Planungssicherheit für schnelle RZ-Netze

Next Generation Ethernet über Kupfer

31. Januar 2013, 7:00 Uhr | Gerd Backhaus, Marketing-Manager DACH und Osteuropa bei Nexans Deutschland (jos)

Manche RZ-Experten fragen sich, wie die 40GBit/s-Technik über Kupfer konkret aussehen wird. Derzeit gibt es in den beteiligten Normierungsgremien viele Diskussionen - und durchaus unterschiedliche Zielsetzungen. Dabei spielt wie immer neben der Technik auch die Politik eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Lösung könnte daher ein Kompromiss sein.Das genormte Ethernet über Twisted Pair ist für IT-Verhältnisse bereits recht alt. Schon 1991 verabschiedete die IEEE den Standard für 10Base-T. Sein Nachfolger aus dem Jahr 1995, 100Base-T, wurde als "Fast-Ethernet" bekannt - ein Name der heutzutage eher verwirrt. Denn aus heutiger Sicht erscheint die Geschwindigkeit gar nicht mehr so "fast". Dennoch dient es gemeinsam mit der 1GBase-T-Technik noch immer für die IT-Kommunikation in vielen Gebäudeverkabelungen als verbreitetes Protokoll. 10Gbase-T ist das derzeit aktuellste Ethernet-Protokoll über Twisted Pair und hundert Mal schneller als das alte Fast-Ethernet. "Schnell" ist also bisweilen ein sehr relatives Attribut. Für die Umsetzung von 10 Gigabit Ethernet sah die IEEE den schon seit 2002 bestehenden Verkabelungsstandard Kategorie 7 (600 MHz) sehr schnell als geeignet an. Schwierig wurde es, als auch der "normale" RJ45 und auch ungeschirmte Kabel für den 10G-Einsatz nutzbar sein sollten. So entstand die neue Kategorie 6A (500 MHz), und zwar mit neu entwickelten Steckverbindern und Kabeln. Gewissermaßen als Zugabe gab es auch neue Messparameter und Probleme, etwa mit dem berüchtigten Alien Crosstalk.   40 Gigabit Ethernet Übertragungsraten jenseits von 10 Gigabit Ethernet sind sicher zunächst keine Notwendigkeit für den Bürobereich. In Rechenzentren ist der Datenhunger jedoch deutlich größer und der Bedarf entsprechend hoch. Nun gibt es bekanntlich bereits 40G-Lösungen für das RZ über LWL (40 GBase-SR) und für Twinax (40GBase-CR4). Seit geraumer Zeit fordern Insider jedoch auch wirtschaftlich attraktive Lösungen auf Twisted-Pair-Basis. Twisted Pair verspricht geringere Kosten bei den Aktivkomponenten, hat eine größere Reichweite im Vergleich zu den sieben Metern von Twinax und unterstützt die wichtige Auto-Negotiation zwischen den verschiedenen Base-T-Protokollen. Doch diesmal sieht alles nach einem spannenden Normierungsprozess aus. Lassen sich 40 GBit/s weiter über 100 m Kupfer übertragen? Reichen die bekannten Kabel- und Steckernormen aus, oder wird es neue Definitionen und Produkte geben? Wo wird die Grenzfrequenz liegen? Diese Fragen diskutieren die Experten derzeit in den Normierungsgremien. Ergebnisse stehen zumindest zum Teil noch aus.   Status quo der 40GBase-T-Diskussion Wenn verschiedene Parteien an einer Sache arbeiten, wird es stets schwierig - um nicht zu sagen politisch. Dies gilt auch in den Normierungsgremien. Die dort mitwirkenden Vertreter der Industrie stellen ihre unterschiedlichen Lösungsansätze vor, und es wird anfänglich viel diskutiert und auch gestritten. Allianzen entstehen und lösen sich auf. Es geht um verschiedene Kompromisse, mit der Hoffnung auf einen gemeinsamen Nenner. Genau so sieht die aktuelle Situation bei TIA und ISO sowie IEEE aus. Verschiedene Seiten der Industrie zeigten zunächst auf, dass symmetrische Verkabelung ausreichend Kapazität für 40G-Ethernet über vier verdrillte Kabelpaare bietet. Obwohl theoretisch möglich, haben sich die Experten allerdings weitgehend von den bisherigen 100 Metern Reichweite verabschiedet. Die Unterstützung von 100 m gilt bei heutigen Stand der Technik als zu kompliziert, und man erwartet, dass die Entwicklungszeit ähnlich wie bei 10GBase-T zu lange wäre. Stattdessen sind einfache aktive Komponenten mit kurzer Entwicklungsphase gefordert.   IEEE Mehrere Untersuchungen haben ergeben, dass in Rechenzentren weit geringere Reichweiten ausreichen und daher eine Reduzierung auf 25 m oder 50 m praxisgerecht ist. Außerdem führt jeder eingesparte Meter zu einer Reduzierung der Energiekosten. Die Techniker erwarten ungefähr eine Verdoppelung der Energiekosten für jeweils zwölf Meter Reichweite. Immerhin machten im September 2012 die Fachleute bei der ISO/IEC einen Anfang und fassten die ersten informellen Beschlüsse. Die Übertragung soll weiter nur über ein einzelnes TP-Kabel erfolgen (und nicht wie bei LWL über mehrere "Lanes"), gefordert ist zudem eine High-Density-Unterstützung von 48 Ports auf einer HE. Dies betrifft vor allem die Größe des Steckverbinders. Es wird keine Unterstützung einer Reichweite von 100 m geben, sondern von weniger als 50 m. Bei der Frequenz sind derzeit verschiedene Werte zwischen 800 MHz und 1.600 MHz im Gespräch. Dabei gilt es, die folgenden Konsequenzen abzuwägen: Höhere Frequenzen erlauben eine einfachere Kodierung, je höher die Frequenz, ist desto höher ist die Dämpfung und damit der Stromverbrauch, und größere Reichweiten bedingen niedrigere Frequenzen.   ISO/IEC Die Experten der ISO/IEC, dem internationalen Gremium für Verkabelung, arbeiten an einer Studie, um der IEEE die Wahl des geeigneten Kabelmediums zu vereinfachen. Derzeit ergeben sich die in Tabelle 1 dargestellten Zahlen. Bemerkenswert ist dabei, dass es jedoch nicht nur um die aufgeführten "bekannten" Komponenten geht, sondern auch um solche, deren Entwicklung noch ansteht. Teilweise ist die Technik auch bereits vorhanden, aber noch nicht normativ definiert. Dies findet sich in Tabelle 2. Zu erkennen ist, dass verschiedene Kabelsysteme möglich sind, um 40G zu unterstützen. Der wesentliche Unterschied besteht in der hohen oder geringen Komplexität der aktiven Bauelemente. Der alte Grundsatz, mehr Qualität im passiven Medium erlaubt weniger Komplexität in den Bauelementen - oder umgekehrt, schlechte Kabel erfordern komplexe Transceiver, bewahrheitet sich wieder einmal.   TIA Im vergangenen Jahr hat auch der Kupferkabelausschuss der TIA ein neues Ethernet-Projekt auf der Grundlage von Kupferkabeln mit einer Übertragungsrate von über 10 GBit/s ins Leben gerufen. Im Oktober 2012 beschloss die TIA eine neue Verkabelungskategorie (Cat. 8) zu prüfen, die auf den bisherigen Cat.-6A-Parametern basiert, jedoch bis zu einem Grenzwert von 2 GHz extrapoliert. Neben der Tatsache, dass die Untersuchungen von TIA und IEC parallel laufen und zum Teil unterschiedlichen Zielen folgen, ist die auch unterschiedliche Nomenklatur für den Anwender verwirrend. Der Begriff "Cat.8" besagt nicht, dass es sich dabei um eine Erweiterung der Kategorie 7A handelt. Zwar ist bei der "Cat.8" die Frequenz bis 2.000 MHz ausgelegt, es handelt sich jedoch nicht um eine tatsächlich "bessere" Verkabelung. Die Frequenzverläufe von Dämpfung und NEXT der Cat.6A sind extrapoliert. Dies führt zu einem negativen ACR ab 500 MHz. Zum Vergleich: Die ISO-Kategorie 7A hat sogar bei 1.000 MHz immer noch +10 dB positives ACR. Die TIA Cat.8 ist also bei Weitem nicht besser als die ISO-Kategorie 7A.   (Zwischen-)Fazit Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels sind noch viele Fragen offen. ISO/IEC, TIA und IEEE haben sich zur nächsten Ethernet-Generation über Kupfer bekannt. Niemand kann jedoch schon jetzt verbindlich voraussagen, welche maximale Übertragungslänge es geben wird, oder wo die oberste Grenzfrequenz liegt. Auch was die Komponenten angeht, ist noch vieles in der Diskussion. Was ist also zu tun, wenn ein Betreiber heute ein RZ-Netz möglichst zukunftssicher planen will? Auf dem Markt sind schon heute Komponenten verfügbar, die mehr leisten können, als die Kategorie-7A-Norm spezifiziert - bis hin zu 1.600 MHz. Ob diese Bandbreite für 40GBase-T notwendig sein wird, ist heute noch nicht abzusehen. Zumindest stellen solche "erweiterten" Komponenten das derzeit technisch Machbare dar, sodass zu vermuten ist, dass jede andere Spezifikation für 40G eher geringer ausfallen wird. Mit solchen Komponenten sind Betreiber auf der sicheren Seite. Allerdings ist bei der Planung des RZs zu berücksichtigen, dass die 100 m Reichweite nicht mehr gelten werden. Derlei Längen sind allerdings gerade im Rechenzentrum auch eher selten und daher in der Praxis weniger kritisch.

Tabelle 2. Noch nicht normierte oder künftige Komponenten für eine Übertragung von mindestens 40GBit/s.

Bild 1. NEXT-Anforderungen für verschiedene Kategorien.

Tabelle 1. ISO/IEC 11801-99-1 Draft: Information Technology - Verkabelungsrichtlinien für eine Übertragung von mindestens 40GBit/s.
LANline.

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