Deutsche Unternehmenslenker stehen der Public Cloud nach wie vor skeptisch gegenüber, obwohl immer mehr US-Cloud-Provider zur Minderung der Bedenken und aus Compliance-Gründen Niederlassungen in Deutschland eröffnen. LANline sprach mit Holger Müller, Leiter der Division Infrastructure and Operations bei Fritz & Macziol, über Vorbehalte, Cloud-Services sowie Colocation als Public-Cloud-Alternative und -Ergänzung.
LANline: Herr Müller, wie entwickelt sich die Cloud-Akzeptanz deutscher Unternehmen?
Holger Müller: Unsere Kernklientel sind Unternehmen mit 1.000 bis 10.000 PC-Arbeitsplätzen, also Mittelständler, oft international aufgestellt, aber mit Hauptsitz in Deutschland. Hier sind Themen wie Auslagerung, Colocation und Managed Services Alltag, zunehmend auch die Hybrid Cloud. Ein typisches Hybrid-Cloud-Szenario ist eine Hosted Private Cloud auf VMware-Basis mit Web-Service-Portal und Verrechnungsmodell sowie Skalierung mittels Vcloud Air. Die Skalierung erfolgt hier meist per Genehmigungsprozess, also nicht automatisch.
LANline: Wie steht es in puncto Public Cloud?
Holger Müller: Die Public Cloud nutzen unsere Kunden gerne für Test- oder Migrationssysteme, zudem für Backup und Disaster Recovery as a Service. Letzteres setzt aber voraus, dass ein Unternehmen seine Daten bereits in ein Rechenzentrum mit breitbandiger Anbindung an die Public Cloud gespiegelt hat. Für den Failover-Betrieb sind nur die Daten zu kopieren, die Compute-Leistung bezieht man dann aus der Public Cloud. Die gängigste Variante ist Backup as a Service, auch hier wieder bedarfsgesteuert ohne Automatismen sowie in "Best Effort"-Manier, also ohne garantierte Wiederherstellungszeit. Im Ernstfall laufen die Kernsysteme normalerweise nach ein bis zwei Werktagen wieder.
LANline: Welche Bedenken bestehen weiterhin, Daten oder Betriebsprozesse in die Public Cloud auszulagern?
Holger Müller: Das Ausmaß der Cloud-Akzeptanz hängt von der Branche und deren Compliance-Vorgaben ab, die Rechtslage ist oft das Haupthindernis. Hinzu gesellt sich insbesondere im Mittelstand das "Bauchgefühl" des Chefs.
LANline: Was raten Sie IT-Entscheidern, die mit den Vorteilen der Public Cloud liebäugeln, aber skeptisch sind?
Holger Müller: Die Entscheidung für Cloud-Services ist mal aus finanzieller Sicht getrieben, mal steht - zum Beispiel zur Konsolidierung von Ressourcen - eine Erneuerungsinvestition in RZ-Technik oder gar ein RZ-Neubau an. Hier stellt sich heute die Frage: Ist das noch sinnvoll? Wir hatten dieses Jahr drei solcher Fälle, für zwei davon haben wir eine Wirtschaftlichkeitsanalyse mit TCO-Betrachtung erstellt. Alle drei Unternehmen haben sich für Colocation-Services entschieden, zwei nutzen diese als Basis für eine Private-Cloud-Infrastruktur.
LANline: Wann sollte sich ein Unternehmen für die Public Cloud entscheiden, wann für den lokalen Betrieb oder Colocation?
Holger Müller: Das hängt von den Workloads ab: Bei konstanter Workload sind Public-Cloud-Services nicht günstiger als der eigene oder ein gehosteter Betrieb - auch nicht die Hyperscaler. Als Entscheidungshilfe bieten wir unter cloudbib.de einen Cloud-DNA-Check an.
LANline: Für Colocation arbeiten Sie mit Equinix zusammen. Warum dieser Ansatz?
Holger Müller: 2014 gab es einen Boom bei Colocation-Rechenzentren, und so diskutierten wir in einem Strategie-Workshop die Frage: Brauchen wir eigenes Colo-Datacenter, um zukunftsfähig zu bleiben? Wir haben uns dagegen entschieden, vor allem wegen des großen Kapitalbedarfs und des späten Amortisationszeitpunkts, und setzen stattdessen auf Partner. In die engere Wahl kamen Equinix und E-shelter. Denn wichtig waren uns die Nähe zum DE-CIX-Knoten, große Bandbreite, hohe Performance und ein direkter Link zu den Hyperscalern wie AWS. Equinix betreibt in Frankfurt mehrere Tier-3-Datacenter, ist vor allem aber als Marktführer in diesem Segment weltweit vertreten - ein wichtiger Punkt für unsere international tätigen Kunden.
LANline: Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.