Nachhaltiges Hochleistungsrechnen

Lenovo und die TU Darmstadt präsentieren die zweite Ausbaustufe des Supercomputers Lichtenberg II

11. Juli 2023, 12:00 Uhr | Lukas Steiglechner
© T. Reinmann

Einblicke in die Batterie- und Metallforschung oder auch Beiträge zur Untersuchung von Viren – der Supercomputer Lichtenberg II der TU Darmstadt ermöglicht verschiedene Einsatzszenarien mit sich. In seiner zweiten Ausbaustufe zeigen die Technische Universität und Technik-Partner Lenovo, wie der Hochleistungsrechner auch nachhaltig arbeiten soll.

Lenovo und die Technische Universität Darmstadt haben die Eröffnung der nächsten Ausbaustufe ihres Lichtenberg II Supercomputers bekannt gegeben. Er soll einen Meilenstein in der Entwicklung des nachhaltigen Hochleistungsrechnens darstellen. Lichtenberg II ist Teil des Verbundes für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) und unterstützt die überregionale Bereitstellung von Rechenleistung für die Wissenschaft auf eine nachhaltige und ressourceneffiziente Art und Weise.

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Technologie und Nachhaltigkeit

Lichtenberg II, Ausbaustufe 2, ist einer der weltweit ersten HPC-Cluster mit der 4. Generation von Intel Xeon Scalable Prozessoren (Sapphire Rapids) und Intel Xeon Max Series (Sapphire Rapids HBM). Ausgestattet mit 576 HPC-Nodes vom Typ Lenovo ThinkSystem SD650 V3, fast 60.000 CPU-Kernen und 297,98 TB RAM bietet die neue Ausbaustufe des Lichtenberg II enorme Rechenleistung und unterstützt damit Forscher in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen, so Lenovo.

Dabei ist die Neptune Warmwasserkühlung von Lenovo im Einsatz, die es ermöglicht, Prozessoren durch höhere Wassertemperaturen effizienter zu betreiben, um die Leistung weiter zu steigern. Dabei ermöglichen spezielle Wärmetauscher und Coolant Distribution Units (CDUs) hohe Rücklauftemperaturen von über 45 Grad Celsius, um eine sinnvolle Nachnutzung der Energie zu ermöglichen. Wassergekühlte Rücktüren verhindern zusätzlich, dass Wärme ins Rechenzentrum gelangt. Dies führt zu einer verbesserten Energiebilanz.

Ein Development Rack für kommende CPU- und GPU-Systeme stellt darüber hinaus die Zukunftsfähigkeit des Systems sicher, sodass die TU Darmstadt ihre Forschungsinfrastruktur kontinuierlich erweitern kann. Außerdem plant die Technische Universität, die energieeffiziente Nutzung weiter auszubauen. Beispielsweise soll der Einsatz der Energy Aware Runtime die Nachhaltigkeit und Effizienz von Software weiter steigern. Anwender können so wählen, ob das System die Berechnungen möglichst schnell oder möglichst energieeffizient ausführen soll. Bereits geplant ist eine Erweiterung mit Intel Data Center GPU Max (Ponte Vecchio), so Lenovo weiter.

Vielfältige Nutzungsszenarien für die Forschung

Der Lichtenberg II Supercomputer unterstützt eine breite Palette an Forschungsbereichen und soll künftig noch mehr zur Beschleunigung wissenschaftlicher Entdeckungen beitragen. In der Batterieforschung hat der Einsatz von Lichtenberg II beispielsweise dazu beigetragen, tiefere Einblicke in die Vorgänge in Lithium-Ionen-Batterien zu gewinnen: Während des Ladevorgangs wird Lithium aus den Kathodenmaterialien extrahiert, die währenddessen mehrere Phasenübergänge durchlaufen. Das Studium solcher Prozesse ist entscheidend, um die chemomechanische Abnutzung von Batteriematerialien besser zu verstehen und zukünftig widerstandsfähigere und leistungsfähigere Batterien zu entwickeln.

Auch in der Metallforschung kann Lichenberg II einen wichtigen Beitrag leisten. Metalle haben als chemische Speicher für erneuerbare Energie das Potenzial, die weltweiten CO2-Emissionen um mehr als 30 Prozent zu reduzieren. Im Projekt Clean Circles wird Eisen als Energieträger untersucht. Die CO2-freie Verbrennung von Eisenpulver setzt die vorher eingespeicherte erneuerbare Energie frei und wird für die Wärme- und Stromerzeugung genutzt. Die dabei entstehenden Eisenoxide mit niedriger Energiedichte werden mit erneuerbarer Energie wieder zu Eisen reduziert und der Kreislauf somit geschlossen.

Lichtenberg II ermöglicht hochauflösende Simulationen der Eisenstaubverbrennung. Wie bei einem Mikroskop gewinnen die Wissenschaftler Einblicke in die mehrphasigen Prozesse – vom mikrometergroßen Einzelpartikel bis zu metergroßen Flammen in Brennkammern – und können die Interaktion von Strömungsmechanik, Wärmetransport und Partikelverbrennung analysieren. Mit diesem Wissen lässt sich die nächste Generation von hocheffizienten und sauberen Brennkammern für Eisen entwickeln.

Auch bei der Erforschung von Viren wie SARS-COV-2 konnte Lichtenberg II Beiträge leisten. Neue Simulationen haben so zum Beispiel bestätigt, dass das Spike-Protein des Coronavirus für elektrische Felder anfällig ist, unabhängig von der Virusvariante. Interessanterweise zeigt sich auch, dass die Struktur, die das Spike-Protein nach der Verbindung des Virus mit der Zelle einnimmt, die sogenannte virale Fusion, trotz elektrischer Felder sehr stabil bleibt. Dieses erweiterte Verständnis des Virus, besonders die Anfälligkeit gegen elektrische Felder vor der viralen Fusion, könnte möglicherweise in Zukunft bei der Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze helfen.

Ein Meilenstein für das nationale Hochleistungsrechnen

Die Finanzierung der Investitionskosten für den Lichtenberg II Supercomputer stellen je zur Hälfte durch den Bund und das Land Hessen sicher. Diese gemeinsame Investition unterstreicht die Bedeutung der Hochleistungsrecheninfrastruktur für die wissenschaftliche Gemeinschaft und fördert die Spitzenforschung in Deutschland. Bund und Land fördern das Gesamtsystem dabei in Summe mit rund 15 Millionen Euro.

Der Lichtenberg II wird Teil des Nationalen Hochleistungsrechnen-Verbunds (NHR-Verbund), der darauf abzielt, die Hochleistungsrechenkapazitäten für Forschung und Entwicklung in Deutschland weiter auszubauen. Die Zusammenarbeit und Vernetzung von Hochleistungsrechenzentren im NHR-Verbund soll die Effizienz und der Zugang zu leistungsstarker Recheninfrastruktur für Wissenschaftler und Forscher in ganz Deutschland erhöhen. Der Lichtenberg II soll eine bedeutende Rolle in diesem Netzwerk einnehmen und dazu beitragen, Deutschland als internationalen Innovationsführer im Bereich Hochleistungsrechnen zu etablieren. Im Rahmen dieses Programmes wird Lichtenberg II weitergeführt und das Lichtenberg System weiter ausgebaut.

„Die TU Darmstadt ist eines von neun Zentren des Nationalen Hochleistungsrechnens (NHR)“, erklärt Professor Christian Bischof vom Fachgebiet Scientific Computing. „Das Zentrum NHR4CES (NHR for Computational Engineering Sciences), das die TU Darmstadt zusammen mit dem NHR-Zentrum RWTH Aachen vorantreibt, unterstützt die Simulation von technischen Produkten, die von zentraler Bedeutung für Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft sind.“ Der Schwerpunkt von NHR4CES an der TU Darmstadt liege auf den Ingenieur- und Materialwissenschaften sowie der ingenieurwissenschaftlich orientierten Physik und Chemie. Methodische Ansätze wie numerische Simulation oder künstliche Intelligenz würden mit integrierten Lösungen für Hochleistungsrechnen und Forschungsdaten-Management verzahnt.


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