Glosse

Kindinger Mitteilungen (3): Silver Surfer und rostige Radler

8. Oktober 2012, 6:07 Uhr | LANline/Dr. Wilhelm Greiner

Angehörige der Generation 65+ werden heute gern "Silver Surfer" genannt, weil sie sich zunehmend begeistert im Wilden Weiten Web tummeln. Und wohl auch, weil "Senile Surfer" oder "Google-Greise" marketingmäßig betrachtet nicht sooo gut rüberkommt, also rein zielgruppenorientiert gesehen.

Angefangen hat der silberhaarige Sich-im-Web-Auskenner in der Regel als „12 o’Clock Flasher“: als jemand, bei dem die Digitaluhren sämtlicher elektrischer Haushaltsgeräte ständig eine blinkende „12:00“ zeigten, weil er nicht wusste, wie man das ändert. Später hat er sich dann vom Den-Enkel-Frager-wie-man-in-dieses-Internetz-kommt über den E-Mail-Ausdrucker zum Auch-mal-was-bei-Ebay-Versteigerer gemausert, um heute routiniert das neue Ipad („Das kann sogar Tante Elfriede bedienen“) im Apple-Store zu bestellen oder die Last-Minute-Thailand-Reise online zu buchen und anschließend das Hotel auf Facebook abzukanzeln.

Gerade im Spätsommer – der ja nicht umsonst „Altweibersommer“, pardon: „Silver-Surferinnen-Sommer“ heißt – zieht es die rüstigen Rentner allerdings weg vom PC und per Fahrrad oder auf dem immer beliebteren E-Bike hinaus in die Landschaft, etwa ins seniorengerecht steigungsarme Altmühltal. Das Problem: Wird der silberne Surfer zum Verkehrsteilnehmer, dann ist es meist recht schnell vorbei mit der kompetenten Manövrierfähigkeit. Zwar gibt es durchaus die alerten Durchtrainierten von der „Extremsport geht auch mit künstlichem Hüftgelenk“-Fraktion; doch die meisten Silver Surfer erwecken auf dem Draht- oder Akku-Esel eher den Eindruck, als wollten sie beweisen, dass nicht die digitale Demenz, sondern vielmehr der geistig rostige radelnde Rentner hierzulande die größte Gefahr darstellt.

Deshalb folgen hier ein paar Tipps für den Silver E-Biker:

1. Schieben Sie das E-Bike zunächst in die Kreuzungsmitte, steigen Sie dort in Ruhe auf und überlegen Sie sich dann erst, ob Sie überhaupt wissen, wie man dieses neumodische Zeugs bedient. Solch ein behutsames Vorgehen hat sich ja damals beim PC schon bewährt. Beachten Sie die hupenden PKW-Fahrer gar nicht – die freuen sich lediglich über den hohen Fitnessgrad heutiger Senioren und wollen Sie nur anfeuern.

2. Lassen Sie sich vom anhaltenden Gehupe und Gefluche auch nicht dabei stören, nun in Ruhe auf der Landkarte – für Besserverdiener: auf dem am Lenker montierten Ipad – nachzusehen, wo Sie überhaupt hinwollen. Hektik ist schließlich schlecht für den Blutdruck. Und Sie sind ja hier im Urlaub und nicht auf der Flucht. Wie damals in Ostpreußen.

3. Das Tolle am E-Bike ist ja, dass man nicht so viel strampeln muss wie damals vor’m Krieg, und dass man jetzt viel mehr Zeit hat, die Landschaft zu genießen. Die Betonung liegt dabei auf „Landschaft“ – Verkehrsschilder sind hier explizit ausgenommen. Schließlich sind Sie ja hier im Urlaub, falls wir das noch nicht erwähnt hatten, und da gelten die Verkehrsregeln für Sie sowieso nicht.

4. Fahren Sie auch mit Tempo 10 km/h stets auf der Bundesstraße und generell nie auf einem dieser neumodischen Fahrradwege. Die hat’s damals im Krieg schließlich auch nicht gegeben. Der Adolf hat schon gewusst, wieso er Autobahnen hat bauen lassen und keine Fahrradbahnen. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

5. Vergessen Sie nie die goldene Regel aus Ihren Kindertagen: Wenn Bombenalarm ist, Licht aus! Und Bombenalarm ist quasi immer. Denn dem Russen ist bekanntlich nach wie vor nicht zu trauen. Also fahren Sie am besten immer ohne Licht, nachts und auch bei Nebel oder Dämmerung. Er kommt ja gerne in der Dämmerung, der Russe, wie damals in Ostpreußen.

6. Wichtig ist zudem, keinesfalls Richtungs- oder Fahrspurwechsel per Handzeichen kenntlich zu machen. Weil das mit dem gestreckten Arm war ja vor 45 sehr verbreitet, alle haben da quasi ständig den geplanten Richtungswechsel nach schräg vorne oben angezeigt, Verkehrssicherheit wurde damals ja sehr groß geschrieben. Aber danach hatte man nur Scherereien mit den Ausländern, wenn man Fotos davon erklären sollte. Dabei war nicht alles schlecht damals, zum Beispiel die Autobahnen. Und die Verkehrssicherheit. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

7. Die Reichweite eines E-Bikes ist leider sehr begrenzt. Die Akkus kommen bestimmt alle aus China, und die können das natürlich nicht, Akkus herstellen, die nicht nur für die Hinfahrt reichen, sondern auch noch zurück. Typisch! Das ist aber noch lange kein Grund, sich über die Reichweite des Akkus Gedanken zu machen oder gar darüber, wo man ihn unterwegs wieder aufladen könnte. E-Bike-Ladestationen hat’s schließlich damals im Krieg auch nicht gegeben, und der Adolf wusste schon, warum er Autobahnen hat bauen lassen und keine E-Bike-Ladestationen.

8. Am besten isses sowieso, man bleibt als Rentner gleich zu Hause und fährt gar nicht mehr weg, sollen sich die Chinesen doch selber mit diesen Drecksakkus rumärgern. Und mit diesen blöden E-Bikes, wo man dann plötzlich doch selber treten muss, weil der Akku alle ist, und dann merkt man, wie schwer diese Scheißdinger sind. Und wenn man dann mitten auf der Kreuzung nicht weiterkommt, dann hupen wieder alle. Und vor lauter Schreck kriegt man dann plötzlich hohen Blutdruck und zeigt an, dass man nach schräg vorne oben fahren möchte. Und schon hat man wieder Scherereien, bloß wegen der Verkehrssicherheit. Das hätt’s damals ja nicht gegeben.

War überhaupt alles viel besser damals. Also: damals, in der Zeit ohne Silver Surfer und ohne E-Bikes.


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