RZ-Kühlung mit Einsparpotenzial

Adiabatik: Tuning für die freie Kühlung

16. November 2018, 7:00 Uhr | Thomas Nieschalk

Die Leistungsfähigkeit der Verdunstungskühlung ist kein Geheimnis. Doch warum entsprechende Kühllösungen in jedes moderne Rechenzentrum gehören, ist selbst manchen Experten noch nicht geläufig. Die Vorteile lassen sich allerdings auch ohne eine detaillierte physikalische Betrachtung herausarbeiten.

Die Kühlung eines Rechenzentrums ist aufwendig und dazu mit erheblichen Stromkosten verbunden. Bis zu 30 Prozent der in einem RZ benötigten Energie muss ein Eigner dabei für den Betrieb von Kühlung und Klimatisierung einplanen. Nachdem die freie Kühlung, mit ihrem hohen energetischen Einsparpotenzial mittlerweile zum guten Ton in jedem modernen Rechenzentrum gehört, richtet sich der Blick der Betreiber nun vermehrt auf eine Verbesserung der Effizienz vorhandener Freikühllösungen und damit auch auf die Reduktion der Betriebskosten. Eine effektive Möglichkeit, die Leistung der freien Kühlung zu optimieren, stellt der Einsatz der adiabaten Kühlung - auch Verdunstungskühlung genannt - dar. Wenn man von adiabatischer Kühlung spricht, ist eigentlich eine adiabatische Zustandsänderung gemeint. Dabei handelt es sich um einen thermodynamischen Prozess, bei dem, durch von außen zugeführte warme Luft, Wasser verdunstet.

Beim dabei stattfindenden Phasenübergang wird der Luft Wärme entzogen. Damit dieser Vorgang möglichst effizient ablaufen kann, spielt die Außentemperatur eine wichtige Rolle: Je höher diese ist, desto leichter verdunstet das Wasser. Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist die vorherrschende Luftfeuchtigkeit. Die Umgebungsluft kann lediglich einen gewissen Anteil an Wasser binden. Bis die maximale Sättigung von 100 Prozent (100 Prozent RH) noch nicht erreicht ist, ist die Resorption weiterer Flüssigkeit möglich. Um den maximalen Effekt aus dem adiabaten Vorgang zu ziehen, ist daher eine möglichst geringe Luftfeuchte optimal.

Ihre Vorteile kann die Verdunstungskühlung im Zusammenspiel mit der freien Kühlung ausspielen. Experten unterscheiden dabei zwischen direkter und indirekter freier Kühlung: Bei der direkten Variante kommt gefilterte kühle Außenluft über mit einem Klappensystem versehene Lufteinlässe in das Innere des RZs. Die kühle Luft trägt in diesem Fall also unmittelbar zur Kühlung des RZ-Innenraums bei.

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Technischer Vergleich von Kühlkonzepten bezogen auf die Basiswerte mit Ort: Frankfurt am Main, Leistung: 1.000 kW, Gerätekonfiguration: N, max. IT-Zulufttemperatur: 26 °C, IT-Rücklufttemperatur: 38°C, Wassertemperatur: 20/30°C und Glykolanteil: 30 Prozent. Bild: Schneider Electric

Diese Methode ist zwar ausgesprochen effizient, birgt jedoch den Nachteil, dass die Luftfeuchtigkeit im Rechenzentrum drastisch ansteigen kann, was wiederum die Korrosion der Hardware begünstigt. Somit ist diese Form der Verdunstungskühlung eher für Regionen mit einem entsprechend trockenen Klima geeignet.

Indirekte Kühlung mit Wasser und Glykol

Die indirekte freie Kühlung funktioniert ähnlich wie die direkte freie Kühlung. Allerdings erfolgt der Wärmetransfer dabei mittels eines außerhalb des Gebäudes installierten Luft-Wasser-Wärmetauschers. Dort kühlt ein Gemisch aus Wasser und Glykol durch die Außenluft ab und gelangt an die im Innenraum installierten Umluftkühlungsschränke. Ein integriertes Kühlregister entzieht schließlich der Umgebung die Wärme. Da die Außenluft bei diesem Kühlverfahren nicht in das Rechenzentrum kommt, erfolgt keine negative Beeinflussung des Innenraums durch die Luftfeuchtigkeit. Damit ist diese Variante der freien Kühlung unabhängig von den äußeren klimatischen Bedingungen.

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Technischer Vergleich von Kühlkonzepten bezogen auf die Basiswerte mit Ort: Frankfurt am Main, Leistung: 1.000 kW, Gerätekonfiguration: N, max. IT-Zulufttemperatur: 26 °C, IT-Rücklufttemperatur: 38°C, Wassertemperatur: 20/30°C und Glykolanteil: 30 Prozent. Bild: Schneider Electric

Aufgrund von Übertragungsverlusten durch den Einsatz von mindestens einem zusätzlichen Wärmetauscher verschlechtert sich im Vergleich zur direkten freien Kühlung allerdings der Wirkungsgrad. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die adiabatische Kühlung mit der freien Kühlung zu kombinieren. Die in den Wärmetauscher einströmende Luft lässt sich zum Beispiel direkt mit zerstäubtem Wasser anreichern. Dabei ist es wichtig, dass die Flüssigkeit als möglichst feiner Nebel in den Luftstrom eingebracht wird, denn nur so ist eine optimale Verdunstung sichergestellt.

Evaporative Kühlung

Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von meist aus Zellulose bestehenden Befeuchtungsmatten, die mit Wasser besprüht werden und so die hindurchströmende Außenluft abkühlen. Weiterhin lässt sich der Effekt der Verdunstungskühlung auch nutzen, wenn Wasser die Lamellen eines Wärmetauschers von oben berieselt. Das zugrundeliegende Prinzip ist bei allen Varianten gleich: Das Wasser vollzieht im warmen Luftstrom einen Phasenübergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand und entzieht dabei der Luft Wärme, was letztlich zu sinkenden Temperaturen führt.

Neben der Adiabatik gibt es mit der evaporativen Kühlung, auch Swamp Cooling genannt, noch eine weitere Form der Verdunstungskühlung, die im RZ zum Einsatz kommt. Schneider Electric setzt beispielsweise bei den Airhandlern der Ecoflair-Serie auf eine solche Kühllösung: Dabei nutzt das System einen speziellen Wärmetauscher, der dank einer Vielzahl von Kanälen eine möglichst große Oberfläche aufweist. Diese Oberfläche wird nun mit Wasser benetzt. Wenn die durch die Kanäle strömende Luft auf die Flüssigkeit trifft, kommt es während des Phasenübergangs in den gasförmigen Zustand zu einem Temperaturabfall an der befeuchteten Oberfläche.

Bild2_Schneider Electric Ecoflair Airhandler
Bereits ohne adiabate Unterstützung lässt sich die Wärmelast bei Airhandlern zu 56 Prozent durch den Mischbetrieb und zu 44 Prozent der Betriebszeit komplett durch die Freikühlregister auffangen. Mit Adiabatik ist zu 99 Prozent der Laufzeit eine Freikühlung möglich. Bild: Schneider Electric

Der größte Vorteil von Adiabatik in Kombination mit freier Kühlung ist die Steigerung der Kühlleistung. So trägt der Einsatz der Verdunstungskühlung maßgeblich dazu bei, dass der Temperaturbereich, in dem der Freikühlbetrieb die komplette Wärmelast des Rechenzentrums auffangen kann, sich deutlich erweitert. Auch eine zeitliche Ausdehnung des gleitenden Mischbetriebs ist durch diese Maßnahme möglich. Daraus können letztlich Energieeinsparungen in einem erheblichen Umfang resultieren. Geht man exemplarisch von einem RZ mit einer Leistung von 1.000 Kilowatt am Standort Frankfurt am Main aus, kann ein Freikühl-Chiller ohne Adiabatik zu 59 Prozent der Betriebszeit im Freikühlbetrieb laufen. Bis zu 37 Prozent der Betriebsdauer entfallen auf den Mischbetrieb, während die noch verbleibenden vier Prozent durch mechanisch erzeugte Kühlung zu tragen sind. Diese vier Prozent entfallen dagegen komplett, wenn ein Freikühl-Chiller mit einer adiabatischen Kühllösung kombiniert wird.

Noch deutlicher werden die Vorteile der Adiabatik bei Airhandlern, wie beispielsweise den Modellen der Ecoflair-Baureihe von Schneider Electric. Bereits ohne adiabate Unterstützung lässt sich die Wärmelast zu 56 Prozent durch den Mischbetrieb und zu 44 Prozent der Betriebszeit komplett durch die Freikühlregister auffangen. Wird nun zusätzlich das Potenzial der adiabatischen Kühlung ausgeschöpft, ist eine Nutzung der freien Kühlung über 99 Prozent der Laufzeit möglich. Hinsichtlich der Kompressorbetriebsstunden ergibt sich bei Freikühl-Chillern durch den Einsatz der adiabatischen Kühlung lediglich ein geringer Vorteil. Bei den Airhandlern stellt sich das Einsparpotenzial dagegen gänzlich anders dar: Ein entsprechender Kühler kommt ohne Adiabatik auf eine Kompressorlaufzeit von etwa 4.900 Stunden im Jahr. Mit zusätzlicher Verdunstungskühlung sinkt die Nutzungsdauer der Kompressoren dagegen auf nahezu null.

Es gibt allerdings auch Nachteile. Die adiabate Kühlung ist abhängig von den vorherrschenden klimatischen Bedingungen. Standorte mit einer dauerhaft hohen Luftfeuchtigkeit sind daher ungeeignet für den Betrieb einer derartigen Kühllösung. Ebenfalls als problematisch einzuschätzen ist die Entstehung von Legionellen. Die Krankheit ähnelt der Lungenentzündung, die Übertragung geschieht über kontaminierte Wassertröpfchen. Der Gefahr lässt sich entgegenwirken, indem ein kontinuierlicher Wasseraustausch stattfindet und eine Wassertemperatur von 21°C nicht überschritten wird. Im Zweifelsfall ist auch die Verwendung von Bioziden eine Möglichkeit, um die Entstehung von Legionellen wirksam zu unterbinden. Ein weiterer Nachteil kann der Wasserverbrauch sein, der speziell in Gebieten, in denen das Wasser knapp ist, einen Einsatz der adiabaten Kühllösungen verhindern kann.

Fazit

Die Frage, ob sich eine durch Adiabatik aufgewertete Kühllösung für ein Rechenzentrum in Mitteleuropa überhaupt eignet, ist mit einem ganz klaren Ja zu beantworten. Speziell mit einem effektiven Airhandler ist der Einsatz der Verdunstungskühlung faktisch ein Muss. Bis zu 99 Prozent der Laufzeit ist in einem solchen Fall keine Kälteerzeugung mittels Kompressoren nötig. Das energetische Einsparpotenzial ist entsprechend hoch. Da in Zukunft vermutlich häufiger mit besonders heißen Sommern wie im Jahr 2018 zu rechnen ist, werden die dann vorherrschenden Temperaturen die Effektivität der Verdunstungskühlung noch weiter ansteigen lassen. Auf den Punkt gebracht lässt sich daher sagen: Freie Kühlung ohne den Einsatz von adiabater Kühlung ist schlicht eine Verschwendung von Potenzial und Energie.

Thomas Nieschalk ist Systems Engineer Cooling DC Application Center – DACH bei Schneider Electric, www.schneider-electric.de.


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