Implementierung Cloud-basierender IT-Services

Der Weg zur Wolke

28. Februar 2011, 6:00 Uhr | Jochen Staub, Senior Consultant IT-Management beim IT-Dienstleister Materna in Dortmund

Bei der Implementierung einer Private Cloud gelten Virtualisierung, Automatisierung, Self-Service Provisioning und Usage-Based Billing als kritische Erfolgsfaktoren. Nur die richtigen Prozesse und die Kombination der verschiedenen Werkzeuge führen zu einem erfolgreichen Cloud-Projekt.

Einer der zentralen Vorteile von Cloud Computing ist es, standardisierte IT-Angebote bereitzustellen. Damit der Aufbau einer Private Cloud gelingt, muss ein Unternehmen bei den Themen Virtualisierung, Automatisierung, Self-Service Provisioning (Bereitstellung von Services per Selbstbedienung) und Usage-Based Billing (Abrechnung nach Verbrauch) richtig aufgestellt sein. Diese Themenvielfalt macht deutlich, dass Cloud Computing kein einzelnes Produkt ist, sondern sich aus einer ganzen Reihe von IT-Disziplinen sowie Werkzeugen zusammensetzt. Veränderungen an einzelnen Prozessen oder Komponenten wirken sich direkt auf die gesamte Kette aus.

Am Anfang eines Cloud-Projekts steht die Aufnahme der Anforderungen für den späteren Einsatz. Hier ist es erforderlich, Kompromisse einzugehen, um ein Höchstmaß an Benutzerwünschen als standardisierte IT-Services anzubieten. Nicht jede Individualanforderung lässt sich mittels Cloud Computing abbilden. Im nächsten Schritt sind die IT-Prozesse zur Bereitstellung der Services zu definieren. Dabei gilt es, das gleiche Maß an Standardisierung anzulegen, da sonst die automatisierte Bereitstellung nicht möglich ist. Ein wesentlicher Aspekt ist die Planung der Schnittstellen und der Betrieb der eingesetzten Werkzeuge.

Fehlender Standard

Entscheidend ist es, vorab die Anforderungen der Fachbereiche an Cloud-Services genau zu klären. Soll beispielsweise nur Rechenleistung bereitgestellt werden, ist die Auswahl der Werkzeuge deutlich einfacher, da hier das Service-Interface zum Benutzer eine nachgelagerte Rolle spielt. Geht es aber darum, standardisierte Softwarelösungen für Endanwender zur Verfügung zu stellen, ist dies bereits deutlich aufwändiger. Denn dabei sind ein anderer Umfang an Self-Service-Funktionen und Berechtigungsschritte abzubilden, bei denen auch der Umgang mit personenbezogenen Daten zu berücksichtigen ist. Allen Lösungen ist aber zuteil, dass sie auf Virtualisierung aufsetzen.

Verschiedene Virtualisierungslösungen haben sich heute am Markt etabliert. Ein entscheidender Nachteil dieser Tools ist jedoch das Fehlen einer Hochsprache für eine unabhängige Konfiguration der genutzten Virtualisierungsfunktionen. So sind alle Anforderungen als lösungsspezifische Implementierung manuell umzusetzen. Als Folge muss sich ein Unternehmen entweder endgültig an eine Lösung binden, um alle Funktionen zu nutzen, oder seine Leistungen beschränken, um sich mit einem eingeschränkten Standardbaukasten die Möglichkeit offenzuhalten, das Werkzeug zu tauschen. Dies trifft nicht nur auf die Virtualisierung zu, sondern auch auf die anderen Funktionsbausteine einer Cloud.

Nicht jede Idee bei Cloud Computing und Virtualisierung, die sich technisch realisieren lässt, ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Wird beispielsweise bei der Anwendungsvirtualisierung ein Softwarepaket nicht von der großen Mehrheit der Mitarbeiter genutzt, kann der Aufwand für die Paketierung und kontinuierliche Release-Pflege zu hoch sein. In einem solchen Fall wäre die individuelle Verteilung der Software auf die Endanwender technisch viel einfacher und günstiger. Dies setzt aber auch voraus, dass nicht nur komplette virtualisierte Rechner über die Cloud bereitzustellen sind, sondern auch Werkzeuge, die nachfolgend die Inhalte auf den virtuellen Maschinen managen. Hier stellt sich also die Frage, wie komplex die Anforderungen sein dürfen, wie häufig eine Software genutzt und wie diese bereitgestellt wird, sodass der Aufwand zu bewältigen bleibt.

Im Bereich der Virtualisierung hat sich das Open Virtualization Format (OVF) als Standard etabliert. Das Format ist jedoch erst teilweise von den Herstellern implementiert, da jeder Hersteller mit unterschiedlichen Erweiterungen versucht, den Kunden zu binden. Eine werkzeugübergreifende Automation von Virtualisierungsaufgaben ist nicht möglich, sodass Unternehmen beim Aufbau einer Cloud-Lösung viele Aufgaben in Handarbeit erledigen müssen.

Automation

Bei der Automation werden verschiedene Prozessebenen automatisiert. Während in der obersten Ebene die Bestellung einer Leistung mit organisatorischen Freigaben und gegebenenfalls Einkaufsprozesse beinhaltet, wird in der nächsten Ebene ein Change-Prozess für die Bereitstellung einer Leistung abgebildet. Der automatisierte Change-Prozess liefert der technischen Ebene die Daten zum Aufbau und zur Bereitstellung der Leistungen. Auf der untersten Ebene werden die Betriebsprozesse der zu erbringenden Leistung abgebildet. Dazu gehören beispielsweise das Starten und Stoppen von Diensten sowie die Überwachung und Erfassung abrechungsrelevanter Messdaten.

Die Abläufe auf den Prozessebenen lassen sich mit Modellierungswerkzeugen wie beispielsweise Aris oder Rational abbilden. Aber diese sind heute faktisch in keine Automationslösung übertragbar. Aus dem Bereich der Web-Services gibt es erste Ansätze, mittels der Business Process Modeling Language (BPML) die Automationsprozesse wie im Web-Kontext zu beschreiben. Die genannten Werkzeuge unterstützen dies. Eine anschließende Umsetzung mit der Business Process Execution Language (BPEL) ist aber noch eine reine Zukunftsidee, da die heutigen Automationswerkzeuge dies nicht unterstützen. In Konsequenz bedeutet das: Wenn ein Unternehmen vorgefertigte Prozessbeschreibungen hat, ist die Implementierung vollständig auf das eingesetzte Werkzeug ausgerichtet, sodass jeder Prozess manuell zu implementieren ist.

Mit einem Standard ließe sich ein bereits implementierter Prozess auch auf beliebigen Werkzeugen ausführen. Die großen Hersteller haben jedoch wenig Interesse, einen Standard zu entwickeln, der letztlich den Anbieterwechsel vereinfacht. Organisationen wie der Branchenverband Bitkom und das Fraunhofer Institut engagieren sich seit einiger Zeit dafür, solche Standards zu entwickeln oder vorhandene auf das Cloud Computing anzuwenden.

Ein weiteres Problem bei der Automation in Cloud-Umgebungen sind die unterschiedlichen Reifegrade der Produktversionen. Das kann dazu führen, dass Systeme nach einem Release-Wechsel nicht mehr funktionieren wie zuvor. Dies liegt beispielsweise daran, dass sich der Befehlsumfang geändert hat oder vom Hersteller nicht ausreichend auf Abwärtskompatibilität getestet wurde.

Das Besondere an der Automation ist, dass sich mit ihr IT-Prozesse bereichsübergreifend steuern lassen, für deren Verwaltung bisher getrennte Funktionsbereiche zuständig waren. Heute ist in den meisten Unternehmen kaum ein IT-Bereich – abgesehen vom Service Desk – so aufgestellt, dass er technikunabhängige Service-Leistungen entwirft, implementiert und im Service-Kontext über Technikgrenzen betreibt.

Das Change-Management erhält durch das Cloud Computing eine noch höhere Wertigkeit: Die IT-Abteilung muss jede Änderung von an der Service-Erbringung beteiligten Komponenten im Vorfeld auf mögliche Einschränkungen bei den Bereitstellungs?, Betriebs?, Rückführungs- sowie Abrechnungsprozessen bewerten. Dies bedingt nicht nur ein Verständnis über die Gesamtheit am Service beteiligter Komponenten, sondern auch einer langfristigen Planung von Changes und sollte vor einer produktiven Umsetzung getestet werden.

Monitoring: die vergessene Disziplin

Auch das Monitoring spielt eine wesentlich wichtigere Rolle: Heute überwacht die IT meist einzelne Komponenten wie eine Festplatte, eine CPU, einen Anwendungsprozess oder in Teilen auch den Service-Bezug zwischen einer Anwendung und den Komponenten. Mit dem Cloud Computing steht den Nutzern aber ein vollständiger Service bereit. Außerdem sichert der Provider eine Qualität zu, beispielsweise wann und in welchem Umfang ein Service abrufbar ist. Daher ist auch die Performance eines Dienstes zu überwachen. Dies ist nur in Verbindung mit einer End-zu-End-Überwachung und Messung von KPIs (Key Performance Indicators) möglich. Dazu muss eine IT-Organisation geeignete Monitoring-Werkzeuge etablieren und ein Service-Level-Management aufbauen. Soll eine Leistung nach Nutzung abgerechnet werden, muss das Monitoring auch das Nutzerverhalten überwachen, was aus rechtlichen Gründen die Einbindung des Betriebsrats erfordert.

Neue Services oder Veränderungen an bestehenden Cloud-Services gilt es daher auch mit den Monitoring-Prozessen bereits während der Planung zu berücksichtigen. Cloud Computing fördert beim Nutzer die Erwartung, dass der abgerufene Service stets verfügbar ist und eine definierte Qualität hat. Dies führt dazu, dass Automation, Monitoring, Incident- und Change-Management eng zusammenarbeiten müssen.

Lizenz-Management und Self-Service Provisioning

Heute sind Softwarelizenzen primär auf den Kauf oder die Miete von Software ausgelegt. Die Lizenz ist während des gesamten Einsatzzeitraums in der Regel einem Benutzer zugewiesen, unabhängig davon, ob dieser die Anwendung tatsächlich nutzt. Damit sind die meisten Unternehmen im eigentlichen Sinne überlizenziert.

Mit dem Cloud Computing will man eine Software nur für den Zeitraum der Nutzung einem Anwender zuordnen und die Nutzungsdauer abrechnen. Noch gibt es jedoch kein standardisiertes Lizenzmodell, bei dem sich die Lizenzierung auf andere Benutzer ohne längere Sperrfristen umschreiben lässt, da der Lizenz-Key in der Regel personen- oder rechnerbezogen ist. Wer einen Cloud-Service anbieten will, muss sowohl das Thema der Überlizenzierung als auch eine der Nutzung entsprechenden Lizenzierung klären. Der Nachweis einer Nutzung ist nur schwer zu erbringen, und zudem sperren sich die Softwareanbieter gegen andere Modelle, da sie dadurch geringere Lizenzumsätze erwarten. Daher gibt es zurzeit nur individuelle Vereinbarungen für diese Lizenzierungsfragen des Cloud Computings.

Laufen beispielsweise Verträge aus, deren Lizenzen in einem Self-Service bereitstehen, müssen sich Lizenz- und Vertrags-Management austauschen. Ohne ein professionelles IT-Service-Management mit Service-Level-Management und Service-Katalog ist dies nicht möglich. Zum einen sind beim Aufbau des Service-Katalogs auch Genehmigungs?, Freigabe- und Vertretungsprozesse abzubilden, um sicherzustellen, dass nur ein berechtigter Nutzer eine Leistung aus der Cloud beziehen darf. Zum anderen sind diese Werkzeuge nötig, um die Erbringung einer standardisierte, über den Katalog abgerufenen Leistung durch ein überwachtes SLA nachzuweisen. Dies ist auch die Grundlage für das Usage-Based Billing.

Usage-Based Billing

Beim Usage-Based Billing geht es primär um betriebswirtschaftliche Abrechnungsmodelle. Zu klären ist, wie ein Unternehmen bei der nutzungsbasierten Abrechnung vorgehen kann. Zunächst ist zu überlegen, welcher Nutzen mit einem Service verbunden ist, wie häufig er in Anspruch genommen wird und welche Softwarepakete und Leistungen ein Unternehmen dafür erbringen muss. Anschließend ist ein Preismodell für die bereitgestellten Volumina zu entwickeln.

Für jeden bereitgestellten Service sind die anteiligen Kostenarten zu ermitteln: bereitgestellte Software, Energiekosten wie Strom, andere Betriebskosten, aber auch die Arbeitsschritte für die Bereitstellung und den Betrieb. Diese Basisinformationen müssen anteilig in ein kostendeckendes Modell einfließen. Vor allem große Firmen haben solche Preis- und Kostenmodelle bereits aufgestellt. Für diese Unternehmen ist die Private Cloud im Grunde genommen nur noch ein zusätzlicher Service, der in den Service-Katalog aufgenommen wird. Um das Preismodell und den Abrechnungsprozess umzusetzen, sind Monitoring-Daten sowie Lizenz- und Service-Level-Management gefragt.

Fazit

Die Herausforderung des Cloud Computings liegt darin, etablierte Technik mit neuen Verfahren und IT-Werkzeugen zu verknüpfen. So sind Unternehmen in der Lage, mit dem Cloud Computing neue Geschäftsprozesse effizient zu realisieren.

Übergeordnete Aspekte einer Cloud-Infrastruktur im Unternehmen. Bild: Materna

Beim Aufbau einer Virtual Desktop Infrastructure (VDI) im Rahmen eines Cloud-Projekts kommen mehrere Erfolgsfaktoren zum Tragen.

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