LWL-LAN-Verkabelung in der Praxis

Staubgeschützt

4. September 2005, 23:16 Uhr | Heinz Wollenweber/jos

Für eine Verkabelung mit Lichtwellenleitern spricht unter anderem der Bandbreitenvorteil. Geeignete Steckersysteme erleichtern eine Installation auch unter ungünstigen Umgebungsbedingungen, wie ein Praxisbeispiel bei der Deutschen Welle in Bonn zeigt. Neben typischen Projektproblemen gab es dabei auch ganz individuelle Hürden zu überwinden.

Bislang sind Lichtwellenleiter (LWL) auf den Schreibtischen der Endnutzer kaum angekommen. Man
begnügte sich dort zunächst mit bescheidenen Datenraten über die überall vorhandenen
Zweidrahtkupferleitungen – per Modem oder besser mit 64 kBit/s bei ISDN und erreicht erst
neuerdings bei DSL mit bis zu 1,5 MBit/s respektablere Werte, die manchen "entnervten" Surfer
aufatmen lassen. Beim Anschluss größerer Institutionen an das LWL-Netz geht man im Allgemeinen auch
heute noch auf den letzten zehn bis 100 Metern auf Zweidrahtkupferleitungen oder Koaxialleitungen
über und kann auf diese Weise bis zu 100 MBit/s Übertragungsrate erreichen – Geschwindigkeiten
also, die kaum noch Wünsche offen lassen. Warum also die aufwändigere Glasfasertechnik bis zum
Arbeitsplatz?

Eine Antwort liefert das Praxisbeispiel der LWL-Verkabelung bei der "Deutschen Welle" in Bonn,
der deutschen Rundfunk- und Fernsehstation für die ganze Welt mit Ausnahme Deutschlands. Das
Projekt stellte nach Auskunft der Beteiligten eine besondere technische Herausforderung dar. Die
Anforderungen gehen weit über den bloßen Versand und Empfang üblicher Datenpakete hinaus, denn
neben der EDV, der Kommunikation und Recherche sollen auch die digitalen Audiosignale der
Hörfunksendungen über das Netzwerk laufen.

Die Ausgangssituation war allerdings nicht gerade einfach: Ein vom Rheinhochwasser im Dezember
1993 überfluteter Rohbau, noch als Abgeordnetenhaus der Bundesregierung seinerzeit in Bonn geplant
(und nach dem damaligen Architekten häufig als "Schürmann-Bau" bezeichnet), wurde von der Deutschen
Welle übernommen, durch weitere Bauten auf einen Komplex von neun Gebäuden ergänzt und zur heutigen
Rundfunkanstalt ausgebaut. Die Kommunikationslinien in und zwischen den Gebäuden waren für den
Bedarf des Senders zu optimieren. Für die Ausrüster bedeutete dies eine Herausforderung, die sich
in zwei Punkten zusammenfassen lässt:

Entfernungen zwischen den Bereichsverteilern und den Arbeitplätzen von in
vielen Fällen weit über 100 Meter schlossen nach dem damaligen Stand der Technik eine
TP(Twisted-Pair)-Kupferdrahtverkabelung aus. Es kam also nur eine LWL-Verkabelung in Betracht.

Aufgrund der baulichen Gegebenheiten wäre eine spätere Nachverkabelung bei
wachsendem Bedarf mit vertretbaren Mitteln nahezu unmöglich, daher musste das Netz mit hoher
Reserve ausgelegt werden – auch unter diesem Gesichtspunkt war die LWL-Technik der geeignete
Ansatz, und zwar komplett vom Server im Rechenzentrum bis zum Rechner am Arbeitsplatz ("Fiber to
the Desk" oder Glasfaserbreitbandausstattung des Arbeitsplatzes).

Willkommener Begleiteffekte der LWL-Technik sind im Vergleich zum Kupfernetz bei gleicher
Anschlussdichte ein deutlich verringerter Verlegesystembedarf, geringere Brandlasten auf den
Kabelwegen, und vor allem entstehen keine EMV-Probleme. Die LWL-Technik sei zudem unschlagbar, was
die Übertragungsbandbreite anbetrifft, sodass schon aus diesem Grunde auch ein Funknetz nicht in
Frage gekommen wäre, so die Planer.

Anforderungen

Nachdem die Entscheidung für die LWL-Technik getroffen war, galt es, diese unter den
Rahmenbedingungen für den störungsfreien Betrieb der Rundfunkanstalt auszulegen. Konkret bedeutete
dies: Der Betrieb einer Rundfunkanstalt erfordert eine kompromisslose Zuverlässigkeit des Netzes
bei sehr hohen Datenraten. Eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren wird vorausgesetzt. Neuralgische
Punkte des Netzes stellen die Verteilungen und Verbindungen dar.

Realisierung

Das Netz wurde hierarchisch strukturiert. Das Primärnetz verbindet das Rechenzentrum mit dem
Datenhauptverteiler und dem Sendesekundärdatenverteiler, das Sekundärnetz verbindet diese in einer
Doppelsternstruktur mit den Bereichsverteilern jedes Hauses, beide bilden zusammen den Backbone,
der mit 1000 km 50/125µm- und 9/125µm-Fasern bestückt wurde. Die Tertiärverkabelung von 1500 km
50/125µm-Fasern schließt die Bereichsverteiler (Patch-Felder in Bild 4) in den Untergeschossen der
Gebäude über Vertikalschächte und estrichüberdeckte Kanäle in den Böden an Bodentanks in den
Arbeitsräumen an. Etagenverteiler waren nicht vorgesehen. So stehen an jedem Arbeitsplatz
mindestens ein Bodentank mit vier LWL-Duplexanschlüssen neben den Anschlusspunkten für Telefon und
Programmverteilanlage zur Verfügung.

LWL-Duplexkabel unterschiedlicher Länge sorgen für den Anschluss der Geräte in den Studios.
Außerdem sind die technischen Geräteräume für die Produktions- und Sendestudios über
LWL-Faserbündel mit den Bereichsverteilern verbunden. Eine unabhängige LWL-Netzstruktur verbindet
die Haustechnikzentrale mit den peripheren Steuerungs-, Melde-, und Sicherheitseinrichtungen.

Zu beachten war bei den Arbeiten besonders die rasche Ausführung bis zum Verschließen der
Kabelkanäle, um Beschädigungen durch Handwerker, die in anderen Gewerken gleichzeitig unterwegs
waren, zu verhindern. Besonderes Gewicht fiel dabei der Verbindungstechnik zu, dem Spleißen. Hier
hatte man sich für das optische Verkabelungssystem "Flexos" von Diamond (vormals Fibercraft) mit
dem Steckverbinderstandard E-2000 entschieden, das bei vorgefertigter Steckerpräzision die rasche
Ausführung der Spleiße vor Ort ermöglichen sollte. Laut Hersteller erlaubt das Produkt eine
Montagetechnik, die ein von Umgebungsbedingungen weitgehend unabhängiges Arbeiten erlaubt. Diese
Technik bestand ihre Bewährungsprobe, denn der Baufortschritt geriet immer wieder ins Stocken,
sodass extremer Termindruck entstand, außerdem standen die Arbeiten zum Teil in sehr
staubbelasteter Umgebung an.

Die Fusion-Technik

Eine besondere Vorgehensweise soll dafür sorgen, präzise und für Ein-Moden-Fasern geeignete
Verbindungen vor Ort mit geringem Zeitaufwand herzustellen. Die Idee ist eigentlich recht einfach:
Man bestückt im Werk unter sehr gut kontrollierbaren Bedingungen Präzisionsstecker mit einem
Faserstück, einem "Pigtail", nimmt diese Steckerfasereinheit mit vor Ort und spleißt das Pigtail an
die verlegte Faser mithilfe eines tragbaren Steckerspleißgeräts. Letzteres ist durch Justieren der
zu spleißenden Enden in einer V-Nut ein Standardverfahren selbst für Ein-Moden-Fasern. Der Spleiß
wird durch Auftragen eines Epoxids und Einschließen in zwei Halbschalen geschützt.

Das Ganze kann relativ schnell (rund drei Minuten) an Ort und Stelle erfolgen. Eine Verbindung
zweier Fasern besteht also aus zwei Spleißen und der mechanischen Steckverbindung, die ihrerseits
aus zwei Steckern und einer zentrierenden Hülse besteht, in die die beiden ballig polierten
Faserstirnflächen durch leichten Federandruck in optischen Kontakt gebracht werden. Unter typischen
Arbeitsbedingungen im Feld erreicht man einen Einfügeverlust von weniger als 0,5 dB und eine
Rückflussdämpfung von mehr als 65 dB der kombinierten Spleiß- und Steckverbindung – Werte, die auch
eine Aufeinanderfolge mehrerer Verbindungen zulassen.

Netzeigenschaften

Das Glasfasernetz der Deutschen Welle am Bonner Standort verbindet zwölf ATM-Switches und Router
mit je zwei OC-12-Schnittstellen im Primärbereich, verteilt auf Datenhauptverteiler und
Sekundärdatenverteiler, die den Backbone bilden. Angeschlossen an diese Backbone-Switches wiederum
sind die peripheren Switches der Bereichsverteiler. So ergibt sich eine intensive Vermaschung auf
der Basis von OC-12-Verbindungen mit je 622 kBit/s.

Diejenigen Systeme, die die acht Programmschienen mit den laufenden Sendeprogrammen bedienen,
verbindet ein eigenes Netzwerk mit fünf ATM-Switches mit den Servern des Audioproduktionssystems.
Auch hier gibt es mehrfache Redundanz bezüglich der Netzwege. Die verwendeten Laserwellenlängen
liegen bei 1300 nm. In den Bereichsverteilern setzen Medienwandler (optisch-elektrisch-optisch) die
Signale der 10/100BaseT-Ethernet-Schnittstellen der Bereichsverteiler-Switches in entsprechende
100Base-FX-Lichtwellensignale um. Insgesamt stellt das Netzwerk rund 2400 aktive Schnittstellen für
Endgeräte zur Verfügung.

Der Tertiärbereich besteht in der Regel aus der Patch-Verbindung zwischen Medienwandler und
Patch-Feld als Bestandteil der Kabelinfrastruktur, die dann zum Aufstellungsort des Endgeräts führt
und in einem Bodentank endet, und dem LWL-Anschlusskabel zum Endgerät. Aufgrund der niedrigen
Einfügedämpfung des verwendeten Verbindersystems sind jedoch auch Patch-Verbindungen mit mehr
Teilstrecken möglich und in Betrieb.

In diesem System sind in jedem Teilstück die Fasern so aufgelegt, dass sich bei Blick auf die
Steckverbinder bezüglich der "Nase" eine seitliche Vertauschung der Hin- und Rückleitungsfasern
ergibt. Eine Verbindung, bei der ein gesendetes Lichtsignal auf einen Empfänger trifft, besteht
also immer aus einer ungeraden Anzahl von Teilstrecken. Die Rechner an den Arbeitsplätzen sind mit
entsprechenden Interface-Karten, die elektrooptische Wandler enthalten, ausgestattet und erlauben
eine Datenrate von 100 MBit/s. In bestimmten Fällen (Netzwerkdruckern, Laptops) müssen auch am
Anschluss- ort externe Medienwandler eingesetzt werden.

Natürlich liegen nach nur einem Jahr Betrieb noch keine Langzeiterfahrungen vor. Im Hinblick auf
den Aufbau des Glasfasernetzwerks unter teilweise denkbar ungünstigen Bedingungen (unbeheizter
Rohbauzustand) und der damit verbundenen anfänglichen Staubbelastung der Umgebung habe sich die
Qualität der Steckverbinder mit der neusilberveredelten Kontaktfläche, dem integrierten
mechanischen Schutz und dem stabilen und dämpfungsarmen Spleiß bewährt. Die Inbetriebnahme war nach
Auskunft der Beteiligten problemlos, und bisher gab es auch noch keine nennenswerten Ausfälle.


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