Praxis: Neuvernetzung der Stadtsparkasse München

Steckverbinder mit Perspektive

20. Januar 2006, 0:15 Uhr | Manfred Patzke/jos Manfred Patzke ist Berater und Planer für anwendungsneutrale Kommunikationsanlagen.

In Verkabelungsprojekten in gewachsenen Umgebungen kommt es häufig sehr auf die Details an: Zum einen muss eine gewisse Rückwärtskompatibilität garantiert sein, andererseits ist die Investition möglichst auf Jahrzehnte hin zu sichern. Bei der Neuverkabelung der Stadtsparkasse München erwies sich besonders der eingesetzte Steckertyp als wichtig.

Die Randbedingungen des Verkabelungsprojekts bei der Stadtsparkasse München (siehe Kasten auf
Seite 73) dürfen getrost als relativ typisch gelten: Die Hauptstelle umfasst rund 345 Arbeitsplätze
mit zum Teil sehr unterschiedlichen Anforderungen. Die Ausstattung der Arbeitsplätze reicht von
einem Telefon und PC bis hin zu mehreren PCs und mehreren Telefonendeinrichtungen. Bisher wurden
für die Versorgung der unterschiedlichen Dienste separate Verkabelungen genutzt. Die
Telefonverkabelung basierte immer noch auf herkömmlichem J-Y(St)Y-Kabel und TAE-Anschlussdosen am
Arbeitsplatz. Neben Telefon nutzen die meisten Mitarbeiter derzeit noch Token Ring (16 MBit/s) als
Netzwerktechnik ihrer Arbeitsplatzrechner und Drucker im Bereich der tertiären Verkabelung. Für die
Datenanbindung wurde im Wesentlichen das im Jahre 1991 installierte IBM-Typ-1-Kabel mit IVS-Stecker
(150 Ohm) eingesetzt. Erweiterungen führten die Techniker seit dem Jahr 2000 in 100-Ohm-Technik mit
RJ45-Anschlusskomponenten aus. Bei der Sekundärverkabelung setzt das Unternehmen seit 2002
LWL-basierende Verbindungen ein. Neben der sehr heterogenen Netzstruktur kommt hinzu, dass die
Büroflächen in der Hauptstelle von unterschiedlichen Stockwerksverteilern in verschiedenen
Gebäudeteilen aus angeschlossen sind.

Das Kommunikationskabelnetz soll nun den neuen Anforderungen angepasst, aber auch für zukünftige
Bedürfnisse gerüstet sein. Der Bereich OA-SM-Netzwerk und Sicherheit, geleitet von Robert Burschik,
zeichnet für die Sanierung der Sprach- und Datenverkabelung in der Hauptstelle verantwortlich. Die
Verkabelung selbst wird vollständig durch diesen Fachbereich geplant, überwacht und abschließend
von der ausführenden Fachfirma (im beschriebenen Projekt Markscheffel aus München) abgenommen und
an die Anwender übergeben.

Zunächst stand die Frage nach der notwendigen Qualität der neuen Verkabelung. Hier war man sich
sehr schnell darüber im Klaren, dass mindestens Klasse E nach der neuen Verkabelungsnorm DIN EN
50173-1 installiert werden muss, um zukünftige Anwendungen wie zum Beispiel Gigabit Ethernet
(1000Base-T) sicher zu den Arbeitsplätzen zu transportieren. Auch stand fest, dass nur eine voll
geschirmte Verkabelung in Frage kam, um die hohen Sicherheitsanforderungen gewährleisten zu können,
die im Bankenbetrieb unumgänglich sind.

Aufgrund dieser Anforderungen ergab sich zwangsweise als zu verlegender Kabeltyp ein PiMF-Kabel
(Paar in Metallfolie). Da dieser Kabeltyp konstruktionsbedingt nahezu automatisch die Anforderungen
der Kategorie 7 erfüllt, lag nun der Gedanke an die nächst höhere Übertragungsstreckenklasse F, die
zudem auch noch mehr Leistungsreserven bietet, nahe. Denn einziger Unterschied zwischen der Klasse
E und der Klasse F ist damit nur noch die Qualität der Verbindungstechnik an beiden Kabelenden.

Eine Frage der Norm

Die deutsche Norm für anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen DIN EN 50173-1 ist gleich
lautend mit der europäischen EN 50173-1 und inhaltlich abgestimmt auf die internationale Norm
ISO/IEC 11801 Ausgabe 2002. Diese Normen wurden Anfang der 90er-Jahre entwickelt und 1995 erstmals
veröffentlicht. Seinerzeit war die höchste definierte Verkabelungsqualität die Klasse D, deren
elektrische, frequenzabhängige Eigenschaften bis 100 MHz spezifiziert waren. Gleichzeitig schrieb
man, um dem Endanwender den Anschluss von Endgeräten zu erleichtern, das Steckgesicht (Interface)
an der Anschlussdose am Arbeitsplatz fest. Hier wurde der damals bereits weltweit am häufigsten
eingesetzte achtpolige Steckverbinder gemäß IEC 60603-7, allgemein als RJ45 bezeichnet,
ausgewählt.

Mit der Erweiterung der Verkabelungsnormen im Jahre 2002 in der jetzt gültigen Fassung um die
Streckenqualitäten Klasse E (spezifiziert bis 250 MHz) und Klasse F (bis 600 MHz) sind jedoch die
technischen Grenzen des RJ45 erreicht. Da die Anforderungen für die Komponentenqualifikation der
Kategorie 7, die für die Erreichung der Streckenqualität Klasse F notwendig ist, über die
herkömmliche Kontaktanordnung des RJ45 nicht funktioniert, war ein neues Steckerdesign
notwendig.

Um vorhandene Endgeräte mit RJ45-Stecker weiterhin bedienen zu können, entwickelten die
beteiligten Unternehmen für die Kategorie 7 den Steckverbinder nach IEC 60603-7-7, der bis zur
Klasse E die herkömmliche Kontaktanordnung benutzt. Für die höheren Anforderungen der Klasse F sind
die inneren Kontakte auf zwei neu hinzugefügte Kontaktpaare auf der gegenüberliegenden Seite über
einen integrierten mechanischen Schalter umgeschaltet. Des Weiteren wurde in der zweiten Ausgabe
der Verkabelungsnorm das Steckgesicht gemäß IEC 61076-3-104 für den Anschluss am Arbeitsplatz
vorgesehen, das zwar nicht steckkompatibel mit dem RJ45 ist, dafür jedoch wesentlich bessere
Übertragungseigenschaften bietet.

Zudem ist mit diesem Steckverbinder durch das so genannte "Plug-Sharing" eine verbesserte
Nutzung der Verkabelung möglich. Dabei wird das Installationskabel wie bisher mit allen vier
Adernpaaren an die Buchse des Steckverbinders angeschlossen. Für den Anschluss der aktiven Geräte
stehen sowohl vierpaarige, zweipaarige als auch einpaarige Stecker und Verbindungsschnüre zur
Verfügung. Abhängig von der Anforderung der Anwendung lassen sich so die Stecker in der Buchse
kombinieren und damit maximal vier Anwendungen über ein Kabel übertragen. Nach Norm kann der
Anwender selbst entscheiden, welches der beiden Steckgesichter zum Einsatz kommen soll.

Bei der Suche nach geeigneten Komponenten sind die Verantwortlichen der Stadtsparkasse München
auf die Steckverbinder des Altdorfer Komponentenherstellers CTI Netzwerksysteme gestoßen. Der dort
entwickelte "Variokeystone" vereint die Eigenschaften des Steckverbinders nach IEC 61076-3-104 mit
der Rückwärtskompatibilität des RJ45. Dabei ist an das Kabel ein hochwertiger Steckverbinder
montiert, der die elektrischen Eigenschaften des Kabels nahezu unverändert weiterreicht. In den
Kabelstecker wird dann wahlweise ein Modul mit RJ45-Gesicht oder 4K7-Gesicht, wie CTI das Interface
des Steckverbinders nach IEC 61076-3-104 kurz bezeichnet, eingesteckt. Die beiden Module lassen
sich auch nachträglich – ohne Veränderungen am Kabel – austauschen.

Module sorgen für Flexibilität

Die Auswahl dieser Anschlusskomponenten sollte zwei Vorteile mit sich bringen: Zunächst wird die
Verkabelung nach Klasse E mit den RJ45-Modulen bestückt und damit der Betrieb der vorhandenen
Geräte mit RJ45-Anschlüssen sichergestellt. Dort, wo künftig höhere Datenraten benötigt werden –
beispielsweise für die Übertragung von Videoanwendungen – oder die Anzahl der zur Verfügung
stehenden Anschlüsse nicht mehr ausreicht, kann in wenigen Minuten durch einfachen Tausch des
Moduls eine Aufrüstung auf Klasse F oder maximal vier Ports erfolgen. Eine erneute Konfektion des
Kabels ist dabei nicht mehr notwendig.

Die Verkabelungsarbeiten haben bereits im Februar 2005 begonnen und werden derzeit fertig
gestellt. Für die Versorgung der Arbeitsplätze in der Hauptstelle sind ein bis drei
Ackermann-Bodentanks zuständig. Da die Büros nicht mit Doppelböden ausgestattet sind, erfolgt die
Kabeltrassierung im Bereich der abgehängten Decken des jeweilig darunter liegenden Stockwerks. Kein
leichtes Unterfangen, da die vorhandenen Verkabelungsstrukturen, Kabelwege und Trassierungen – wie
so oft– nicht dem Stand der vorliegenden Dokumentation entsprachen. Die nach der Verkabelung
fachgerecht zu verschließenden Brandabschottungen im Bereich der Decken und Wanddurchbrüche
gestalteten sich darüber hinaus als zusätzliche Herausforderung.

Der vierstöckige Gebäudekomplex wird künftig über insgesamt neun Etagenverteiler versorgt. Dazu
sind rund 120 Kilometer PiMF-Kabel vom Typ "cti-wire HS 23 900 MHz" verlegt, ebenfalls vom
Komponentenhersteller aus Altdorf. Pro Etagenverteiler werden zirka 286 Variokeystone verbaut, dies
ergibt bei etwa 2574 Ports eine Gesamtanzahl von 5148 Systemen in Patch-Feldern und
Anschlussdosen.

"Trotz der beachtlichen Mengen konnten wir die mit den Sanierungsarbeiten einhergehenden
Investitionsmaßnahmen in einem vertretbaren Rahmen halten" so Michael Nausch, Fachreferent
Telekommunikation der Stadtsparkasse. Dies war durch die Verwendung des Kabeltyps sowie der
variablen Buchsenmodule möglich. Verglichen mit herkömmlichen Verkabelungssystemen der Klasse E
waren die Investitionskosten gleich oder sogar günstiger, wenn man berücksichtigt, dass nun auch
nach der Installation das Steckgesicht den Anforderungen entsprechend gewählt werden kann. In der
Vergangenheit musste bei Änderungen der Nutzungsgrade an einem Arbeitsplatz mit erheblichem
Kostenaufwand und entsprechenden Beeinträchtigungen im Tagesablauf nachverkabelt werden. Mithilfe
der auswechselbaren Buchseneinsätze von RJ45 (Kategorie 6) auf 4K7 (Kategorie 7) ist man nun nach
eigenen Angaben in der Lage, kurzfristig und schnell auf neue Anforderungen reagieren und
entsprechende zusätzliche Anschlusspunkte bereitstellen zu können.

Die ersten Teilabschnitte des Gebäudes sind mittlerweile saniert. "Dank der schnellen und
einfachen Konfektionierung konnten die Installationen, die während des laufenden Bankbetriebs
stattfinden mussten, problemlos innerhalb der vorgegebenen Termine durchgeführt werden" so das
ausführende Unternehmen Markscheffel. Auch die durchgeführten messtechnischen Überprüfungen ergaben
bereits bei Klasse E sogar Leistungsreserven.

Zusätzliche Einsparpotenziale verspricht man sich durch die Flexibilität des verwendeten
Kabel-/Steckersystems. So lassen sich dank der Verlängerung einer bestehenden Kabelstrecke mit
geeigneten Steckverbindungen bestehende Arbeitsplätze schnell und einfach umgestalten. In der
Vergangenheit stand dort in nicht unerheblichem Umfang eine Nachverkabelung an – mit den bekannten
Einschränkungen im Tagesgeschäft oder dem Öffnen und Schließen von Brandabschottungen.

Für die Zukunft besteht nun auch die Möglichkeit, abgesetzte Server über vorhandene, hochwertige
Kupferstrecken anzubinden, denn auch die Übertragung der künftigen Anwendung 10 Gigabit Ethernet
nach IEEE 802.3an ist bereits heute über diese Verkabelung sichergestellt. Die Stadtsparkasse
München erhofft sich auch für zukünftige Verkabelungen durch das "Plug-Sharing" eine Einsparung um
rund 30 Prozent, da dadurch weniger Trassenplatz und Kernbohrungen nötig sind und gleichzeitig die
Brandlast im Gebäude erheblich sinken kann.


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