Energieeffizienz-Management

Messen, verbessern, sparen

11. März 2010, 8:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Die Sorge um die Folgen der Finanzkrise hat dem Green-IT-Hype den Rang abgelaufen. Das bedeutet aber nicht, dass Green IT heute weniger wichtig wäre: Energieeffizienz bedeutet Energiekostenersparnis - gerade in Krisenzeiten ein willkommener Effekt. Bei Ausschreibungen gehört deshalb die Frage nach dem Stromverbrauch inzwischen zum Alltag. Im Fokus steht heute die Messbarkeit der Energieeffizienz im RZ sowie unternehmensweit - bis hin zum CO2-Report. Dies erfordert das Zusammenspiel von IT- und Facility-Management.

Der Markt bietet heute eine Fülle punktueller wie auch übergreifender Lösungen, um die dringend
benötigte Transparenz in Sachen Energieverbrauch zu schaffen: Sensoren messen in Servern von IBM,
HP und Co. den Stromverbrauch auf Komponenten- oder Systemebene, während intelligente
Stromverteiler wie zum Beispiel Avocents PM3000-Serie ihn bis hin zum einzelnen Verbraucher messen
und dank Power-Management-Software kontinuierlich erfassen. Lösungen wie Eatons ESS (Energy Safer
System) bieten Mechanismen, um den Wirkungsgrad von USV-Anlagen zu erhöhen. Methoden wie freie
Kühlung senken den Energiebedarf für die Entsorgung der Abwärme von Server- und
Storage-Gerätschaft, und RZ-Planer offerieren Consulting-Leistungen, um Klimatisierung und Kühlung
möglichst wirkungsvoll auszulegen.

Speziallösungen wie HP Thermal Logic zeichnen Messgrößen im Rechenzentrum auf, aggregieren sie
und erlauben es damit, die Temperaturentwicklung im RZ in Echtzeit grafisch darzustellen. Am oberen
Ende des Lösungsspektrums findet man umfassende Energie-Management-Lösungen für das RZ wie IBMs
Cool-Blue-Portfolio oder HPs Data Center Smart Grid. Für eine freundlichere Energiebilanz auf
Client-Seite schließlich sorgen Thin Clients von Igel, Sun, Wyse und Co. sowie zentrale
Power-Management-Lösungen für die PC-Bestände wie etwa die von Landesk oder Lanrev. Der
Green-IT-Werkzeugkasten ist also üppig bestückt.

Dennoch haben viele Unternehmen derzeit nur einen bruchstückhaften Einblick in den RZ- oder gar
unternehmensweiten Energieverbrauch. "Eine kontinuierliche und detaillierte Messung des
Stromverbrauchs der IT ist für eine Optimierung der Energieeffizienz unerlässlich", betont Wolfgang
Goretzki, Product Marketing Manager EMEA bei Avocent. "Laut einer Studie von Research Concepts sind
aber nur ein kleiner Teil der befragten Unternehmen (17 Prozent) in der Lage, den zeitlichen
Verlauf des Stromverbrauchs jedes IT-Geräts im Rechenzentrum zu beziffern." Viele Unternehmen
könnten deshalb Verbesserungen nur in eingeschränktem Umfang erzielen.

Woher rührt das? "Eine Ursache dafür ist die Trennung des Managements der ITK- und der
Gebäudeinfrastruktur", so Björn Paulewicz, Product Manager Industry Standard Server bei HP. Um
höhere Effektivität beim Einsatz von Energie im RZ zu erreichen, sei daher ein einheitliches,
intelligentes Monitoring und Management erforderlich. "Über das gesamte Unternehmen hinweg besteht
das Problem, dass der Energieverbrauch des Rechenzentrums und des Unternehmens nicht in allen
Budgets reflektiert ist", so Paulewicz weiter. "Unternehmen sollen hier zum einen versuchen,
Transparenz über die Kosten der IT-Dienstleistung sowie des gesamten Energieverbrauchs zu
vermitteln, zum anderen alle Abteilungen an einen Tisch bringen, sodass alle Fachbereiche in die
Energieeffizienzprozesse eingebunden werden."

Energieeffizienz ist Chefsache

Wolfgang Schwab, Senior Advisor und Program Manager Efficient Infrastructure bei der Experton
Group, sieht deshalb die Unternehmenslenker in der Pflicht: "Energieeffizienz muss letztlich ein
Thema der Geschäftsleitung sein beziehungsweise werden", kommentiert Schwab. "Dort werden Budgets
beschlossen, und dort ist es auch am ehesten möglich, eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen IT
und Fachabteilung zu moderieren." Ein Folgeschritt könnte dann laut Paulewicz die Einführung eines
Pay-per-Use-Modells sein, das die IT-Kosten den Fachbereichen zuordnet: "Das trifft dann die
Fachbereiche auch operativ und weckt somit deren Interesse an ihrem Ressourcenverbrauch."

"Weder IT noch Facilities kann das Problem der Energieeffizienz im Rechenzentrum allein lösen",
ergänzt Dr. Christian Pätz, Director Product Management Emerging Markets bei Raritan. "Es braucht
Zusammenarbeit, und die beginnt beim gegenseitigen Verständnis für Probleme, genutzte Technologien,
Prozesse und Arbeitsweisen." Als Hindernis erweise sich hier, dass für viele "die elektrische
Arbeit in kWh immer noch ein abstrakter technischer Begriff" sei. Raritan versuche deshalb, den
Stromverbrauch auf verschiedene Weise sichtbar zu machen, "natürlich in kWh, aber auch in Euro,
CO2-Verbrauch oder vergleichend mit anderen Verbrauchern", so Pätz.

Indikator PUE

Als Indikator für die gesamte Energieeffizienz eines Rechenzentrums dient der PUE-Wert (Power
Usage Effectiveness), also der Quotient aus dem RZ-Gesamtenergieverbrauch und dem Gesamtverbrauch
der IT, zu ermitteln durch Lösungen wie etwa HP Environmental Edge. "Durchschnittliche
Rechenzentren haben typischerweise einen PUE-Wert von 2 – für jedes Watt, das in die eigentlichen
IT-Systeme hineingeht, verbrauchen sie also zwei Watt für die Gesamtumgebung", erläutert HP-Mann
Paulewicz. "HP Environmental Edge liefert die Datengrundlage, um diesen Wert zu verbessern und
damit Kosten und CO2-Ausstoß zu senken." Als Optimum gelte ein PUE-Wert von 1,2. HPs "Rechenzentrum
im Container", das Performanced Optimized Datacenter, erreiche den PUE-Wert 1,25. Ähnlich Positives
weiß auch IBM zu berichten (siehe Kasten auf Seite 22).

Vernetzung erforderlich

Der Weg zu solch niedrigen PUE-Werten ist freilich mit Aufwand und Kosten gepflastert. "Es geht
um den richtigen Maßnahmen-Mix", so Frank Repper, Country Manager Germany bei Eaton Power Quality. "
Einzelne Elemente sind beispielsweise der Austausch älterer IT-Hardware, der Einsatz von
Power-Management-Software, intelligente Stromverteilungslösungen oder das Kühlsystem." Man müsse
aber die gesamte Infrastruktur im Blick haben, "also auch Kleinigkeiten wie alte Bildschirme oder
die Vorgaben für Leuchtmittel." Diese große Bandbreite nützlicher Einzelmaßnahmen erfordert
letztlich den oben erwähnten Brückenschlag zwischen IT- und Facility-Management.

"Die größte Herausforderung im RZ ist die intelligente Vernetzung der vorhandenen Infrastruktur"
, so Martin Boettner, Sales Director für DACH und Osteuropa bei Echelon. Der US-Hersteller setzt
dazu auf seine LON-Technik (Local Operating Network), einen Feldbus für die Gebäudeautomation, der
inzwischen auch als internationale Norm anerkannt ist. Lonworks – obwohl weltweiter Standard in der
Gebäudeautomation – sei aber "den wenigsten IT Leitern oder Entscheidungsträgern bekannt, obwohl es
gewerkeübergreifend – also von der Lichtanlage über Rolladensteuerung bis zu Heizung, Klima,
Lüftung – alle wesentlichen Bestandteile des Gebäudes miteinander verbindet", so Boettner. Er
beklagt "die starke Lobby der passiven Energieeinsparung über Isolation jeglicher Art. Dabei ist
dieser Weg deutlich aufwändiger und weniger ertragreich als die Investition in Gebäudeintelligenz."
Das Energiesparpotenzial liege hier im zweistelligen Prozentbereich.

Neue Währung CO2

"Eine neuer Belastungsposten taucht dieser Tage auf den Bilanzen der Unternehmen in aller Welt
auf: Kohlendioxid", so Forrester-Analyst Christopher Mines im Report "Market Overview: The Advent
of Enterprise Carbon and Energy Management Systems" (17.11.09). Denn angesichts gestiegener
Wahrnehmung der geschäftlichen wie auch gesellschaftlichen Risiken des Klimawandels würden
CO2-Emissionen und der sie verursachende Energieverbrauch als wichtiger Indikator des
Geschäftsgebarens und -erfolgs eines Unternehmens bewertet. "Im Carbon Disclosure Project von 475
Großanlegern, zu denen zum Beispiel die Allianz oder auch Goldman Sachs gehören, werden jedes Jahr
3.700 Konzerne nach den Klimaschutzstrategien befragt", nennt Goretzki von Avocent ein dank 55
Billionen Dollar Kapital sehr gewichtiges Beispiel für diese Entwicklung.

"Die Unternehmen brauchen ein neues Berichtswesen auf der Basis belastbarer Daten und
automatisierter Prozesse", postuliert Forrester-Analyst Mines. Damit sei eine neue Lösungsgattung
erforderlich: ECEM-Systeme (Enterprise Carbon and Energy Management). "Wir erwarten", so Mines, "
dass ECEM innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Mainstream-Element der Software-Backbones in den
Unternehmen werden wird." Der Marktforscher prophezeit, dass die großen Anbieter diesen Markt
beherrschen werden, also die Gebäudeausrüster wie Schneider Electric oder Siemens, die IT-Größen
wie zum Beispiel CA (mit der erst kürzlich vorgestellten Nachhaltigkeitslösung CA Ecosoftware) oder
die Enterprise-Softwarelieferanten wie Microsoft oder SAP. Mines sieht aber auch Marktchancen für
kleinere Spezialanbieter wie Carbonetworks und Metricstream.

Fazit

Der energieeffiziente IT-Betrieb ist vor dem Hintergrund drohender Klimaerwärmung und steigender
Energiepreise für zahlreiche Unternehmen ein enorm wichtiger Aspekt geworden. Aber das
Energiesparpotenzial außerhalb der IT-Welt – durch geschickten IT-Einsatz in den Fachbereichen –
ist laut Fachleuten noch um ein Vielfaches größer. "Aus dem Blickwinkel der IT betrachtet spielen
langsam so genannte Carbon Killer Solutions eine wichtiger werdende Rolle, also IT-Lösungen, die es
den Fachbereichen ermöglichen, ihre Geschäftsprozesse energieeffizienter zu gestalten", so
Experton-Analyst Schwab. IT kann also auf vielerlei Weise wichtige Beiträge leisten, um nicht nur
ihr eigenes Wirken, sondern die gesamte Infrastruktur eines Unternehmens und dessen
Geschäftsprozesse energiesparender und damit umweltfreundlicher auszulegen. Unternehmen haben aber
nicht nur ein finanzielles Eigeninteresse, diesen Weg zu beschreiten: Auch Investoren und die
Öffentlichkeit werden künftig ein kritisches Auge darauf haben, wer nachhaltig wirtschaftet. Dafür
gilt es, gewappnet zu sein.

 

Green IT in der Praxis: das Beispiel IBM

Alle namhaften IT-Anbieter haben sich längst ressourcenschonendes Wirtschaften auf die Fahnen
geschrieben. Einer der aktivsten Protagonisten dieses Themas ist IT-Gigant IBM. Der Konzern
verweist dabei auf folgende Ergebnisse und Ziele:

Seit 1996 reduziert IBM seinen Energieverbrauch jährlich planmäßig um 3,5 Prozent.

Zwischen 1990 und 2005 hat das Unternehmen den CO-Ausstoß um 40 Prozent im Vergleich zum
Emissionswert von 1990 verringert.

Ab 2010 will der IT-Konzern seine Gesamtrechenleistung verdoppeln, ohne dabei mehr CO zu
produzieren.

Mehr als 100.000 Mitarbeiter arbeiten zeitweise von zu Hause und sparen damit Energie für An-
und Abfahrten sowie für Reisen. 63.000 Tonnen an CO-Emission hat IBM laut eigenen Aussagen allein
in den USA durch Telearbeit vermieden.

Seit 1998 hat Big Blue mehr als 100 Millionen Dollar durch Energiesparmaßnahmen eingespart.

Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, vollständig klimaneutral zu wirtschaften.


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