfreie Kabel (LS0H, FRNC):
sehr geringe Rauchgasentwicklung,
lange Evakuierungsphasen möglich,
stark reduzierte giftige Brandgase,
hohe Überlebenserwartung der Personen,
keine korrosiven Brandgase,
minimierte Gebäude- und Sachschäden,
selbstverlöschend, flammwidrig und
sehr geringe Flammausbreitung.
Für halogenfreie Kabel mit optimiertem Brandverhalten sind die Bezeichnungen LS0H (Low Smoke Zero Halogen) und FRNC (Flameretardant Non Corrosive) international gebräuchlich. In den Normen IEC 60332, IEC 60757 und IEC 61034 sind die Vorgaben zur Prüfung von Flammwidrigkeit, Halogenfreiheit und Rauchdichte definiert.
Als nächst höhere Kategorie zur Verkabelung von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen stehen dem Anwender LS0H-/FRNC-Kabel mit Isolationserhalt zur Verfügung (Circuit Integrity) - entsprechende Prüfverfahren beschreiben die IEC 60331 und die EN 50200. Der Isolationserhalt von Kabeln ist in der IEC 60331-xx mit bis zu 180 Minuten und in der EN 50200 mit bis zu 120 Minuten klassifiziert.
Zur Prüfung werden die Kabel unter Laborbedingungen mit einem Gasbrenner bei vorgegebener Temperatur beflammt. Sie müssen über die geforderte Zeit einen elektrischen Verbraucher ohne Ausfall versorgen können. Bei Lichtwellenleitern ist ein vorgegebenes Dämpfungsbudget der Fasern über die geforderte Prüfzeit einzuhalten. Die höchste Kategorie für eine Verkabelung von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen ist Verwendung von LS0H-/FRNC-Kabeln mit Funktionserhalt nach DIN 4102-12.
Während die beschriebenen beiden Normen für den Isolationserhalt die Kabel-Eigenschaften unter Labor-Bedingungen bewerten, bezieht die DIN 4102-12 auch die Kabelbefestigungen in das Prüfverfahren mit ein. Der Funktionserhalt ist mit 30, 60 oder 90 Minuten Dauer klassifiziert.
Der Aufbau einer praxisnahen Installation der Kabel gemeinsam mit einem Tragsystem (Befestigungen) prüft ein Test in einem Brandofen unter "Worst-Case"-Bedingungen. Dazu gehören ein Installationsaufbau von mindestens drei Meter Länge, die Belastung der Tragsysteme mit maximalem Gewicht, die Montage der Tragsysteme mit maximalen Stützabständen sowie die Prüfung von mindestens zwei Kabeln je Bauart. Alle Prüflinge einer Bauart müssen diesen Test bestehen.
Im Ergebnis bildet das Kabel mit dem Tragsystem eine funktionale Einheit. Diese geprüften Kombinationen erhalten als Kabelanlage eine Zulassung mit in der Regel fünf Jahren Gültigkeit. In Deutschland ist für bauordnungsrechtlich geforderte Sicherheitsanlagen außerdem im Normalfall die Verwendung von Kabeln mit Funktionserhalt nach DIN 4102-12 explizit vorgeschrieben. Vorgaben dazu finden sich in den einzelnen Bauordnungen und Baurichtlinien der Bundesländer.
Die bauordnungsrechtliche Anforderungen für den Funktionserhalt von Leitungsanlagen gemäß DIN 4102-12 ergeben sich zum Beispiel aus den Leitungsanlagenrichtlinien der Bundesländer für folgende Anlagen: Wasserdruckerhöhungsanlagen zur Löschwasserversorgung, Rauchabzugsanlagen und Rauchschutz-Druckanlagen, Bettenaufzüge in Krankenhäusern oder Feuerwehraufzüge. Außerdem gehören dazu etwa Sicherheitsbeleuchtungsanlagen, Personenaufzüge mit Brandfallsteuerung, Brandmeldeanlagen sowie Alarmierungs- und Sprachalarmierungsanlagen.
Neben bauordnungsrechtlichen Forderungen kann sich auch aus den Normen und Regelwerken zur Errichtung von Sicherheitsanlagen die Anforderung an Funktionserhalt gemäß DIN 4102-12 ergeben.
Für Gefahrenmeldeanlagen beispielsweise ist die Verwendung von Funktionserhaltkabeln explizit vorgegeben. Dabei erlaubt bei Sprachalarmierungsanlagen die DIN VDE 0833 Teil 4 keine Ausnahmen. Für Brandmeldeanlagen räumt die DIN VDE 0833 Teil 2 jedoch Ausnahmen ein, die beispielsweise für Leitungen in Räumen gelten, die automatische Brandmelder überwachen. Ausnahmen gelten auch für nicht überwachte Räume, wenn ein Leitungsfehler der Kabel in diesen Räumen nicht zum Ausfall anderer Melder führt. Diese Betriebssicherheit ist zum Beispiel durch den Einsatz einer Ringbus-Verkabelung mit baulich getrennt geführter Hin- und Rückleitung für das Meldersystem zu erreichen.
 
Topologie
Intelligente Melder und Aktoren innerhalb der Ringtopologie koppeln im Fehlerfall ein defektes Kabelteilstück ab und halten übergangslos die Funktion aller Teilnehmer auf dem alternativen Zweig der Ringtopologie aufrecht - die Ringstruktur geht dabei automatisch temporär in eine Busstruktur über. Ob im Einzelfall für eine Brandmeldeanlage Kabel mit Funktionserhalt zu verwenden sind, ist objekt- und projektierungsabhängig.
Zu den sicherheitstechnische Anlagen im RZ gehören unter anderem Brandmeldeanlagen, Sprachalarmierungsanlagen (Evakuierung), Löschanlagen (Inertgas, Sauerstoffreduzierung), Entrauchungsanlagen, Alarmierung und Alarmübertragung, die Sicherheitsbeleuchtung, Video- und Objektüberwachung, Einbruchmeldeanlagen und Zutrittskontrollen.
Für alle Kabel von Anlagenteilen, die für die Aufrechterhaltung des Betrieb und der Systeme eines Rechenzentrums relevant sind, können erhöhte Anforderungen an das Brandverhalten, den Isolationserhalt oder auch den Funktionserhalt sehr sinnvoll sein.
Im Gefahrenfall lässt sich die Verfügbarkeit der Systeme im RZ länger aufrechterhalten, und die ungeplante Downtime ist zu minimieren. Aber auch den Anlagenteilen, die keine unmittelbar systemerhaltenden Funktionen für den Betrieb des Rechenzentrums haben, sollten unter erhöhter Beachtung stehen, etwa regenerative Energieanlagen, Blockkraftheizwerk, Photovoltaik, Brennstoffzellen, Wärmerückgewinnung und die Fernwärme.
Die dort eingesetzten Energie- und Starkstromkabel, mit naturgemäß höherem Risikopotenzial und hoher Brandlast können bei einem Brand im Gebäude den Umfang der Brandausbreitung entscheidend beeinflussen. In diesem Umfeld können schwer entflammbare und selbstverlöschende LS0H- und FRNC-Kabel die Fortschreitung und das Ausmaß eines Brandes deutlich mindern.
PVC-Kabel hingegen sind zwar schwer entflammbar, aber keinesfalls selbstverlöschend. Sie fördern im Brandfall eine rasche und unkontrollierte Brandfortschreitung auch über abgeschottete Brandabschnitte hinaus. Die Dabei frei gesetzten, großen Mengen von toxischen und korrosiven Brandgasen hinterlassen oft viel größere Schäden an Gebäuden und Einrichtungen als die eigentlichen Brandschäden selbst.
Ein weiterer Aspekt ist sicher die hohe Umweltverträglichkeit von halogenfreien LS0H- und FRNC-Kabeln im Vergleich zu PVC-Kabeln - sowohl bei der Produktion als auch beim Recycling. Die sehr stark mit Weichmachern versetzten PCV-Kabel sind hingegen nur aufwändig zu recyceln und beschränkt wiederverwertbar. Daher ist es gerade die Vielfalt dieser notwendigen Weichmacher in den PVC-Kabeln, die eine vollständige RoHS-Konformität der Produkte zu einer Ausnahmeerscheinung machen.
 
Fazit
Die besten Voraussetzungen für maximale Sicherheit beim Gebäude-, Sach- und Personenschutz im Rechenzentrum bietet der durchgängige Einsatz von halogenfreien Kabeln mit optimiertem Brandverhalten. Eine Steigerung des Sicherheitspotenzials ist durch die Verwendung von Kabeln mit zusätzlichem Isolations- oder Funktionserhalt möglich. LS0H- und FRNC-Kabel garantieren mit ihrer Nachhaltigkeit einen hohen Investitionsschutz, nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine Green-IT Zertifizierung von Rechenzentren.


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