Intelligentes Gebäude-Management wird sensitiv

Von vernetzten zu kognitiven Systemen

13. März 2013, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler (pf)

Wenn die Strompreise fadenscheinig begründet in die Höhe schießen, muss intelligentes Energie-Management die Kosten wieder auf den Boden holen. Dies gilt für Unternehmen ebenso wie für Haushalte. Dabei erscheint allerdings der Consumer-Markt für Hausautomation aktuell deutlich dynamischer als der für Business-Lösungen. Weiterentwicklungen im Home-Segment konkurrieren zunehmend mit vergleichsweise fast stagnierenden Unternehmenslösungen.Zur Energiewende in Deutschland mag man stehen wie man will - eines dürfte unbestreitbar sein: Die Wende wird nicht ohne den Immobiliensektor und das Facility-Management (FM) gelingen. Immerhin sind Gebäude immerhin für rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 21 Prozent der erzeugten Treibhausgase verantwortlich. Mit dieser Erkenntnis wächst die Präsenz von Energie-Management-Anbietern auf einschlägigen FM-, IT- und Industriemessen. Auf der FM-Messe 2013 Ende Februar geschah dies größtenteils unter der Obhut des deutschen Verbands für Facility-Management (Gefma), der sich hierzulande auch das Qualitäts-Management Computer-unterstützter Facility-Management-Software-Produkte auf die Fahnen geschrieben hat. Die dafür entwickelte Gefma-Richtlinie 444 umfasst auch in der aktuellen Version 2013 zwölf Kriterienkataloge, darunter immer prominenter das Energie-Controlling. Inzwischen sind 18 Softwarepakete danach zertifiziert - nur zwei mehr als Anfang letzten Jahres. Für einen neutralen Beobachter klingt dies mehr als bescheiden, die entsprechende Pressemitteilung der Gefma von Mitte Januar spricht aber von "übertroffenen Erwartungen". Zu den Herstellern, die aktuell mindestens ein Produkt nach der Richtlinie zertifiziert haben, zählen unter anderem Archibus Solution Centers Germany, BFM, Decon Deutsche Energie-Consult, IBM Deutschland, IMS Gesellschaft für Informations- und Management-Systeme, Loy & Hutz, N+P Informationssysteme, Nemetschek Allplan Systems und Planon. Die zunehmende Bedeutung von "Smart Energy" zeigte sich Anfang Februar auch auf der E-World in Essen, wo intelligenten Energiekonzepten erstmals eine eigene ganze Halle gewidmet war. 50 Aussteller präsentierten dort alles rund um vernetzte Haustechnik und intelligente Stromzähler. Die Deutsche Telekom rückte bei ihrer Präsentation das Messdaten-Management in den Mittelpunkt. Wenn künftig 48 Millionen Stromzähler im regelmäßigen Takt ihre Daten senden, sei das laut Gabriele Riedmann de Trinidad, Leiterin Energie bei der Deutschen Telekom, eine riesige Herausforderung für die Datenverarbeitung. "Deshalb haben wir ein eigenes Meter-Data-Management entwickelt, das die Informationen für alle nachgelagerten IT-Systeme aufbereitet", so die Verantwortliche der Telekom. Bei einem ersten Stresstest habe die Lösung Werte aus 50 Millionen simulierten elektronischen Zählern verarbeitet. Im viertelstündlichen Auslesezyklus entsteht so ein tägliches Volumen von knapp fünf Milliarden Datensätzen. Das Meter-Data-Management wertet diese Informationen aus und soll helfen, kritische Netzzustände zu vermeiden. Darüber hinaus lässt es sich auch für andere Szenarios einsetzen, etwa zur Aufbereitung lastvariabler Tarife.   Industrie hängt noch am Kabel Das nach wie vor nur rudimentär ins CAFM (Computer Aided Facility-Management) integrierte Steuerungs-Management stellt bei großen IT-Unternehmen wie Cisco, Dell, Fujitsu Computers, HP, IBM, Microsoft, Oracle und Siemens ein immer wichtigeres Geschäftsfeld dar. Das Gebäudeautomationssystem von Siemens beispielsweise agiert unter der Prämisse, dass Anlagen zur Kühlung, Heizung, Belüftung, Beleuchtung oder Warmwasseraufbereitung nicht nur per se möglichst effizient arbeiten müssen - sondern dass hohe Energiesparpotenziale auch in einer guten Zusammenwirkung und bedarfsgerechten Abstimmung aufeinander liegen. Desigo, wie der deutsche Technologiekonzern sein System nennt, regelt, steuert und überwacht Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Beleuchtung und Beschattung sowie Brandschutz- und Sicherheitssysteme. Für die Kommunikation verwendet Siemens auf jeder Ebene die dort jeweils traditionell üblichen Bussysteme, also etwa Bacnet von der Raumautomation bis zur Management-Ebene, Konnex (KNX) S-Mode (Instabus EIB), Lonworks und andere zur Vernetzung von Raumautomation und dezentralen Sekundärprozessen, M-Bus, Modbus und weitere Schnittstellen zur universellen Anbindung von Fremdgeräten und -systemen. Erst für die Verbindung zur Unternehmens-IT kommen Ethernet und TCP/IP zum Einsatz. Andere Hersteller setzen im Feld auf energiearme Drahtlostechniken wie zum Beispiel Z-Wave und Zigbee oder auf die Nutzung des Stromkabels als Datentransporteur (Powerline). Solche Lösungen sind allerdings bislang schwerpunktmäßig mehr in der Heimautomation denn in der Gebäudesteuerung von Unternehmen zu finden. Gleichwohl erscheint dieser noch sehr junge Markt deutlich dynamischer als die klassische Anlagensteuerung in Unternehmen - und die Entwicklungen reifen rasch in den Business-Markt. Bei Zigbee gibt es dafür mit Zigbee Pro inzwischen sogar eine eigene Variante. Mit "Digitalstrom" wird ein Vertreter des Powerline-Lagers groß auf der CeBIT vertreten sein. Das Heimautomationskonzept dieses Anbieters basiert auf der intelligenten (weil mit patentiertem Chip ausgestatteten) Lüsterklemme, die sich sehr einfach in die Schalter des Stromnetzes integrieren lässt. Der Chip soll dabei in der Lage sein, Strom zu schalten, zu dimmen und auch zu messen, kleine Programme ablaufen zu lassen, Daten zu speichern sowie zu kommunizieren. Ein spezielles "Digitalstrom-Meter" im zentralen Sicherungskasten managt die Gerätevernetzung und -kommunikation über die Stromleitung. Bei Bedarf lässt sich ein zusätzlicher Server für mehr Funktionen und höhere Leistung ergänzen. Der Charme der Lösung liegt darin, dass alle Funktionen über kostenlose Apps auf dem Smartphone fernsteuerbar sind.   Z-Wave - Smart Homes als Vorreiter Wesentlich gefördert hat die schnelle Einführung von Smart-Home-Techniken vor allem die hohe Akzeptanz des Breitband-Internet-Zugangs. Computer, Smartphones und Tablet-PCs bilden die neuen Steuerungszentralen für vernetzte Eigenheime und Gebäude. Für die Kommunikation dieser Steuerungseinheiten mit den verschiedenen Endgeräten in der Smart-Home-Umgebung gewinnt Z-Wave als einfaches und ökonomisches Funkprotokoll derzeit hohen Zuspruch. Der Z-Wave-Standard, wie er von Mitgliedern der gleichnamigen Industrieallianz entwickelt wurde, findet derzeit in rund 700 Produkten von etwa 160 Herstellern rund um den Globus Verwendung. Z-Wave-Lösungen gibt es in den Bereichen Energie-Management, Sicherheit, Zugangskontrolle, Komfort und einigen weiteren. Wegen dieser Vielseitigkeit kommt die Z-Wave-Technik zunehmend auch im Business-Umfeld zum Einsatz. Vor allem der Bereich Energie-Management erlebt im Verbund mit automatisierten vernetzten Lösungen gerade einen erheblichen Aufschwung. Einfach zu installierende und zu bedienende sowie kostengünstig angebotene Lösungen haben dabei bereits einen deutlichen Schub ausgelöst. So nutzen Energieversorger die damit erzielbare Transparenz, über die Verbraucher den "Stromfressern" in ihrem Hause schnell auf die Schliche kommen, in ihren Werbespots als Instrument für die Kundenbindung: Anwender wollen wissen, welches Gerät wann wie viel Energie verbraucht. Einen fundamentalen Aspekt des Smart-Metering-Konzepts stellt die exakte Erfassung und Analyse der Verbrauchsdaten dar. Ein Smart Meter übermittelt diese Verbrauchsdaten an die involvierten Unternehmen und stellt Stromversorgern, Messstellenbetreibern und gegebenenfalls Messdienstleistern konkrete Informationen zur Verfügung. Diese erstellen auf der Basis der Messwerte die Rechnung. Zudem können sie die neuen Techniken dazu nutzen, zusätzliche Angebote über das Internet zur Verfügung zu stellen - wie beispielsweise ein Verbrauchsprofil oder Nutzungsvergleiche. Ein Beispiel dafür, wie Z-Wave einfaches und kostengünstiges Smart Metering unterstützen kann, ist in Deutschland durch die Z-Wave-Kooperation mit Diehl Controls zu begutachten. Als Teilkonzern der Nürnberger Diehl-Gruppe gehört Diehl Controls zu den globalen Anbietern von Steuerungen für Home Appliances und Fotovoltaik-Wechselrichtern. Zum Herzstück der Z-Wave-kompatiblen Diehl-Geräte zählt die Smart-Home-Zentrale. Dabei handelt es sich um eine offene Integrationsplattform für Home-Control-Produkte. Das System managt die Prozesse im Haus und macht dort sämtliche Devices auch für mobile Endgeräte wie zum Beispiel Tablet-PCs, Smartphones und Laptops steuerbar - lokal oder per Fernzugriff. Der Bewohner weiß so ständig über die Energiewerte in seinem Haus Bescheid.   Blick in die Zukunft: Kognitive Systeme Die intelligente Gebäudesteuerung bildet keine isolierte Disziplin. Im Grund ist sie Teil einer Entwicklung, die sich mit dem effizienteren und damit sowohl ökonomischeren als auch verantwortungsvolleren Umgang mit Ressourcen aller Art beschäftigt. Technische Anlagen erhalten zu diesem Zweck am Frontend "Sinne" in Form von Sensoren, am Backend "Hirn" in Form von Rechnerleistung für die intelligente Steuerung. Alles ist miteinander vernetzt - am Frontend wohl künftig mehr und mehr drahtlos. In der Tat ist davon auszugehen, dass Computer künftig weit stärker als für die meisten Menschen heute vorstellbar in gewisser Form "bewusst" wahrnehmen werden und dass sie so einerseits noch tiefer und direkter in Steuerungssysteme eingreifen als bisher, andererseits völlig neue Anwendungsbereiche erschließen. Einen sehr interessanten Einblick in diese Forschung gab im Dezember letzten Jahres IBM mit seiner "5 in 5"-Prognose: fünf Innovationen, die in den nächsten fünf Jahren Alltag, Arbeit und Interaktion der Menschen grundlegend ändern sollen. Entscheidend ist dabei nicht nur, dass Sensoren sehen, hören und künftig auch riechen, schmecken und tasten, sondern über die Vernetzung mit einer zentralen Intelligenz nahezu in Echtzeit sinnvolle Schlüsse ziehen. Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

CAFM-Steuerungsebenen und deren Kommunikationsprotokolle aus der Sicht von Siemens. Bild: Siemens

Ein Forschungs-Manager für physikalische Analysen prüft ein Array von Drahtlossensoren, die derzeit in den IBM-Labors in Yorktown Heights (USA) zur Erkennung von Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit, Gase und chemische Substanzen zum Einsatz kommen. Bild: Jon Simon/Feature Photo Service for IBM
LANline.

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