OM5-Faser und MPO-Anschlusstechnik

Mit Mehrfasersteckern zum Highspeed-Netz

3. April 2017, 8:00 Uhr | Von André Engel.

Seit Oktober 2016 steht fest: OM5 heißt die Nomenklatur für breitbandig optimierte Multimode-Fasern (Wideband Multimode Fiber, WBMMF). Das entschied das gemeinsame technische Komitee, bestehend aus der Internationalen Organisation für Standardisierung ISO und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission IEC.

Diese Entwicklung eröffnet insbesondere der MPO-Technik vielfältige neue Möglichkeiten. MPOs bieten eine gute Plug-und-Play-Funktionalität für die Rückraumverkabelung, punkten durch ihre einfache Migration zu höheren Übertragungsraten und lassen in Kombination mit der aktuellen SWDM-Technik sogar die Terabit-Schwelle bereits heute überschreiten. Mit der SWDM-Technik lassen sich bis zu 1,2 TBit/s über einen einzelnen 24-Faser-MPO-Stecker im Rückraum übertragen. Schaut man sich den Datenhunger der Industrie und Privatanwender an, so ist schnell klar: Er ist ungebremst. Telekommunikationsnetze und Rechenzentren wachsen rasant und werden stetig ausgebaut. Cloud-Anwendungen, Smartphones und Tablet-PCs erzeugen enorme Datenmengen und treiben den Bedarf an immer höheren Datenübertragungsraten voran. Ebenso unaufhörlich steigt der Bandbreitenbedarf aufgrund der immer umfangreicheren Produktions- und Prozessdaten im Kontext von Industrie 4.0. Allein in Deutschland wird die durchschnittliche Datentransferrate im Jahr 2020 etwa 13 TBit/s, in Spitzenzeiten bis zu 81 TBit/s betragen.

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2016 Ethernet Roadmap der Ethernet Alliance. Bild: Ethernet Alliance

Fest steht: Zukunftsfähige Hochleistungsdatennetze mit Übertragungsgeschwindigkeiten von mehr als 100GbE (Ethernet) beziehungsweise 128 GFC (Fiber Channel) im Zusammenhang mit Multimode-Fasern lassen sich ausschließlich unter Einsatz von MPO-Steckern realisieren. MPO-Stecker mit zwölf oder 24 Fasern sind in Bezug auf derzeitige Transceiver-Technik längst bewährte Technik. Übertragungsraten von 40 GBit/s über Multimode lassen sich aktuell wirtschaftlich mit einem 12-Faser-MPO und 100 GBit/s mit einem 24-Faser-MPO erreichen. Dabei handelt es sich um eine paralleloptische Übertragung, die pro Kanal 10 GBit/s überträgt. Nach dem bereits im Juni 2010 verabschiedeten Standard IEEE 802.3ba werden für 40GBase-SR4 jeweils vier Sende- und Empfangsfasern genutzt. Für 100GBase-SR10 sind jeweils zehn Sende- und Empfangsfasern erforderlich.

Von Gigabit zu Terabit

Seit Februar 2015 gilt der IEEE-802.3bm-Standard. Ein wesentlicher Unterschied dieses Standards gegenüber dem IEEE-803.3ba-Standard ist die Kanalgeschwindigkeit von 25 GBit/s. Für die 100-GBit/s-Übertragung nach 100GBase-SR4 ist alternativ zum bisherigen Standard mit 24-Faser-MPO ein 12-Faser-MPO mit jeweils vier Sende- und Empfangsfasern definiert.

Viele Anbieter von Verkabelungssystemen halten daher an dem 12-Faser-MPO im Rückraum fest. Einige gehen sogar dazu über, den 12-Faser-MPO selektiv mit acht Fasern (Base 8) zu belegen. Dieser Trend ist angesichts der immer schneller steigenden Übertragungsraten kritisch zu betrachten. Ein MPO mit einer höheren Faserzahl wie etwa der 24-Faser-MPO bietet im Rückraum unabhängig von den aktuell genutzten Übertragungsraten deutliche Vorteile wie kürzere Installationszeiten, geringeres Kabelvolumen, geringere Brandlasten, mehr Migrationsoptionen auf höhere Übertragungsraten und schlussendlich einen höheren Investitionsschutz.

Seit Juli 2016 gilt schließlich mit IEEE 802.3by der 25GBase-SR-Standard abgeleitet von der 100-GBit/s-Technik, der folgerichtig jeweils eine Sende- und Empfangsfaser nutzt. Damit reicht für die 25-GBit/s-Übertragung die traditionelle Einzelfaser-Anschlusstechnik vorzugsweise mit LC-Duplex-Steckverbin-der aus.

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Reduziertes Kabelvolumen bei hoher Packungsdichte: Beim TML-24-Modul basiert die komplette Rückraumverkabelung auf dem MPO-24-Faser-Stecker. Mit zwei Reihen zu jeweils zwölf Fasern bietet er die doppelte Faserzahl wie der baugleiche MPO-12-Faser-Stecker und liefert damit Leistung auf kleinstem Raum. Bild: TDE

Für 2018 liegt als Entwurf bereits der Standard IEEE 802.3cd vor. Mit dem Modulationsverfahren PAM4 werden nun 50 GBit/s pro Kanal möglich sein. Analog zu den schon existierenden Normen ergeben sich daraus die Übertragungsstandards 50GBase-SR, 100GBase-SR2 und 200GBase-SR4. Mit jeweils vier Sende- und Empfangsfasern wären dann sogar 200 GBit/s möglich. Auch in diesem Zusammenhang ist der MPO-Steckverbinder mit zwölf Fasern für die 200-GBit/s-Übertragung vorgesehen.

Noch in diesem Jahr soll nach IEEE 803.3bs der 400GBase-SR16-Standard kommen. Dann wird erstmalig ein MPO-Steckverbinder mit 32 Fasern festgeschrieben. Auch ein 16-Faser-MPO ist inzwischen für die 400-GBit/s-Übertragung vorgesehen und befindet sich in der Normierung.

Wie sich unschwer erkennen lässt, werden spätestens jenseits der 100 GBit/s alle Übertragungsraten über Multimode auf paralleloptischer Übertragung mit MPO-Anschlusstechnik basieren. Dies veranschaulicht auch die "2016 Ethernet Roadmap" der Ethernet Alliance sehr gut (Bild auf Seite 26).

Weitere Optionen mit SWDM

SWDM (Shortwave Wavelength Division Multiplexing) ist derzeit in Bezug auf Multimode-Fasern eine weitere Option für Übertragungsraten bis 100 GBit/s. Es handelt sich um ein Multiplexverfahren, das vier verschiedene Wellenlängen zwischen 850 und 950 nm für die Übertragung nutzt. Dies stellt eine Vervierfachung der bisherigen Übertragungsleistung dar. Somit lassen sich 40 GBit/s und 100 GBit/s über jeweils eine Sende- und Empfangsfaser übertragen. Für eine 40-GBit/s-Verbindung heißt dies, dass auf vier Wellenlängen jeweils 10 GBit/s, bei 100 GBit/s je Wellenlänge 25 GBit/s übertragen werden. Für die SWDM-Übertragung reichen Multimode-Fasern 50/125 µ der Klassen OM3 und OM4 aus. Dies geht allerdings einher mit reduzierten Reichweiten. Für 100 GBit/s ergibt sich mit OM3 eine reduzierte Reichweite von 75 Metern und in Verbindung mit OM4 eine Reichweite von 100 Metern. Der Grund ist, dass die OM3- und OM4-Fasern für die Wellenlänge 850 nm optimiert und in Bezug auf ihre effektive Bandbreite durch die modale Dispersion eingeschränkt sind.

Mit OM5 mehr Reichweite

Der neue OM5-Standard setzt auf breitbandig optimierte Wideband-Multimode-Fasern (WBMMF). Im Vergleich zu herkömmlichen Multimode-Fasern ist das optische Fenster im gesamten Wellenlängenbereich zwischen 850 und 950 nm optimiert, wodurch sich vier Wellenlängen für die Übertragung besser nutzen lassen. OM5 ist voll abwärtskompatibel zu OM3- und OM4-Fasern, punktet jedoch in Bezug auf eine erweiterte Längenrestriktion. Die OM5-Faser ermöglicht damit mindestens eine Verdopplung der Reichweite. Transceiver-Hersteller bieten sogar schon Transceiver mit noch größeren Reichweiten über OM5 an.

Joker in der Rückraumverkabelung

Mit der Einführung des OM5-Standards und der SWDM-Transceiver gibt es Stimmen, die ein Upgrade zu höheren Übertragungsraten auch ohne MTP/MPO-Technik anstreben. Schließlich ermöglicht die neue SWDM-Technik RZ-Betreibern nun eine neue Option der Migration auf 40 GBit/s und 100 GBit/s, bei der sie erst einmal nicht auf die Zweifaserstruktur verzichten müssen.

Die Branche zeichnet ein anderes Bild: Alle großen Produzenten inklusive der Transceiver-Hersteller haben das Potenzial der MPO-Technik erkannt und entwickeln basierend auf der MPO/MTP-Technik seit Langem Lösungen. Selbst wenn im Patch-Feld im Zusammenhang mit SWDM-Transceivern die Zweifasertechnik vorerst weiter zum Einsatz kommt und die Frontverkabelung mit LC-Duplex erfolgt, können Netzwerkadministratoren in der Rückraumverkabelung sinnvollerweise MPO/MTP-Steckverbinder einsetzen.

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Netzwerkhersteller wie zum Beispiel TDE setzen auf den 24-Faser-MPO und bieten passende Systeme an. Bild: TDE

Sie punkten durch ihre äußerst kompakte Bauform und die enorme Packungsdichte, wodurch sie große Platzeinsparungen bei gleichzeitiger Vervielfachung der Leistung ermöglichen. Die SWDM-Technik ermöglicht es gerade in Kombination mit einer MPO-Plug-and-Play-Verkabelung, dass sich LWL-Module mit MPO auf LC weiter nutzen lassen. Daraus ergibt sich für einen einzelnen 24-Faser-MPO im Rückraum bereits heute eine Übertragungsleistung von bis zu 1,2 TBit/s. Zudem lassen sich Steckvorgänge und Installationen vereinfachen und verkürzen, da sich nicht nur ein bis zwei Fasern - wie bei LC-Duplex-Steckern üblich - sondern über die Plug-and-Play-Konnektivität je nach Anwendung mindestens zwölf, 24 oder mehr Fasern anbinden lassen.

Zu beachten ist, dass SWDM-Transceiver im Vergleich zu Standard-Transceivern deutlich teurer sind. Mit der SWDM-Technik sind zudem keine Breakout-Anwendungen möglich. Die 40 oder 100 GBit/s eines SWDM-Transceivers lassen sich also nicht in mehrere Einzelkanäle aufspalten. Damit entfällt eine beliebte Applikation, um die Chassis der Switches oder Router mit höchster Leistungsdichte auszunutzen.

Offen für alle Optionen

Netzwerkexperten wie zum Beispiel der Anbieter TDE - Trans Data Elektronik setzen auf den 24-Faser-MPO und bieten Systeme wie das TML24 an. Bei diesem modular aufgebauten Verkabelungssystem sind Trunk-Kabel und Module mit 24-Faser-MPO-Steckern ausgestattet. Dadurch basiert die gesamte Rückraumverkabelung auf dem 24-Faser-Stecker. Er bietet im Gegensatz zum baugleichen 12-Faser-MPO-Stecker zwei Reihen zu jeweils zwölf Fasern und damit die doppelte Faserzahl. So erzielt das System seine Leistung auf kleinstem Raum.

Das TML24-System unterstützt bei gleichbleibender Verkabelung im Rückraum die Migration von der 2-Faser-Übertragung (LC-Duplex) auf 8-Faser- (MPO) oder 20-Faser-Übertragungen (MPO). Wenn sich in naher Zukunft der MPO-16- oder 32-Faser-Stecker als Standard herauskristallisieren sollte, dann lässt sich auch dies durch einen Modultausch auf derselben Plattform verwirklichen, ohne die Trunk-Kabel im Rückraum tauschen zu müssen. Ein weiterer Vorteil einer modularen Lösung besteht darin, dass unabhängig von der Übertragungsrate im Rückraum in der Regel alle Fasern genutzt werden. Das TML24 ist zudem bereits mit den neuen OM5-Fasern verfügbar.

Fazit

Neben ihrer hohen Plug-and-Play-Funktionalität im Rückraum zeichnen sich MPO-Stecker vor allem durch ihre enorme Vielseitigkeit in Bezug auf die Migration zu höheren Übertragungsraten aus. In Kombination mit der SWDM-Technik lassen sich die gebündelten Fasern so nutzen, dass sich in Zukunft die Übertragungsrate noch einmal vervielfachen wird. Auch steht zu erwarten, dass die Industrie zukünftig Transceiver entwickeln wird, die SWDM- und Mehrfasertechnik kombinieren, wodurch Übertragungsraten im Terabit-Bereich schon bald möglich werden. Die OM5-Faser wird an dieser Stelle ihren Pluspunkt hinsichtlich der größeren Reichweiten ausspielen. Angesichts zahlloser erfolgreicher MPO-Projekte sollten Unternehmen gut überdenken, ob sie eine freiwillige Restriktion auf zwei oder acht Fasern und damit eine vorzeitige Limitierung in der Übertragungsrate in Kauf nehmen wollen. Wer sich tatsächlich alle Optionen offenhalten will, sollte schon heute die MPO-24 Faser-Technik in Kombination mit OM5-Fasern einsetzen.

André Engel ist Geschäftsführer von TDE – Trans Data Elektronik ().

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