IEEE 802.3an und die Kat-5-Ära

Streit um 10 GbE-Kabel

31. August 2005, 23:16 Uhr |

Mit der Einführung von 10 GbE (10 Gigabit Ethernet) hat die seit vielen Jahren weltweit dominierende Verkabelungskategorie 5 (Kat-5) nun endgültig ausgedient. Während sich eine Reihe vor allem deutscher Hersteller mit geschirmten Kabeln der Kategorie 7/Klasse F empfehlen, setzen internationale Anbieter wie schon bei 1 GbE auf ungeschirmte Leiter. Die Messlatte wird die IEEE-Arbeitsgruppe 802.3an setzen, die bis Mitte nächsten Jahres einen 10GBase-T-Standard verabschieden will. Um die nötigen Kabeleigenschaften schnell allgemein verbindlich zu machen, unterstützen einige Hersteller eine modifizierte Kategorie 6/Klasse E.

Während anfangs schon 1 GbE den ungeschirmten Kabeln erheblich mehr Probleme bereiteten als
erwartet, schien die Sache mit 10 GbE schier aussichtslos. Als wahrer Killer erwies sich ein
Faktor, der erst bei diesen hohen Frequenzen so richtig in Erscheinung tritt – die störende
Übertragung elektrischer Signale von einem Datenkabel beziehungsweise Adernpaar auf angrenzende.
Dieses als "Alien Crosstalk" bezeichnete Phänomen ist dafür verantwortlich, dass selbst
Kat-6/Klasse-E-Kabel nicht in der Lage sind, bei 10 GbE Distanzen über 55 Meter zu garantieren. Mit
diesen Kabeln besteht keine Möglichkeit, Alien Crosstalk zu kompensieren. Geschirmte Kabel der
Kategorie 7/Klasse F haben mit 100 Metern auch bei 10 GbE keine Probleme, vorausgesetzt allerdings,
die elektrischen Installationen im betreffenden Gebäude sind sauber ausgeführt. Hapert es hier,
wird der vor Störungen durch andere Datenkabel schützende Schirm selbst zur Stolperfalle: er wird
zur Antenne, die Störeinflüsse durch das Stromnetz aufnimmt. Vielleicht ist das der Grund, warum
Kat-7 außerhalb des deutschsprachigen Raums kaum verbreitet ist, denn viele Länder erlauben in
Sachen elektrischer Verkabelung weit "unsauberere" Installationen, als in Deutschland, Österreich
und der Schweiz üblich. Hinzu kommt aber auch, dass es so gut wie keine aktiven Netzwerkkomponenten
gibt, welche die zu Kat-7 passenden Steckergesichter unterstützen. Versuche, den hier quasi "
eingemeißelten" RJ-45-Konnektor durch verbesserte Stecker abzulösen, blieben bislang ergebnislos.
Es sind also immer Adapter erforderlich, welche Kat-7 auf RJ-45 umsetzen – beziehungsweise
montieren einige Hersteller inzwischen RJ-45-Stecker auf ihre Kat-7-Kabel.

Indes warten insbesondere die Hersteller von Switches sehnsüchtig auf einen Standard, der 10 GbE
auf preisgünstigen Kupferkabeln definiert. Erst dann erwarten sie für 10 GbE einen Massenmarkt, der
ihnen neue Absatzchancen bietet. Ähnlich war es bei 1 GbE: Auch hier hoben die Switches erst so
richtig ab, als ein entsprechender Verkabelungsstandard auf Kupfer verabschiedet war. Bis zur
endgültigen Ratifizierung des IEEE-802.3an-Standards, der genau dieses leisten soll, wird aber nach
den Plänen des IEEE-Gremiums noch knapp ein Jahr vergehen. Der 10GBase-CX4-Standard, im vergangen
Jahr als eine Art Interimslösung eingeführt, soll den Markt inzwischen schon einmal vorheizen. Die
Hoffnungen einiger Marktteilnehmer, den auf Basis bereits existierender Spezifikationen aus der
Infiniband-Technik aus dem Boden gestampften CX-4 als echten Base-T-Standard zu sehen, wurden
inzwischen von der Realität eingeholt: Insbesondere die rigiden Längenrestriktionen von 15 bis
maximal 20 Meter beschränken den Einsatz auch weiterhin auf nahe zusammenstehende Racks im
Datenzentrum, beziehungsweise auf die Vernetzung der Server innerhalb eines Racks.

Markt bereit für 10 GbE auf Kupfer

Aus der Sicht von Systimax resultiert das Fehlen eines 10GBase-T-Standards in einer ungeheuren
Verschwendung des vorhandenen Marktpotenzials. Eine groß angelegte Markterhebung des Unternehmens
bei 2165 IT-Profis aus 48 Ländern brachte Mitte Juni dieses Jahres zutage, dass leistungsfähige
Verkabelung in der Industrie offensichtlich wieder als gutes Investment angesehen wird. 56 Prozent
der Befragten würden demnach jetzt Kat-6 installieren, nur noch 17 Prozent setzten auf Kategorie
5(e). Noch erstaunlicher: Schon 16 Prozent würden sich auf ein hinsichtlich 10 GbE erweitertes
Kat-6-System einlassen. "Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Manager weltweit gewillt sind,
neue Kabeltechnologien bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium anzunehmen, um
sicherzustellen, dass sie die benötigte Bandbreite unterstützen", so Fiona Nolan, Global Marketing
Director bei Systimax Solutions. "Obwohl die Entwicklung eines für 10 GbE modifizierten
Kat-6-Standards gerade erst begonnen hat, gab ein Sechstel der befragten Manager an, schon jetzt
Kupferkabel für 10 GbE installieren zu wollen.

Die Untersuchung bestätigt die Erwartung der Industrie, dass 10 GbE zuerst im Datenzentrum
eingesetzt wird, bevor es sich allmählich in Richtung Desktop-Verbindungen ausbreitet. 45 Prozent
der Befragten gehen davon aus, 10 GbE innerhalb von zwei Jahren in ihrem Datenzentrum
(Server-Verbindungen) zu installieren. Zehn Prozent haben es bereits in ihrem Backbone
(Switch-zu-Switch-Verbindungen) installiert und weitere 54 Prozent erwarten, dies in den nächsten
zwei Jahren zu tun.

Außerhalb des Datenzentrums sehen die meisten der befragten IT-Profis innerhalb der nächsten
fünf Jahre 1 GbE auf ihrer horizontalen Verkabelung (53 Prozent), immerhin 30 Prozent jedoch auch
schon 10 GbE. Bei den Netzwerkbackbones setzen im gleichen Zeitraum 61 Prozent auf 10 GbE, 26
Prozent gehen davon aus, dort bereits Netzwerkverbindungen mit 40 GbE zu benötigen.

Auch die WLAN-Akzeptanz wurde in der Untersuchung abgefragt. Drahtlose Netze sind demnach jetzt
auf Breiter Basis angenommen: 78 Prozent antworteten, WLANs bereits einzusetzen beziehungsweise
dies bei neuen Installationen zu tun. Dabei sehen 81 Prozent WLAN als Ergänzung zu den verkabelten
Netzen, immerhin 14 Prozent wollen damit ihre Verkabelung ersetzen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum insbesondere der aus Avaya hervorgegangene
Hersteller so sehr auf eine zuverlässige Basis für die Beurteilung von Kupferkabeln im Einsatz mit
10 GbE pocht. Zusammen mit einigen weiteren Anbietern hat Systimax bei den mit IEEE eng
zusammenarbeitenden Gremien TIA und EIA Vorschläge für eine modifizierte Kategorie-6/Klasse E
eingebracht, die voraussichtlich "Kategorie-6A/Neue Klassse E" heißen wird. Das "A" steht dabei für
das englische Wort "Augmented", welches etwa "erweitert", "vergrößert" bedeutet. Die
Spezifikationen basieren auf einem Standardentwurf der IEEE-802.3an-Arbeitsgruppe und adressieren
besonders die Probleme mit Alien Crosstalk. Der zweite Entwurf ("Draft") des 802.3an-Standards
wurde bereits im März dieses Jahres veröffentlicht. Die das reine Kabel betreffenden Parameter
waren hier bereits festgezurrt. Seit Juli gibt es den Draft 2.1, und im November soll noch Draft 3
kommen, bevor der komplette Standard im Laufe des Jahres 2006 verabschiedet wird. Alle noch
ausstehenden Spezifikationen sollen jedoch nicht mehr das Kabel, sondern die übergeordneten
elektrischen Teile des Standards betreffen. "Wir sind derzeit der einzige Hersteller, der eine
komplette 10 GbE Ende-zu-Ende-Verkabelunslösung anbietet, die sowohl vollständig die neuesten
IEEE-802.3an-Spezifikationen für 10GBase-T als auch die vorgeschlagenen TIA- und
ISO/IEC-Spezifikationen für die Kategorie-6A/Neue Klasse E erfüllt", so Christian Berger, Sales
Manager Germany bei Systimax Solutions. "Darüber hinaus wurde unsere Lösung auch mit proprietären
Verfahren getestet, die derzeit in der Industrie gängige Testverfahren in Genauigkeit und Umfang
weit übertreffen. Erst vor kurzem hat unsere Gigaspeed – X10D – 10G – Lösung ein ‚independent
witness testing´ der UL (Underwriters Laboratories) betreffend Alien Crosstalk bestanden."

In Anbetracht dessen, wie schnell die Preise bei 1 GbE nach Einführung eines Standards für
Kupferkabel gesunken sind (inzwischen haben oft schon Switches für den Home-Markt eine
GbE-Schnittstelle), ist ein rascher Standard auch für 10 GbE auf Kupfer aus Anwendersicht höchst
wünschenswert. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Ratifizierungsgeschwindigkeit bei
Kat-6A/Neue Klasse E. Ein konkreter Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines solchen Standards
wurde nicht genannt – Beobachter gehen davon aus, dass dies noch in diesem Jahr geschehen wird. Für
Systimax entsteht bis dahin eventuell sogar eher ein Marktvorteil, denn das Unternehmen kann
bereits jetzt ein von unabhängiger Seite geprüftes System auf Basis ungeschirmter
Twisted-Pair-Kabel vorweisen.

Stefan Mutschler


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