Maßnahmen gegen Signalverluste

Kontaktqualität entscheidet

13. April 2016, 6:00 Uhr | Matthias Gerber, Market Manager LAN Cabling bei R&M, www.rdm.com./jos

Blitze in Miniatur: So könnte man die Funkenbildung bezeichnen, die beim Öffnen eines stromführenden Kontakts entsteht, beispielsweise bei Power over Ethernet (PoE), wenn der Anwender während des Betriebs den LAN-Stecker zieht.

Die Physik erklärt den Effekt mit den Induktivitäten auf dem Strompfad: Der Strom ändert sich nicht abrupt, er "will einfach weiterfließen". Für den Nicht-Elektrotechniker gibt es ein analoges Beispiel: Eine träge Masse kann man mit einem zerbrechlichen Gegenstand behutsam beschleunigen, aber wenn man ihn damit abrupt bremsen möchte, gibt es Scherben.
Im Prinzip können auch beim Einstecken Funken entstehen, wenn die Kontakte prellen, bevor sie eine feste Verbindung herstellen. Bei Power over Ethernet ist dies schon dadurch unterbunden, dass das versorgende Gerät mit den zu versorgenden Endgeräten "verhandelt". Die Stromversorgungs-Elektronik stellt per Widerstandsmessung fest, ob das Endgerät überhaupt PoE benötigt und welcher Leistungsklasse es angehört. Erst danach fließt der passende Strom. Das kann bei 4-Pair Power over Ethernet (4PPoE) mit bis zu 100 W Leistung eine Stromstärke von bis zu einem Ampere pro Adernpaar sein.
Die Elektronik der Aktivgeräte kann jedoch nicht vorausahnen, wann jemand den LAN-Stecker zieht. Das Ausstecken erfolgt in diesem Fall unter Last und dabei entsteht ein Abreissfunken. Er erzeugt punktuell ein Plasma mit extrem hohen Temperaturen, die sowohl den Stecker als auch den Buchsenkontakt lokal beschädigen können. Der "Abbrand" zeigt sich unter dem Mikroskop oft als regelrechter Krater.
Beim Wiedereinstecken ist zwar der Kontakt wiederhergestellt. Die Kontaktqualität und damit die Sicherheit der Datenübertragung dagegen sind an dieser Stelle nicht mehr gegeben. Wohl kann man per Betriebsanweisung festlegen, dass vor dem Ausstecken zuerst die elektrische Versorgung im LAN heruntergefahren wird. In der Praxis wird es jedoch stets jemanden geben, der einfach den Stecker zieht.
Hersteller wie zum Beispiel R&M begegnen diesem Problem mit konstruktiven Maßnahmen. Die Kontakte der RJ45-Stecker und die goldbeschichteten Federzungen der Anschlussmodule hat R&M so gestaltet, dass die Abreißpunkte weit außerhalb des nominalen Kontaktbereichs liegen. Im gesteckten Zustand stören sie also die Datenübertragung nicht. Die Goldbeschichtung des Kontakts sorgt für einen niedrigen Übergangswiderstand und damit eine geringe Verlustleistung in der Verbindung: Sie wird nicht heiß. Der Hersteller empfiehlt daher allen Planern und Installateuren von PoE-tauglichen Netzen, auch auf solche Kriterien zu achten, die nicht unbedingt in den Datenblättern der Hersteller stehen.
R&M hat die Auswirkungen von PoE auf den Steckverbinder intensiv untersucht, insbesondere die Beschädigung durch Funkenbildung. Darum war der Hersteller Mitautor eines technischen Berichts der IEC zu diesem Thema (IEC TC48B: "The effects of engaging and separating under electrical load on connector interfaces used in Power-over-Ethernet (PoE) applications?). Diese Dokument erklärt das Konzept des nominalen Kontaktbereichs. Während des Steckvorgangs verschiebt sich der Kontaktpunkt zwischen A und B entlang der Oberfläche der Kontakte vom ersten Kontaktpunkt (Verbindungs-/Trennungsbereich) zum Endkontaktpunkt (nominaler Kontaktbereich). Diese beiden Bereiche sind durch die Schleifzone getrennt. Diese Zone, in der der Kontakt unterbrochen wird und Funkenbildung entstehen kann, muss von der Zone getrennt sein, in der der Kontakt zwischen Stecker und Buchse bei normalem Betrieb entsteht (nominaler Kontaktbereich).
Untersuchungen zeigten, dass modulare RJ45-Steckverbinder diese Anforderung zwar typischerweise erfüllen und damit der Norm IEC 60603-7 entsprechen. In Folge von Freiheitsgraden in der Umsetzung ist dies aber nicht immer sichergestellt. Darum ist es die Aufgabe der Hersteller, mit einem spezifischen Kontaktdesign zu gewährleisten, dass diese Anforderung erfüllt ist.

Darstellung des Konzepts des nominalen Kontaktbereichs. Bild: R&M

Kontakt eines RJ45-Steckers mit der Federzunge eines Anschlussmoduls. Bei guter Konstruktion liegt der nominelle Kontaktbereich weit entfernt vom ersten und letzten Kontaktpunkt. Bild: R&M

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