Plädoyer: Mehr Nachhaltigkeit für das Netzwerk

Nur ein Hype oder unverzichtbar?

5. Mai 2023, 7:00 Uhr | Rainer Schmidt/jos
© Wolfgang Traub

Wirtschaftlich und gleichzeitig ökologisch handeln: Dies ist anerkanntermaßen kein Widerspruch. Aber was ist wirklich nachhaltig? Die meisten Lebensmittel sind heute nachhaltig produziert – heißt es seitens der Anbieter. Jedes neue Auto wird als nachhaltig verkauft. Was aber genau bedeutet Nachhaltigkeit? Und was haben die IT-Branche und insbesondere das Netz damit zu tun?

Es gilt also zunächst, den Begriff Nachhaltigkeit zu entschlüsseln und dadurch die Aufmerksamkeit fort vom grünen Marketingdeutsch auf das Wesentliche zu lenken. Zudem sollte die Branche die Frage beantworten, was jetzt zu tun ist, damit sie das Thema nicht – weiter – überrollt.

Versuch einer Begriffsbestimmung

Nachhaltigkeit (Sustainability) beruht auf dem Grundgedanken, alles in einem zusammenhängenden Prozess und als Kreislauf zu betrachten und dadurch rechtzeitig Erkenntnisse zu gewinnen, Material und Ressourcen von der Produktentwicklung bis zur Wiederverwertung sinnvoll, sparsam und umweltverträglich einzusetzen. Hinzu kommen auch soziale Aspekte und Festlegungen zur Umsetzung innerhalb des Unternehmens (Social Governance). Anders gesagt: Nachhaltigkeit ist ein umfassender Verbesserungs- und Optimierungsprozess unter Einbeziehung von substanziellen Umweltaspekten sowie Sozial- und Governance-Themen, also etwa Steuerung oder rechtliche Rahmenbedingungen.

Optimierung ist bekanntlich tägliches Brot für alle Firmen, die wirtschaftlich agieren müssen. Schon seit Langem bringen Unternehmen ihre Wertschöpfung mit Umweltaspekten in Einklang. Nicht zuletzt die hohe Anzahl an ISO-14001- oder EMAS-Zertifizierungen sprechen dafür. Auch die Energieeffizienz der Produkte, die Nutzung von regenerativer Energie, Optimierungen bei der Verpackung sowie Dokumentation, Lagerung und Logistik etc. gehören dazu. Dennoch lässt der Begriff Nachhaltigkeit manche Verantwortliche in den Unternehmen hochschrecken.

Ein besonderer Aspekt ist seit dem Pariser Klimaschutzabkommen der CO2-Ausstoß. Der weltweite Konsens, die globale Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius, besser noch auch 1,5 Grad Celsisus zu begrenzen, bedeutet für Unternehmen, ihr Commitment auch sichtbar zu machen, also öffentlich zu erklären, wie man Ziel der CO2-Neutralität erreichen will. Dahinter steckt der Ansatz, jedem Produkt oder jeder Dienstleistung sein Äquivalent an CO2-Ausstoß zuzuordnen – der sogenannte CO2-Fußabdruck. Unabhängig von der Frage, ob dies allein als Indikator zur Bewertung von Nachhaltigkeit ausreicht, kann der „Footprint“ als eine wichtige Kennzahl gelten.

Dann bedeutet dies: Unternehmen müssen in der Zukunft für all ihre Produkte den CO2-Ausstoß bei der Gewinnung und Verarbeitung von Materialien und die Auswirkungen auf den CO2-Verbrauch in der Nutzungsphase kennen. Auch für diese enorme Datenansammlung hat die moderne Welt ein Konzept: den digitalen Zwilling. All dies ist keine Zukunftsmusik. Während in den Medien und in der Öffentlichkeit noch diskutiert wird, was Nachhaltigkeit alles bedeuten kann, ist im Hintergrund schon eine riesige Maschinerie angesprungen, die vor allem in größeren Firmen und Konzernen solche digitalen Zwillinge entstehen lässt.

Lohnt sich der Aufwand?

Nachhaltigkeit benötigt Daten und verlangt also konsequente Digitalisierung. Nur damit lassen sich die benötigten Informationen erfassen, ordnen und formatieren. Dies kostet natürlich selbst Energie und eine Menge weiterer Ressourcen. Wollte man diese jedoch nicht gerade einsparen, um nachhaltig zu agieren? Dazu gehört folglich eine entsprechende Kalkulation, damit man erklären kann, dass man später mehr Ressourcen einspart, als jetzt gerade zusätzlich investiert. Und wie soll später eine umfassende Rechnung zur CO2-Neutralität von Produkten und Dienstleistungen aussehen? Das Ganze klingt wie die Frage nach einer Weltformel, an der schon Goethes Faust gescheitert ist.

Eine Lösung könnte sein, in dieser Frage eher der Erfahrung zu folgen – technischer Fortschritt hat die Menschheit letztlich immer weitergebracht. Man vertraut auch beim Thema Nachhaltigkeit auf Innovation – und auf die IT als wichtiges Werkzeug zur Umsetzung. Da allerdings feststeht, dass sich nicht alles bis ins letzte Detail berechnen lässt, ist es umso wichtiger, mit Verstand an die auftretenden Fragen heranzugehen.
Dies bedeutet unter anderem auch, zu Kompromissen und Vereinfachungen bereit zu sein und nicht zu versuchen, ungelöste Fragen mit immer noch mehr Formularen und Regelungen zu „erschlagen“. Dies funktioniert nicht und kostet unnötig immense Ressourcen. Als Beispiel können Zertifizierungen herhalten, die es mittlerweile von allem und jedem gibt. Das hat dazu geführt, dass heute eine ganze „Zertifizierungsindustrie“ existiert. Ob so etwas im bestehenden Umfang sinnvoll ist, geschweige denn wirtschaftlich oder sogar nachhaltig, darf ernsthaft bezweifelt werden. Die Politik hat in diesem Umfald bereits mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und weiteren Bestimmungen Rahmenbedingungen gesetzt. Es liegt jetzt auch an den Firmen selbst, Nachhaltigkeit in der Strategie zu verankern und für eine zügige und sinnvolle Umsetzung zu sorgen.

In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) auf. Darunter ist die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens zu verstehen. In der Praxis verwenden viele Unternehmen die Begriffe CSR und Nachhaltigkeit weitgehend synonym. Die Aktivitäten zum digitalen Zwilling, IoT oder Industrie 4.0 – alles zielt auf eine umfassendere Sichtweise von Abläufen und Prozessen hin, die ineinandergreifen und so die Effizienz erhöhen und gleichzeitig auch nachhaltig wirken können.

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