Transparenz und Effizienz fürs Energie-Management

"Klugstrom" mit Smart Meters

30. März 2012, 6:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Strom an sich ist und bleibt "dumm" - daran ändern auch aktuell laufende Marketing-Kampagnen für "intelligenten Strom" nichts. Der Umgang mit Energie hingegen lässt noch viel Platz für Intelligenz, und angesichts steigender Preise und exponentiell wachsendem Bedarf wird die Reduzierung des Energieverbrauchs immer dringlicher. Die Energieversorger haben bislang kaum Unterstützung geleistet. Intelligente Zähler samt neuer Kommunikationsinfrastruktur sollen dies nun ändern.

Während Energie bis Mitte der 1990er-Jahre für viele Unternehmen ein kaum beachteter „Durchlaufposten“ war, gerät sie seit einigen Jahren mehr und mehr zum dominanten Kostenfaktor. Mit steigendem Umweltbewusstsein spielt dabei auch Green IT eine immer stärkere Rolle – nur gut, dass Ökologie und Ökonomie sich hier perfekt ergänzen. Auch wenn es technische Elektrizität schon erheblich länger gibt als beispielsweise das Telefon, ihr Management steckt bis heute immer noch in den Kinderschuhen.
 
Das Thema betrifft Unternehmen wie Haushalte gleichermaßen – Unternehmen sehen sich jedoch gezwungen, auf professionelle Weise damit umzugehen. So existiert bei CAFM (Computer Aided Facility Management) als erste Anlaufstelle die Aufgabe „Energie-Controlling“. Allerdings beschränkt sie sich ausschließlich auf Controlling und umfasst keine intelligente, eventuell sensorbasierende Steuerung. Zudem ist dies nur ein Aspekt von vielen – neben Flächen-, Instandhaltungs-, Inventar-, Reinigungs-, Reservierungs-, Schließanlagen-, Umzugs-, Vermietungs- und Umweltschutz-Management. Den Steuerungspart versuchen Unternehmen aus der IT-Industrie in den Griff zu bekommen. Idealerweise sollte sich das Steuerungs-Management nahtlos in CAFM-Anwendungen integrieren, die Bereiche Energie-Controlling und Umweltschutz-Management laden förmlich dazu ein. Doch davon ist in der Praxis noch sehr wenig zu spüren – die verschiedenen Welten waren bislang wohl zu weit voneinander entfernt.
 
Das Steuerungs-Management treiben in erster Linie die einschlägigen Rechenzentrumsausstatter und Softwarehäuser voran: wie Cisco, Dell, Fujitsu Computers, HP, IBM, Microsoft und Oracle. Originelle Ansätze kommen auch von kleineren Anbietern, beispielsweise aus dem Umfeld der VoIP-Telefonanlagen. Eine jüngst vorgestellte Anlage von Cytel etwa schaltet das Licht ab, wenn es im Büro hell genug ist, fährt automatisch die Heizung herunter und schaltet PCs, Kopierer und Drucker aus, wenn der Letzte abends das Büro verlässt. „Cytel Wave“ vereint dazu eine IP-Telefonanlage, einen Unified-Communications-Server und einen Gebäudeautomations-Server in einem einzigen Produkt.
 
Im Bereich CAFM existieren aufgrund der längeren Historie deutlich mehr Player mit zum Teil sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Zu den wichtige Namen zählen dort unter anderem Aperture Software, BFM Building + Facility Management, Graphisoft Deutschland, Keßler Real Estate Solutions, Loy & Hutz, N+P Informationssysteme und Planon Deutschland – um nur einige zu nennen. Allein 34 Anbieter umfasst die „Marktübersicht der CAFM-Software 2011“, ein Katalog, den jährlich die Gefma (German Facility Management Association) herausgibt. Die Komplexität der Aufgaben und die Vielzahl der Player sorgen dafür, dass die CAFM-Brauche gut mit sich selbst beschäftigt ist – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Transparenz für die Anwender.
 
Die Vielzahl der angebotenen Softwarelösungen für Anwendungen des Immobilien- und Facility-Managements erschwert eine Bewertung und verzögert häufig den Entscheidungsprozess für ein Produkt. Daher haben sich Anfang 2010 Hersteller, Anwender, Berater und Wissenschaftler auf einen Mindeststandard für die Anforderungen an CAFM-Softwareprodukte verständigt. Unter dem Dach der Gefma haben sie ein Zertifizierungsverfahren entwickelt („Gefma 444“), das zwölf Kriterienkataloge umfasst, darunter auch das Energie-Controlling. Ob dadurch das Thema „effizientes Energie-Management und optimierte Energiesteuerung“ vorankommt, bleibt abzuwarten. 16 Softwarepakete sind inzwischen nach diesem Verfahren zertifiziert – in der Branche gilt dies als großer Erfolg.
 
Intelligentes Energie-Management
 
Stromnetze bilden die Basis für das moderne Leben, entzogen sich jedoch selbst lange Zeit jeglichen Modernisierungsbestrebungen – zumindest was die Form der Lieferung und Berechnung betrifft. Transparenz für den Nutzer, geschweige denn aktive Interaktion mit dem Stromanbieter – Fehlanzeige. Ein Grund für die langjährige Entwicklungsstarre mag darin liegen, dass alles, was Stromnetze betrifft, sehr alten und starren behördlichen Regulierungen unterworfen ist, die zudem von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. „Einer unserer meiststrapazierten Mitarbeiter ist der ‚Chief Regulatory Officer‘, der sich in unseren Zielmärkten mit der Situation beschäftigen muss, dass jedes Land in Sachen Stromnetze eigene Vorschriften, Auflagen und Gesetze hat“, so Kyle Artega, Global Head of Communications beim erst letzten Dezember von Siemens übernommenen „Stromveredler“ Emeter. „Die Mühlen mahlen auf diesem Sektor daher extrem langsam, wobei die sprunghaft gestiegenen Verbräuche und Kosten von Energie in den letzten Jahren doch etwas frischen Wind in die oft sehr angestaubte Branche geblasen haben“. Emeter/Siemens ist eines der Unternehmen, die derzeit auch deutsche Stromanbieter mit intelligentem Energie-Management versorgen.
 
Das zentrale Element bildet dabei eine Smart Grid Appliance, die den klassischen Stromzähler ersetzt und darüber hinaus eine Reihe intelligenter Steuerfunktionen sowohl für den Stromanbieter als auch für den Abnehmer bietet. Bei der gemeinsam mit IBM entwickelten „Energy IP“-Plattform gehören dazu etwa verschiedene Rechnungsstellungssysteme – darunter auch ein (noch experimentelles) Pre-Paid-Modell ähnlich den Telefonkarten sowie ein Web-Portal mit detaillierten Informationen für Abnehmer – darunter Verbrauchskurven in Echtzeit und für die Historie, jeweils auch mit genauen Kosteninformationen inklusive aktuellem Saldo. Ferner zählen dazu ein Stromausfall-Management sowie eine Fernschaltung für Anschluss und Trennung eines bestimmten Verbrauchers. Privathaushalte wie auch Unternehmen können über das Web-Portal zudem verschiedene Benachrichtigungsoptionen für Störungen und Ausfälle einstellen sowie den CO2-Ausstoß dokumentieren. Bei der Entwicklung der entsprechenden Applikationen waren neben IBM unter anderem auch SAP und Oracle mit an Bord.
 
Allein die Kenntnis der genauen Verbrauchskurven soll durchschlagende positive Effekte mit sich bringen: Der Provider kann seine Kapazitäten besser planen und so Kosten reduzieren und seinen Service optimieren, der Verbraucher wiederum kann sein Nutzungsverhalten bewusster gestalten und eine Menge Geld sparen. Untersuchungen haben ergeben, dass der Energieverbrauch auf diese Weise um zehn bis 15 Prozent sinkt. Ähnliches berichten auch Autobauer, die ihre Fahrzeuge mit Anzeigen für Echtzeit- und Durchschnittsverbrauch ausstatten.
 
Netzwerk für Messdaten und Strom-Management
 
Mit einer Smart Grid Appliance beziehungsweise einem Smart Meter steigt auch das Kommunikationsvolumen beträchtlich, denn im Vergleich zu bisher generieren solche Techniken erheblich mehr Mess- und Metadaten im Stromnetz. Die Verbindung vom Smart Meter zum Umspannwerk erfolgt in den USA meist über Funkstrecken, die Europäer bevorzugen dafür in den meisten Fällen eine Datenübertragung über das Stromkabel. Die Verbindung zwischen Umspannwerk und Rechenzentrum des Stromnetzbetreibers läuft durchgängig über die Mobilfunk- beziehungsweise Wimax-Netze.
 
Bei den Smart-Grid-Lösungen von Cisco gehört die Kommunikationsinfrastruktur mit zum Portfolio, beziehungsweise nimmt dort – wenig überraschend – eine dominante Stellung ein. Das Messdaten-Management-Know-how bezieht der Netzwerkprimus vom Emeter-Konkurrenten Itron. Mit diesem unterhält Cisco eine strategische Partnerschaft, die erst im Januar dieses Jahres neue Früchte hervorgebracht hat. Letztere bestehen in einem neuen Field Area Network (FAN), das Anwendungen für modernes Messdaten-Management und Automatisierungslösungen für Umspannwerke sowie Schutz- und Kontrollsysteme auf einer gemeinsamen Netzwerkplattform unterstützt. Die Architektur bedient dabei sowohl kabelgebundene als auch kabellose Kommunikation. Mit FAN integriert Cisco die Smart-Grid-Lösung von Itron in das eigene IPv6-basierende Netzwerk. Ein Bestandteil der FAN-Lösung ist der neue 1000er-„Connected Grid“-Router mit Unterstützung für 2G/3G-Mobilfunk, Wimax- und Mesh-Netzwerke. Neue Endpunkte sowie Geräte- und Netzwerk-Management-Systeme ergänzen diese Lösung. Das „Cisco Connected Grid Network Management System“ erlaubt nach Herstellerangaben die Überwachung von bis zu zehn Millionen Endpunkten.
 
Dies alles integriert sich in die „Cisco Grid Blocks“-Architektur – ein umfassendes Rahmenwerk für die Errichtung von intelligenten Stromnetzen. Letzteres soll Stromversorgern sowie deren Partnern einen ganzheitlichen Überblick über die Integration von digitaler Kommunikation und Stromnetz verschaffen. Wesentlicher Bestandteil sind Tools für die Planung und Implementierung umfassender Management- und Sicherheitslösungen im Stromnetz. Die Architektur ist modular aufgebaut und soll einen genauen Blick auf einzelne Netzwerkelemente erlauben – unabhängig von Marktstrukturen und Regionen.
 
Eine Modernisierung der Stromnetze im Sinne eines transparenteren und effizienteren Energie-Managements erscheint längst überfällig. „Zu jeder Telefonrechnung gibt es heute auf Wunsch genaue Einzelnachweise für jedes Gespräch, jede SMS, MMS und Datenverbindung – die Stromnetzbetreiber sind hier locker 15 Jahre hinterher“, so Artega. Seine Prophezeiung: „Der Utility-Provider der Zukunft ist ein Informations-Provider – Strom an sich wird nicht mehr das Geschäftsmodell darstellen“.
 
Der Markt für Messdaten-Management-Produkte indes präsentiert sich noch sehr übersichtlich und besitzt – zumindest nach Gartner im entsprechenden „magischen Quadranten“ für 2010 – noch keinen Anführer. Emeter/Siemens und Itron zählen in Fachkreisen zu den aussichtsreichsten Anwärtern dafür – zusammen mit Oracle Utilities. Alle anderen – darunter Unternehmen wie Ecologic, Energyict, Osisoft, Aclara, North Star, Goerlitz Group oder Hansen Technologies – müssen derzeit mit Rollen als Herausforderer oder Nischenanbieter vorlieb nehmen.
 
Siemens wiederum muss nach der Übernahme von Emeter eine klare Strategie entwickeln und kommunizieren, in welche Richtung die Entwicklung künftig gehen soll. Das Unternehmen hat mit Amis (Automated Metering and Information System) bereits eine eigene Smart-Meter-Lösung am Start, und fast zeitgleich mit der Nachricht zur Übernahme von Emeter kam eine Meldung, die eben diese Lösung aufwertet. Aus der Partnerschaft mit Digi International wurde darin eine Anwendung angekündigt, über die der Verbraucher exakte Angaben über seinen Energieverbrauch und seinen Zählerstand erhält. Das „Digi Connect-Port X Wireless M-Bus“-Gateway verbindet dazu die Amis-Zähler von Siemens über einen IP-Link mit der Idigi-Cloud. Die Lösung lässt sich durch die Integration einer drahtlosen Zigbee-Netzwerkanbindung zusätzlich erweitern – etwa um intelligente Thermostate zu steuern.
 
 
Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente    
 

Gebäude-Management hält neuerdings Einzug in ehemals artfremdes Terrain: Die "Cytel Wave"-TK-Anlage steuert Licht und elektrische Geräte in einem Bürogebäude - der Benutzer hat Zugriff über seinen PC-Client. Bild: Cytel
LANline.

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