Das schwächste Glied

Qualität von LWL-Patch-Kabeln

30. Juli 2014, 6:00 Uhr | Lee Funnell, technischer Manager bei Siemon, www.siemon.com./jos

Viele Probleme, die in Zusammenhang mit der physischen Ebene Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines IT-Netzwerks nehmen, lassen sich auf die mangelhafte Qualität von Glasfaser-Patch-Kabeln zurückführen. Fakt ist, dass die Zuverlässigkeit und Übertragungsleistung eines Netzwerk-Ports nur so gut sind wie die Verkabelung, an die dieser angeschlossen ist.Das Problem der Zuverlässigkeit gilt insbesondere für Glasfaserverbindungen, bei denen bereits scheinbar minimale Abweichungen innerhalb der engen Toleranzfelder der Verbindungstechnik zu erheblichen Leistungseinbußen in der Übertragung führen können. Während sich ein gewisser Prozentsatz an Leistungsproblemen durch Messungen der installierten Verkabelungsstrecken identifizieren lässt, bringen Feldmessungen der Einfügedämpfung nicht alle potenziellen Fehlerquellen ans Tageslicht und reichen meist nicht aus, um eine durchgängig hohe Leistung der Glasfaserverkabelung zu garantieren.   Feldmessungen und vertragliche Verpflichtungen Bei der Vorbereitung einer Abnahmemessung an der fest verlegten Verkabelungsstrecke (Permanent Link) wie auch am gesamten Übertragungskanal (Channel) stellen Installateure im Allgemeinen mehre Punkte sicher: Die Glasfaser-Stirnflächen müssen sauber sein. Die Installateure müssen die richtigen Einstellungen in ihren Messgeräten vorgenommen haben. Zudem halten sie ein bestimmtes Dämpfungsbudget für die Glasfaserstrecke im Auge. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird den Installateur ein "Pass", also eine bestandene Messung, zufriedenstellen, und dieses Messergebnis sollte auch für den Endkunden hinreichend aussagekräftig sein. In der Realität gibt es jedoch noch weitere Faktoren, die von der beauftragten Installationsfirma zu berücksichtigen sind, insbesondere dann, wenn das Glasfasernetz für ein Unternehmen gleichsam Dreh- und Angelpunkt seiner Geschäftstätigkeit ist. Ein Kunde, dessen Geschäftserfolg in hohem Maße von seinem Glasfasernetz und der Verbindungstechnik abhängt, sollte sehr daran interessiert sein, mit zuverlässigen, hochwertigen Glasfaserkabeln und Patch-Kabeln einen möglichst hohen Return on Investment zu erzielen.   Optische Leistung Es ist jedoch nicht trivial, festzustellen, dass er auch genau diese hohe Qualität bekommt, wenn eine Feldmessung nicht alle potenziellen Probleme in der Übertragungsleistung der Einfügedämpfung an der verlegten Verkabelung aufdeckt. Einfügedämpfung und Rückflussdämpfung sind grundlegende Kenngrößen, die der Techniker zur Überprüfung der Eignung von Permanent Links und Channels für die beabsichtigte Netzwerkanwendung heranzieht. In der Regel dient die Einfügedämpfung als Grundlage für die Abnahmemessungen an Permanent Links und an Channels. Die Einfügedämpfung ist zwar typischerweise die einzige von den Standards im Feld geforderte Messung, dennoch ist sie nicht die einzige Kenngröße, die für die Leistung und Zuverlässigkeit des Netzwerkes ausschlaggebend ist. Rückflussdämpfung, Stirnflächengeometrie, Sauberkeit, Oberflächendefekte und mechanische Integrität sollte der Techniker ebenfalls prüfen, um eine dauerhaft zuverlässige Funktion abzusichern.   Rückflussdämpfung Wenngleich die Messung der Rückflussdämpfung in der verlegten Verkabelung keine normative Forderung der Industriestandards ist, so ist sie doch für die Glasfasersteckverbinder und Verbindungstechnik (wie Patch-Kabel) unerlässlich. Die Rückflussdämpfung hat einen bestimmenden Einfluss auf die Leistung von Permanent Link und Channel, da die reflektierten optischen Signale sowohl in Sende- als auch Empfangsrichtung Störungen in den Empfängern verursachen können. Diese Reflexionen verringern den Signal-Rausch-Abstand, was im Augendiagramm darstellbar ist. Eine geringere Rückflussdämpfung und damit schlechtere Übertragungsleistung äußern sich in einer kleineren vertikalen Augenöffnung (Augenhöhe). In gleicher Weise deckt eine bidirektionale Messung mit beiden Wellenlängen Abweichungen auf, die die optische Leistung der Übertragungsstrecke beeinträchtigen können.   Stirnflächengeometrie Die Gesamtperformance der LWL-Anschlussrechnik hängt genauso von den mechanischen Eigenschaften ab, die die Ausrichtung und den physischen Kontakt der Glasfaserkerne bestimmen. In diesem Zusammenhang ist die Stirnflächengeometrie eine wesentliche Eigenschaft und entscheidend für wiederholbare, zuverlässige Steckverbindungen im Glasfasernetz. Die drei leistungskritischen Fertigungsparameter für die Stirnflächengeometrie von Steckerbindern sind: Krümmungsradius (ROC): Die Rundheit der Ferrulenstirnfläche, denn diese ist ballig geschliffen. Der Krümmungsradius kontrolliert die Verteilung des Anpressdrucks an der Ferrulenstirnfläche, Apex-Offset (Scheitelversatz): Mittenversatz, also der Abstand, um den der höchste Punkt der gewölbten Ferrulenstirnfläche aus der Mittellinie des Faserkerns versetzt ist, und Faserüberstand und -rückstand: Dies ist die Höhe, die die Glasfaser gegenüber der Ferrulenstirnfläche übersteht oder unterschnitten ist. Die Faser muss möglichst bündig mit der Ferrulenstirnfläche abschließen, sonst entsteht ein Luftspalt oder die Faser wird beschädigt. Da die Qualität der Glasfaser und Passgenauigkeit in der Steckverbindung von der Stirnflächengeometrie abhängt, ist diese auch rigoros zu kontrollieren. Nur so lässt sich das Versprechen einhalten, dass die Verkabelung uneingeschränkt steckbar und interoperabel ist. Eine mangelhafte Überprüfung der Stirnfläche birgt ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine bestandene Feldmessung zwar zu Anfang alles schön beschreibt, der Ärger jedoch vorprogrammiert ist.   Verunreinigungen und Defekte Faserbrüche und Verschmutzung an Ferrulen, Führungshülsen und Staubkappen sind die Ursache für eine hohe Varianz sowohl bei der Einfügedämpfung als auch der Rückflussdämpfung. Diese Probleme sind von der Stirnflächengeometrie völlig unabhängig, haben jedoch einen ebenso großen Einfluss und machen sich auch in den Abnahmemessungen der Verkabelung bemerkbar, die allerdings mit grenzwertigen Ergebnissen eventuell sogar noch ein "Pass" ergibt. Das Kritische dabei ist, dass die Netzwerkintegrität mit solchen Verunreinigungen und Brüchen untergraben wird, sodass die optische Leistung stark variieren kann und nicht mehr vorhersagbar ist. Defekte der Faser und Faserstirnfläche sowie mangelhafte Reinigung zählen zu den Hauptfeinden der Glasfaser, sind jedoch nicht immer durch Messung der Einfügedämpfung aufgedeckt. Eine an der Oberfläche saubere Glasfaser kann dennoch einen Faserbruch aufweisen, was nicht zwangsläufig bei der Prüfung der Stirnflächengeometrie auf Krümmungsradius, Apex-Offset und Faserhöhe auffällt. Da die Sauberkeit der LWL-Patch-Kabel sowohl während der Herstellung als auch während der Installation und bei jeder erneuten Steckung einen entscheidenden Einfluss auf die Zuverlässigkeit und die optische Leistung hat, sollte eine Prüfung der Stirnfläche bei Patch-Kabeln auf Sauberkeit und Oberflächendefekte mit einem Inspektionsmikroskop gemäß IEC 61300-3-35 und IEC 62627 erfolgen und die darin beschriebenen Reinigungsverfahren ebenfalls zur Anwendung kommen. Große Partikel können zum Beispiel eine Barriere bilden, die den physischen Kontakt verhindert, wohingegen sich kleinere Partikel unter fünf Mikrometer in die Oberfläche einlagern können und zu Einschlägen und Ausbrüchen führen. Eine nicht normkonforme Stirnflächengeometrie und Verunreinigungen sind die Hauptursachen für nicht wiederholbare Messergebnisse bei den Feldmessungen und dafür verantwortlich, dass Zeit und Arbeitskraft für die Fehlersuche an der Glasfaserverkabelung verloren gehen. Diese Probleme schlagen sich bereits in einem grenzwertigen Ergebnis bei der Abnahmemessung der installierten Verkabelung eines Glasfasernetzes nieder. Angesichts des Zeitdrucks, dem die Installateure zumeist ausgesetzt sind, wiederholen sie die die Messung manchmal einfach so oft, bis ein "Pass" erscheint. Solange die mangelhaften Patch-Kabel nicht ersetzt werden, bergen diese später im Betrieb des Netzwerkes das Risiko einer unakzeptabel hohen Einfügedämpfung in der Übertragungsstrecke. Darüber hinaus besteht noch ein anderes Problem: Verunreinigungen sind wie ein Virus, der auch auf die Referenz-Patch-Kabel und die Geräteanschlüsse übergeht. Selbst wenn der Techniker das "infizierte" Patch-Kabel ersetzt, lässt sich der angerichtete Schaden oft nicht mehr rückgängig machen. Während der Herstellung liegt die Sauberkeit der Glasfaser-Patch-Kabel in den Händen des Herstellers. Danach jedoch ist es Sache des Installateurs, sich genau an die vorgeschriebenen Installationsmethoden zu halten, also etwa die Staubkappen auf den Steckverbindern zu belassen, bis das Patch-Kabel angeschlossen ist. Zudem muss er für die Überprüfung der Sauberkeit ein Inspektionsmikroskop und das entsprechende Zubehör zur Reinigung zu verwenden.   Mechanische Zuverlässigkeit Hinsichtlich der mechanischen Zuverlässigkeit fordern die Industriestandards verschiedene Tests. Dazu zählen Biegeprüfung, mechanische Zugprüfung, Prüfung auf Torsion, auf Zugfestigkeit von Faser- und Kabelanschluss, Schlagprüfung, Schwingprüfung, mechanische Lebensdauer (Steckzyken) und Übertragung mit angelegter Zugkraft. Diese mechanischen Tests sollen sicherstellen, dass Glasfaser-Patch-Kabel bei Verlegung und Wartung in einem typischen Glasfasernetz keinen Schaden nehmen und dass sie genauso zuverlässig den Belastungen im Steckergehäuse standhalten, die im Laufe der Zeit in den verschiedenen Umgebungsbedingungen durch die federnd gelagerten Ferrulen in der Steckverbindung auftreten können.   Schlussfolgerung Während Glasfaser-Patch-Kabel bei der Messung der Einfügedämpfung zumeist bestehen, haben andere leistungskritische Kenngrößen wie Stirnflächengeometrie, Rückflussdämpfung, Passgenauigkeit, mechanische Zuverlässigkeit, Defekte der Faser und Faserstirnfläche sowie Sauberkeit einen genauso hohen Stellenwert. Diesen zusätzlichen Kenngrößen sollte große Beachtung genießen, um die Integrität der installierten Glasfaserverkabelung zu gewährleisten. Die Industriestandards fordern für die Abnahmemessung als einzigen Parameter die Messung der Einfügedämpfung. Deshalb ist es absolut notwendig, dass alle Glasfaserkabel, Patch-Kabel und Komponenten vollständig normkonform sind. Eine Möglichkeit dies abzusichern besteht darin, nur solche Patch-Kabel zu verwenden, die nachweislich auf Einfüge- und Rückflussdämpfung in beiden Richtungen und mit beiden Wellenlängen geprüft sind. An dieser Stelle liegt eine große Verantwortung beim Hersteller. Er sollte nur qualitativ hochwertige Materialien verwenden. Zudem muss eine Prozesssteuerung während der gesamten Herstellung einschließlich Endkontrolle und Messung erfolgen. Diese höhere Qualität hat natürlich auch einen höheren Preis. Minderwertige Glasfaser-Patch-Kabel kosten zwar beim Einkauf weniger, doch hinterher umso mehr - wenn der Techniker mit viel Aufwand der Fehler suchen und schließlich das Patch-Kabel austauschen muss. Mit hochwertigen Patch-Kabeln kann er das "schwächste Glied" aber durchaus stärken.

Stirnflächenverunreinigung und Oberflächendefekte.

Beispiele der Messung von Apex-Offset und Krümmungsradius.

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