Integrierte Leitstelle für Münchner Feuerwehr

Volldigitalisiert mit redundantem RZ

3. August 2016, 8:57 Uhr | Von Dipl.-Ing. Doris Piepenbrink.

Die neue integrierte Notrufleitstelle der Feuerwache 4 in München wird im Sommer 2017 in Betrieb gehen und dann eine der größten und modernsten ihrer Art sein. Die zugehörige Dateninfrastruktur entspricht einem modernen Rechenzentrum und ist durchgängig redundant aufgebaut.

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Bild 1. Die Feuerwache 4 München-Schwabing erhält die modernste Notrufleitstelle Deutschlands.Quelle: Berufsfeuerwehr München

Die integrierte Leitstelle (ILS) in München (Bild 1) ist eine der größten ihrer Art und wird die modernste in Deutschland sein. Mit der Inbetriebnahme gehen an den Systemen der 22 Disponentenplätze die Notrufe (112) aus München ein. Hinzu kommen künftig automatisch ausgegebene Notrufe von Ecall-Systemen sowie Notrufe, die per Handy-App eingehen. Außerdem koordiniert die Münchner Leitstelle bayernweit die Einsätze der lntensiv-Transport-Hubschrauber. Sie arbeitet voll digital und ist bereits mit dem Digitalfunk Tetra ausgerüstet. Um bestehende Systeme weiter unterstützen zu können, sind parallel dazu analoge Telefonie und analoger Sprechfunk integriert.

Arbeitsweise der Leitstelle

Die Leitstelle verfügt über etwa 250 umfassend ausgebildete Disponenten. Davon sind permanent 26 im 24-Stunden-Dienst. Sie werden in der neuen Leitstelle im Normalbetrieb an 22 High-Tech-Arbeitsplätzen mit jeweils sechs Monitoren arbeiten und von dort aus die Einsatzkräfte vor Ort koordinieren. Dr. Arne Seifert, technischer Planer bei der Einsatzlenkung der Branddirektion München, erklärt dazu: "Sie sehen, welche Fahrzeuge wo unterwegs sind, wie viele Notrufe gerade akut sind. Sie können über Ortungssysteme die Umgebung zu einem eingehenden Notruf sichten und die Einsatzkräfte schnell an die richtige Stelle dirigieren. Parallel dazu befragen sie den Anrufer oder geben ihm Hinweise, wie dieser mit verletzten Personen umgehen soll, bis ein geeignetes Rettungsmittel am Einsatzort ist."

Ausgelegt für Spitzenlasten

Für Spitzenzeiten verfügt die Leitstelle über zehn zusätzliche Unterstützerplätze mit gegenüber den Disponentenplätzen reduzierter Ausstattung, jedoch nahezu identischer Funktionalität. Darüber hinaus verfügt die Not-Leitstelle in München über weitere 14 Einsatzleitplätze mit zusätzlich zwölf Unterstützerplätzen. Dies sind insgesamt 58 Notrufannahmeplätze für München.

Diese Zahl ist laut Dr. Seifert auch notwendig, wenn zum Beispiel Ereignisse wie das schwere Unwetter Niklas Ende März 2015 eintreten. Seifert weiter: "Damals erreichten die Anrufe einen Anstieg von 950 Prozent gegenüber normalen Tagen. Am frühen Nachmittag waren es 1.516 Anrufe in einer Stunde." Im Jahr 2015 gingen in der Münchner Leitstelle über 900.000 Notrufe ein, wobei die Zahl jedes Jahr um etwa drei Prozent ansteige. Die Technik der Leitstelle müsse laut Seifert für solche Spitzenlasten sowie für die zunehmende Zahl an Notrufen ausgelegt sein. Sie darf in keinem Fall ausfallen, selbst im Katastrophenfall nicht. Daher ist sie durchgängig redundant und mit verteilten Standorten aufgebaut. Da die bayerischen Leitstellen vernetzt sind, ist die ILS München vorbereitet, um die Aufgaben einer anderen Leitstelle vertretungsweise zu übernehmen.

Die IT-Infrastruktur

Um die Lautstärke im Disponentenraum gering zu halten, haben die Betreiber die aktive Technik weitgehend in die beiden identisch aufgebauten Technikräume verlegt, wobei jeweils die Hälfte der Disponentenarbeitsplätze von einem versorgt wird, um auch bei Ausfällen handlungsfähig zu bleiben. Die IT-Infrastruktur entspricht der ISO 27001 auf Basis der BSI-Grundschutz-Kataloge mit entsprechendem IT-Sicherheits-Management, Vorkehrungen zur Ausfallsicherheit und entsprechender Dokumentation. Die Räume sind derzeit noch in der Aufbauphase, jedoch bereits jeweils mit den Schrankreihen für Server, Switches und Telefonie gefüllt. Die Lüftung erfolgt über sogenannte Sidepanels zwischen den Schränken in den Schrankreihen.

Die Verkabelung

Die Verkabelung der Technikräume ist bereits weitgehend installiert. Die Verbindungen zwischen den Standorten in München geschehen über Singlemode-Fasern. Core-Switches und größere Server sind in der Regel per OM4-Multimode-Fasern angeschlossen. Ansonsten hat Roland Großfurtner, Projektleiter vom Münchner Planungsbüro Rücker + Schindele und verantwortlich für die ITK-Infrastruktur der Leitstelle, auf Kupferverbindungen der Klasse EA nach ISO/IEC 11801 gesetzt.

Die Leitstelle arbeitet mit einer strukturierten Verkabelung und benötigt entsprechend viele Verteiler. Die einzelnen Schränke haben zwar Reserven, doch im Innern ist zu sehen, dass die zugehörige Verkabelung bereits viel Platz beansprucht (Bild 2). Roland Großfurtner erklärt: "Wir haben hier auf Trunk-Kabel gesetzt, damit die Verkabelung trotz der hohen Packungsdichte übersichtlich bleibt. Wir verwenden jetzt Patch-Panels, die bei Kupfer eine Packungsdichte von 36 Ports pro Höheneinheit erreichen. Dabei schließt man mit jeder Leitung immer ein Modul mit sechs Ports an. Das ist gut handhabbar. Ich kann mir gar nicht vorstellen, hier Einzelverbindungen und womöglich Patchpanels mit 48 Ports pro HE einzusetzen. Da wären die Schränke schnell dicht. Die Lüftung würde nicht mehr richtig funktionieren, und die Trassen wären überladen. So können die Trunk-Kabel sauber an den Schrankseiten geführt werden. Es ist noch genügend Platz, um weitere Kabel sauber anschließen und verlegen zu können." (Bild 3)

Platzsparend mit zwei Patch-Ebenen

Bei der Anbindung des Core-Switches arbeiten die Betreiber im Schrank mit zwei getrennten Ebenen, um die Lüftung möglichst wenig zu beeinflussen und dennoch den Platz im Schrank weitgehend auszunutzen. Die Kupferverkabelung befindet sich komplett an der Frontseite (Bild 4). Die LWL-Kabel verlaufen in Kabelrohren an der Rückseite zur Patch-Ebene geführt (Bild 5).

Allein für die Schrank-zu-Schrank-Verkabelungen sind in den Technikräumen etwa 6,7 km Kupfer-Trunk-Kabel verlegt. Hinzu kommen rund 1,1 km vorkonfektionierte Multimode-Trunk-Kabel sowie 400 m vorkonfektionierte Singlemode-Trunk-Kabel. Dabei sind die zu- und abgehenden Kabel noch nicht mitgerechnet. Diese Trunk-Kabel hat innerhalb eines Monats in den verschiedensten Längen und unterschiedlichen LWL-Ausführungen der Hersteller ZVK an die Baustelle geliefert.

Damit die Installateure vor allem die vielen acht bis 38 Meter langen Kupfer-Trunk-Kabel schnell verlegen und anschließen konnten, wählten sie ein System, bei dem eine LED-Signalisierung die Zuordnung der einzelnen Trunk-Kabel erleichtert. Auf diese Weise lassen sich die Kabel bündelweise verlegen: Beim Anschließen steckt der Installateur am einen Ende des Kabels einen LED-Detektor in die entsprechenden Kontakte des 6-Port-Moduls (Bild 6). Der Installateur am anderen Ende kann dann das Kabel mit dem rot aufleuchtenden Modul aus dem Bündel nehmen und am korrekten Einbauort anschließen. Dies spart Zeit und ist sicherer als das aufwändige Entziffern von Beschriftungen.

Bild-6-LED-Signalisierung
Bild 6. Dank der LED-Funktion ließen sich die zugehörigen Enden eines Trunk-Kabels schnell identifizieren und anschließen.Foto: Doris Piepenbrink

Die Trunk-Kabel stammen aus dem Easylan-H.D.S.-System von ZVK. Dabei sind sechs Verbindungen unter einem gemeinsamen Schirm und Mantel zusammengefasst. So sparen die Trunk-Kabel etwa 20 Prozent an Durchmesser ein gegenüber einem Bündel aus sechs Einzelkabeln ein. Dies ist nicht nur platzsparend und günstiger für die Durchlüftung der Schränke, sondern senkt auch die Brandlast. Die 6-Port-Module der Trunk-Kabel werden in spezielle H.D.S.-Frontplatten eingeschraubt. Die Leitstelle setzte in diesem Fall 1-HE-Frontplatten mit sechs H.D.S.-Ausbrüchen ein. Es gibt sie jedoch auch mit acht, falls eine höhere Packungsdichte notwendig ist. Der LED-Detektor lässt sich auch für handelsübliche LED-Patch-Kabel mit Sacon-Technik einsetzen. Dies erleichtert die Zuordnung von Anschlüssen bei Umpatchungen.

Die Infrastruktur soll laut Großfurtner noch in diesem Sommer fertiggestellt sein, damit die Disponenten mit der Schulung an ihren künftigen Arbeitsplätzen und zahlreichen neuen Systemen beginnen können. Im Juli 2017 soll dann diese modernste Leitstelle Deutschlands in Betrieb gehen.

Dipl.-Ing. Doris Piepenbrink ist freie Journalistin in München.

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