Nachhaltigkeit im Rechenzentrum und Zertifizierungen

Schrittweise Verbesserung

11. Mai 2023, 7:00 Uhr | Andreas Nobell/jos
Der Screenshot zeigt, wo sich auf der Seite von TCO Development mehrere Anleitungen zum nachhaltigen Wirtschaften nach Registrierung downloaden lassen.
© TCO Development

Nicht erst seit der Energiekrise legen immer mehr Unternehmen Wert darauf, den Bedarf für Strom und Kühlung ihrer Systeme in den Griff zu bekommen und zu senken. Dies gilt nicht nur als Beitrag, die Kosten des Unternehmens zu senken, sondern – gerade in jüngster Zeit – auch, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Doch reicht dies aus, um ein Rechenzentrum in einem umfassenden Sinn als „nachhaltig“ zu bezeichnen?

Generell sollte man Nachhaltigkeit deutlich weiter definieren als „Energieverbrauch plus CO2-Ausstoß“, denn die Zahl der Faktoren, die in puncto Nachhaltigkeit eine Rolle spielen, ist weitaus größer. Betreiber sollten beispielsweise auch andere Aspekte – zum Beispiel die soziale Verantwortung, Kreislaufwirtschaft und Schadstoffe – bei einer umfassenden Nachhaltigkeitsbetrachtung beachten. Denn nur dann können die Unternehmen ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht werden.
Zudem gilt es beim Thema Nachhaltigkeit von Rechenzentren insbesondere auf die darin genutzte IT-Hardware wie Server, Speicherlösungen und Netzwerkgeräte zu achten und dabei den gesamten Produktzyklus der Systeme in die Analyse der Nachhaltigkeit einfließen zu lassen.

Aus Sicht mancher Unternehmen beginnt dieser Zyklus erst mit dem Einschalten der Geräte im eigenen Rechenzentrum und endet mit dem Abschalten. Doch bei einer ganzheitlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit nimmt diese ihren Anfang wesentlich früher – mit dem Abbau der Rohstoffe – und endet wesentlich später – bei der finalen Entsorgung oder dem Recycling. Dazu lohnt es sich, zunächst eine etwas detailliertere Betrachtung der einzelnen Phasen der Produkte vorzunehmen.

Der Abbau der Rohstoffe: IT-Produkte enthalten Konfliktmineralien, die zu einem großen Teil auf nicht nachhaltige Weise von Arbeitern – zum Teil auch von Kindern – abgebaut werden, deren grundlegende Menschenrechte nicht geschützt sind. Nicht selten kommen dabei Stoffe zum Einsatz, die Leib und Leben der Menschen gefährden sowie kurz-, mittel- und langfristige Umweltschäden verursachen.

Die Produktion: Ähnliches gilt auch dabei. Zwangsarbeit, giftige und gefährliche Umgebungen, überlange Arbeitszeiten, niedrige Löhne sind bis heute keine Seltenheit.

Transport: Selbstverständlich ist es heute kaum möglich, überall auf fossile Brennstoffe zu verzichten, aber auch hier wächst das Potenzial für nachhaltiges Handeln.

Das Produkt: Dort kommen ebenfalls bei vielen Herstellern unnötigerweise giftige Stoffe zum Einsatz, die später diffundieren und die Gesundheit der Menschen gefährden sowie die Umwelt schädigen können. Der Energieverbrauch und die Effizienz eines Produkts sind ebenfalls zu betrachten. Denn je niedriger die Effizienz, desto mehr Strom muss zur Erzielung eines gewissen Leistungsniveaus aufgewendet werden, dessen Erzeugung angesichts des kurz- und mittelfristig genutzten Energiemixes hierzulande mit großen Treibhausgasemissionen einhergeht. Auch die Art des Aufbaus eines Produkts ist an dieser Stelle wichtig, denn der einfache Austausch einzelner Komponenten kann auf der einen Seite die Nutzungsdauer eines Produkts deutlich erhöhen. Auf der anderen Seite vereinfacht dies den letzten Teil des Produktlebenszyklus.

Die Entsorgung: Darüber hinaus lassen sich Komponenten so einsetzen, dass man sie am Ende des Einsatzes oder des Lebenszyklus einfach ausbauen kann. Damit erleichtert der Hersteller den verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen im Sinne einer Reparatur, des Refurbishings oder Recyclings.

Es gehört dabei sicher nicht zu den Aufgaben der Unternehmen, bei jedem Router, jedem Server und jedem Speichersystem eigenständig die gesamte Lieferkette auf die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien zu prüfen. Dies ist aufwendig und kostet bisweilen auch viel Geld.

Umgekehrt kann es jedoch schwierig oder missverständlich sein, wenn Unternehmen ausschließlich den Aussagen der Hersteller folgen, die sich möglicherweise lediglich selbst als nachhaltig deklarieren, ohne dass dies unbedingt einer unabhängigen Prüfung standhielte. Was ist also zu tun? Eine ohne Zweifel sinnvolle Möglichkeit ist es, Zertifizierungen unabhängiger Dritter als Kriterium für die Auswahl der Systeme heranzuziehen, die im Rechenzentrum zum Einsatz kommen. Wichtig ist dabei, dass die Organisation kein Anhängsel eines Herstellers ist, sondern komplett frei – natürlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben – und transparent agieren kann.

Damit sind gleich mehrere Vorteile verbunden. Zum einen sorgen Zertifizierungen der Geräte unterschiedlicher Anbieter durch eine Organisation mit den gleichen Kriterien für Vergleichbarkeit. Zum anderen entsteht dadurch eine größere Glaubwürdigkeit der Zertifizierungen, denn die Organisation ist daran interessiert, durch Transparenz und Sorgfalt dafür zu sorgen, dass sich möglichst viele Anbieter an den Prüfungen beteiligen und Kunden das Label in ihren Einkaufsbedingungen verwenden. Fehlt Sorgfalt und/oder Transparenz, ist der Ruf der zertifizierenden Organisation sehr schnell beschädigt – sie wird unglaubwürdig.

Ein Beispiel für eine umfassende Nachhaltigkeitszertifizierung ist TCO Certified. Dort finden bei der Nachhaltigkeitsprüfung von Rechenzentrums-Produkten gleich eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte Beachtung. Dazu gehört die soziale und ökologische Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg. Zertifizierte Produkte müssen, um eine Zertifizierung zu erhalten, energieeffizient sein und strenge Anforderungen in Bezug auf gefährliche Stoffe, zur sozialverträglichen und umweltfreundlichen Herstellung sowie zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft erfüllen. Die Kriterien gelten dabei weltweit, sind verbindlich, eng gefasst und werden unabhängig überprüft.

Bisher haben viele Unternehmen wenig bis gar nichts für die Nachhaltigkeit von Geräten wie Servern, Netzwerkausrüstungen und Datenspeicherprodukten getan. Dies dürfte nicht zuletzt an der Komplexität und Glaubwürdigkeit manch einer (Selbst-)Deklarierung gelegen haben. Dennoch ist die soziale Verantwortung in der Lieferkette ist ein Schlüsselbereich, den Unternehmen auch beim Kauf von Rechenzentrums-Hardware fördern sollten, da Arbeitszeiten und -bedingungen in der gesamten Lieferkette eine ständige Herausforderung darstellen.

Die Verlängerung der Produktlebensdauer ist ein weiterer Aspekt, der hohe Priorität verdient, da der Kauf von reparierbaren, aufrüstbaren und recycelbaren Produkten der effektivste Weg ist, um den Elektroschrott zu reduzieren, den ein Unternehmen unweigerlich erzeugt. Ein umfassender Ansatz für die Nachhaltigkeit von Kaufentscheidungen ist daher unerlässlich. Aber nur unabhängige und transparente Zertifizierungen, bei denen die Einhaltung der Kriterien immer überprüft wird, können für echte Nachhaltigkeitsverbesserungen und eine Transformation hin zu nachhaltigen Rechenzentren sorgen.

Andreas Nobell ist Development-Manager bei TCO Development.

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