Niedrigere USV-Kosten und mehr Zuverlässigkeit

USV-Batterie als Geschäftsmodell

1. März 2018, 7:00 Uhr | Dr. Hans-Günter Schwarz, Dr. Martin Halupka und Luca Buscherini

Herkömmliche Lösungen von unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USVs) halten die Batterie nur für den Fall eines äußerst seltenen Netzzusammenbruchs vor. Dadurch kommt die Batterie jedoch nahezu nie zum Einsatz. Ihre Zuverlässigkeit leidet. Zudem stellt sie gemeinsam mit den aufgrund von Redundanzanforderungen vorhandenen erheblichen Überkapazitäten an sonstiger technischer Infrastruktur (Transformatoren, Umrichter) nur ungenutztes Kapital dar.

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Bild 1. Redundanzen beim Einsatz von USV-Lösungen. Bild: Bitkom (2013), Leitfaden Betriebssicheres Rechenzentrum, Version 3, S.26

USV-Anlagen mit Zusatzfunktion (USV+) nutzen dagegen die USV-Batterien neben ihrer Backup-Aufgabe zur Bereitstellung von Netzdienstleistungen. Damit bietet das USV+-Konzept Rechenzentrumsbetreibern zwei Vorteile: Einerseits steigt die Versorgungssicherheit des Rechenzentrums. Denn anstatt einer vergleichsweise einfachen Backup-Batterie gehört zum System nun eine Premiumbatterie, die zudem permanent eingesetzt und überwacht wird. Andererseits lassen sich die Kosten für die USV-Infrastruktur reduzieren, da die Erlöse aus den bereitgestellten Netzdienstleistungen die Zusatzkosten für die Premiumbatterie überkompensieren. Erste Anbieter bringen aktuell entsprechende Lösungen auf den Markt. Das erste Produkt für den deutschen Markt (Master+) hat RWE gemeinsam mit Riello Power Systems entwickelt, wobei die Vermarktung der Netzdienstleistungen durch RWE erfolgt. Auf diese Weise profitieren Betreiber von Rechenzentren von den zuvor genannten Vorteilen, ohne dass ihnen Zusatzaufwand entsteht.

Klassische USV-Batterie-Anlagen

Rechenzentren zählen zu den grundlegenden Aktiva eines Unternehmens: eine Einrichtung, von der die gesamte Organisation abhängt. Durch Einhaltung definierter Qualitätskriterien soll eine möglichst hohe Verfügbarkeit entstehen. Im "Leitfaden für betriebssichere Rechenzentren" spezifiziert der Branchenverband Bitkom sehr detailliert diese Qualitätskriterien. Diese variieren abhängig von der zulässigen Ausfallzeit und damit von der RZ-Kategorie.

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Bild 2. Leistungsabgabe in Abhängigkeit von der Frequenz und optionale Übererfüllung. Bild: ÜNB (2014): Eckpunkte und Freiheitsgrade bei Erbringung von Primärregelleistung, S.4

USV-Anlagen haben dabei die Aufgabe, Störungen wie Spannungsstöße oder Spannungseinbrüche zu filtern und Unterbrechungen im Netz zu überbrücken, um Schäden an Hard- und Software zu verhindern. Die am häufigsten eingesetzte Technik sind dabei statische USV-Batteriesysteme. Einzelblockanlagen umfassen alle für die Funktion der Anlage erforderlichen Komponenten wie

  • Gleichrichter,
  • einen eigenen Batteriezwischenkreis mit Batterie,
  • Wechselrichter,
  • einen elektronischen Bypass und
  • eventuell einen mechanischen Bypass.

Diese Anlagen sind als eigenständige Einheit voll funktionsfähig. Der Leistungsbereich von Einzelblockanlagen reicht von rund 300 VA bis zu etwa 900 kVA.

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Tabelle 1. RZ Kategorien (für RZ/Server-Räume) und Anforderungen. Quelle: BITKOM (2013), Leitfaden Betriebssicheres Rechenzentrum, Version 3, S. 19/22/28/31 (vereinfacht)

Der Bitkom-Leitfaden fordert ab Rechenzentrumsklasse B eine Redundanz der USV-Systeme, das heißt: den parallelen Einsatz mehrerer Einzelblockanlagen. Bild 1 zeigt die möglichen Redundanzen beim Einsatz von USV-Lösungen.

USV-Batterien (zumeist Blei), die nur klassischen USV-Zwecken (wie Spannungshaltung, Überbrückung) dienen, sind stets vollgeladen, werden regelmäßig mit geringen Strömen nachgeladen und nur sporadisch abgerufen oder auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Dies senkt die Zuverlässigkeit. Ihre Größe hängt davon ab, wie lange die Batterien einen Netzausfall überbrücken sollen. Der Bitkom-Leitfaden fordert mindestens zehn Minuten.

Eine wichtige Voraussetzung für einen stabilen und zuverlässigen Netzbetrieb ist ein ständiges Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromabnahme. Um dies zu gewährleisten, halten die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Regelleistung vor. Ein Bedarf an Regelenergie entsteht, sobald die Summe der aktuellen Kraftwerkseinspeisungen von der aktuellen Abnahme abweicht. Abweichungen können einerseits abnahmeseitig bedingt sein (etwa meteorologische Einflüsse, Fehler in der täglichen Bedarfsprognose) sowie andererseits auf der Erzeugungsseite entstehen (zum Beispiel Kraftwerksausfälle).

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Bild 3. Annahmen zum Business Case. Quelle: RWE, Riello Power Systems

Experten unterscheiden insbesondere mit Blick auf die Aktivierungsgeschwindigkeit verschiedene Regelleistungsqualitäten (Tabelle 2). Batterien lassen sich innerhalb von Millisekunden aktivieren und sind daher grundsätzlich für den anspruchsvollsten Regeleistungsmarkt geeignet, den Primärreserveleistungsmarkt (PRL-Markt).

Tatsächlich haben sich die Batteriekapazitäten im PRL-Markt in den vergangenen beiden Jahren in Deutschland mehr als verfünffacht. Nach knapp 30 MW im Jahr 2015 liegen sie inzwischen bei fast 160 MW.

Die genauen Anforderungen an die Betreiber von Batterieanlagen zur Erbringung von PRL ergeben sich aus den Leitfäden der ÜNB. Die Richtlinie "Eckpunkte und Freiheitsgrade bei Erbringung von Primärregelleistung" definiert unter anderem die Leistungsabgabe der Batterie auf eine Frequenzänderung, die existierenden Freiheitsgrade und Regeln zum aktiven Batterielade-Management.

Bild 2 zeigt die vorgegebene Leistungsabgabe der Batterie bei einer Abweichung der Frequenz von der Sollfrequenz (50 Hz). Eine Übererfüllung (bis 120 Prozent) ist zulässig. Eine Untererfüllung ist hingegen nicht zulässig. Die Wiedererreichung des optimalen Ladestands der Batterie ist durch Lade- und Entladevorgänge über den Markt mittels Fahrplangeschäft (Börsen- oder OTC-Geschäfte) möglich. Dabei ist sicherzustellen, dass die Erbringung der Netto-Primärregelleistung (= Leistung aus Batteriespeicher minus bezogene Leistung von anderen Einheiten) weiterhin den Vorgaben aus dem Regelwerk entspricht.

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Tabelle 2. Regelleistungsqualitäten. In Anlehnung an Transpower Stromübertragungs GmbH: Beschaffung von Regelleistung und -energie in Deutschland

Die notwendige Größe der Batterie ist in der ÜNB-Richtlinie "Anforderungen an die Speicherkapazität bei Batterien für die Primärregelleistung" festgelegt. Die meisten Betreiber existierender Batterieanlagen haben sich für die Option "PRL-Erbringung im Pool" (also zusammen mit anderen PRL-fähigen Anlagen) entschieden, da dies auch Batterien mit einer relativ zur Leistung kleineren Batteriekapazität eine Teilnahme am PRL-Markt ermöglicht. In diesem Fall ist pro 1 MW primärregeleistungsfähiger Leistung mindestens 1 MWh an nutzbarer Batteriekapazität vorzuhalten.

Technisches Konzept von USV+

Die Redundanzanforderungen ab RZ-Kategorie C führen dazu, dass erhebliche, im Regelfall nicht genutzte Überkapazitäten an elektrotechnischer Infrastruktur (etwa Transformatoren) vorliegen, die sich für Netzdienstleistungen nutzen lassen. Solche Überkapazitäten machen USV+ erst möglich, denn dies erlaubt im Gegensatz zu klassischen USV-Batterie-Systemen die Bereitstellung von Primärreserven. Um das Konzept zu verstehen, lohnt ein Blick auf die technischen Unterschiede.

USV+ nutzt einen Vier-Quadranten-IGBT-Gleichrichter, der eine Rückspeisung von Leistung ins Netz erlaubt. Es verwendet eine zyklenfeste Premiumbatterie, die sowohl für die eigentliche Absicherungsfunktion als auch für den Anwendungszweck Primärregelleistung optimiert ist. Sie kann mit hohen Ladeströmen (und damit Leistungen) geladen (und entladen) werden. Die USV+-Batterie ist größer als die klassische USV-Batterien. Sie ist logisch in zwei Sektoren aufgeteilt: einen Sektor, der für die Sicherung des Rechenzentrums bestimmt ist (Backup = 10 min), und einen Sektor für die PRL (PRL = 1 h). Dadurch, dass die Batterie bei der PRL-Bereitstellung normalerweise im PRL-Regelband mit einem Ladezustand von gut 50 Prozent des Sektors für PRL (entspricht einem Ladestand von etwa 70 bis 80 Prozent der gesamten Batterie) arbeitet, steht damit bei einem Netzausfall zur Absicherung des Rechenzentrums üblicherweise eine Überbrückungszeit von mehr als 40 Minuten (anstatt zehn Minuten) zur Verfügung. Die USV+-Batterie lässt sich mittels eines Batterie-Monitorings dezidiert überwachen. Zudem ist USV+ über eine Fernwirktechnik mit einem zentralen Einsatzzentrum verbunden. Die Fernwirktechnik steuert dezentral die Reaktion der Batterie auf die Frequenzänderung und dient auch als aktives Batterie-Management.

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Tabelle 3. Ausschreibungsregeln und Marktergebnisse bei PRL Quelle: regelleistung.net

Dadurch, dass bei einem Netzausfall die PRL-Funktion automatisch und verzögerungsfrei deaktiviert wird, ist die klassische Absicherungsfunktion weiterhin uneingeschränkt verfügbar. Die Versorgungssicherheit steigt sogar, da eine größere, stets genutzte und damit getestete sowie überwachte Batterie zu Verfügung steht. USV+ kann am Primärregelleistungsmarkt partizipieren, der zwar der anspruchsvollste, jedoch auch ertragreichste Regelenergiemarkt ist. Tabelle 3 gibt einen Überblick über Ausschreibungsregeln und das Marktergebnis 2017.

Der Marktzugang zum Primärleistungsmarkt erfolgt über zugelassene Anbieter (Aggregatoren). Dies erklärt beispielsweise beim genannten Produkt Master+ die enge Kooperation von RWE als Aggregator und Riello Power Systems als Technikhersteller und USV-Produzent.

Der Aggregator vermarktet die Batterie aus einem Pool, also gemeinsam mit anderen primärleistungsfähigen Anlagen wie beispielsweise an das Netz angeschlossene Kohle- oder Gaskraftwerke. Er sichert die Batterie gegen Ausfälle durch einen aus dem Pool gestellten Reservevektor. Auch ist er dafür verantwortlich, dass die Batterie immer nahe dem angestrebten Ladezustand (etwa 50 Prozent des Sektors für PRL oder rund 70 bis 80 Prozent der gesamten Batterie) bleibt. Dazu organisiert er entsprechende Fahrplangeschäfte, also Kauf und Verkauf passender Strommengen.

USV+ rechnet sich

USV+ erwirtschaftet durch die PRL-Vermarktung Einnahmen, wobei die Vermarktung in der Regel durch die USV+-Anbieter erfolgt. Diese Einnahmen überkompensieren die zusätzlichen Ausgaben für die größere Premiumbatterie. Die Überschüsse kann der Anbieter an den Rechenzentrumsbetreiber weitergeben, sodass dessen Investitions- und Betriebskosten für die USV-Batterie sinken, obwohl er eine bessere Batterie erhält.

Das Beispiel in Bild 3 geht von einem Rechenzentrum mit 1 MW Last und zwei redundanten Versorgungslinien aus.

Dr. Hans-Günter Schwarz ist bei RWE Supply & Trading im Business Development Asset Management tätig, www.rwe.de. Dr. Martin Halupka ist Senior Contract Manager bei RWE Supply & Trading , www.rwe.com. Luca Buscherini ist Country Manager Deutschland und Geschäftsführer bei Riello Power Systems, www.riello-powersystems.de.


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