Standardisierung und Automation

Erfolgsformel für Desktop-Virtualisierung

21. November 2012, 7:00 Uhr | Tim Lilje/wg, arbeitet für RES Software

Die klassische Rechnerwelt hat ausgedient: IT-Administratoren setzen verstärkt auf Server- und Desktop-Virtualisierung, um ihre IT-Ressourcen zu optimieren, Administrationskosten einzusparen und Updates schneller einspielen zu können. Nicht immer geht die Rechnung auf, und mitunter werden alte durch neue Probleme ersetzt. Doch es gibt eine Erfolgsformel für gelungene Desktop-Virtualisierungsprojekte.IT-Organisationen versuchen einen ehrgeizigen Spagat: Einerseits sollen die IT-Kosten deutlich nach unten zeigen, und andererseits gehen die Ansprüche durch neue Services nach oben. Nicht nur sollen IT-gestützte Geschäftsprozesse schneller ablaufen, sondern durch flexibleren Zugang zu Informationssystemen will man auch eine höhere Produktivität erreichen. Als übergeordnetes Ziel steht über allen Maßnahmen der Wunsch der Geschäftsführung, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Das Marktforschungsinstitut 451 Research hat in der Studie "IT as a Business" aufgezeigt, wohin die Reise geht: Unternehmen investieren demnach verstärkt in Virtualisierungs- und Cloud-Computing-Modelle. Virtualisierte Rechnerwelten sollen die Kosten drücken, jede fünfte IT-Abteilung will noch in diesem Jahr entsprechende Maßnahmen treffen. Ob die angepeilten Desktop-Virtualisierungsprojekte aber auch die sportlichen Zielsetzungen erreichen, muss sich erst noch zeigen. Das Potenzial für Kosteneinsparungen ist jedenfalls hoch: Arbeitsplatz-PCs stellen traditionell einen enormen Kostenfaktor in der IT dar, derzeit belaufen sich die jährlichen Gesamtbetriebskosten für einen PC auf bis zu 4.500 Euro und für einen Laptop auf zirka 7.000 Euro. Ermittelt hat diese Zahlen für das Jahr 2011 das Marktforschungsunternehmen Gartner in der Studie "Desktop Total Cost of Ownership".

Komplexität als Kostentreiber
Schuld an den hohen Kosten ist die Komplexität der eingesetzten Soft- und Hardware. Alle Microsoft-Betriebssystemversionen von Windows NT bis Windows 7 basieren auf einer IT-Architektur, die für einen Einzelanwender lokal auf einem Client-Endgerät installiert wird. Zwischen der individuellen Hardware, dem darüber liegenden Windows-Betriebssystem und den noch höher angesiedelten Applikationen und dem Benutzer-Workspace gibt es dabei keine saubere Trennung. Die individuelle Verzahnung zwischen der jeweiligen Windows-Version und der lokalen Hardwarekonfiguration führt dazu, dass sich eine Festplatte nicht einfach herausnehmen und auf einem anderen Windows-Rechner weiternutzen lässt. Vermutlich startet der neue Windows-Rechner nicht einmal, weil jede Windows-Kopie ganz auf die Anforderungen der spezifischen Hardwareausstattung angepasst ist.
Mit den installierten Anwendungen und persönlichen Einstellungen der Benutzer wird es noch komplexer. Aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit der lokalen Windows-Version (Registry-Einstellungen, gemeinsam genutzte DLLs, Treiber etc.) lassen sich Applikationen nicht einfach von einem Rechner auf einen anderen übertragen. Dies erschwert eine zentrale Administration, nicht zuletzt wenn man die individuellen Einstellungen der Benutzer auf dem Desktop ebenfalls in die Kalkulation mit einbezieht. Das Fazit der Marktforscher: Die Softwarevielfalt auf dem Desktop kann eine Unternehmens-IT in die Knie zwingen.
Konsolidierungsmöglichkeiten ergeben sich laut den Autoren der Gartner-Studie beispielsweise durch eine Standardisierung der Rechnerwelten: Vereinheitliche Architekturen reduzieren den Arbeitsaufwand für Konfigurationsänderungen und Wartungsaufgaben. Bei seinen Berechnungen geht Gartner davon aus, dass auf jedem PC im Schnitt 250 Applikationen installiert sind. Durch Vereinheitlichung und Schaffung gemeinsamer Standards könnte man auf die Wartung vieler unnötig geladener Applikationen (Gartner kalkuliert einen Schnitt um die Hälfte) getrost verzichten. Je nachdem, wie effizient das Management der eingesetzten Desktops gelingt, versprechen die Marktforscher verheißungsvolle Einsparungen von bis zu 43 Prozent. Die Standardisierung von Windows-Desktops ist indes nur ein erster Schritt in die richtige Richtung: Grund dafür ist die simple Tatsache, dass jeder Benutzer Zugangsberechtigungen sowie Zugriff auf unterschiedliche Ressourcen und Daten benötigt. Durch die zunehmende Mobilität in einer modernen Geschäftswelt wächst zudem die Anforderung, standortunabhängig mit allen Diensten produktiv arbeiten zu können. Diese Anforderungen im Licht sinkender IT-Budgets in Einklang zu bringen, ist die große Herausforderung, vor der IT-Verantwortliche stehen.

Nicht-persistente Images
Durch die Einführung virtualisierter Desktops sollen mobile Mitarbeiter nun ihre eigene Desktop-Umgebung stets "mitnehmen" können. Desktop-Virtualisierung bietet die Chance, typische Nachteile klassischer Rechnerwelten zu vermeiden. Denn ältere Windows-Systeme leiden im Lauf der Zeit immer mehr unter Wechselwirkungen und alten Registry-Einträgen, die das System ausbremsen. Da ist es verlockend, über ein zentral bereitgestelltes nicht-persistentes Image bei jeder neuen Session wieder mit einem sauberen System operieren zu können. Anstatt alle Windows-Systeme einzeln pflegen zu müssen, reicht die Aktualisierung der einheitlichen virtuellen Maschine (Golden Image). Auf einen Schlag hätte der Administrator gleich einige zeitaufwändige Wartungsarbeiten minimiert. Einige - aber nicht alle - nicht-persistente Image-Dateien machen sämtliche Änderungen nach Sitzungsende wieder rückgängig. Allerdings gehen damit nicht nur persönliche Einstellungen, sondern auch alle im Sitzungsverlauf eingespielten Patches und Sicherheits-Updates verloren. Das könnte zu einem Sicherheitsrisiko werden, wenn Antivirensoftware und häufig benötigte Programme wie Adobe Reader beim VM-Neustart nicht auf dem neuesten Stand sind. Aus IT-Sicht bedeutet dies, jede Produktaktualisierung schnellstmöglich durchtesten und über das zentrale Master-Image stets auf dem neuesten Stand halten zu müssen. Setzt ein Unternehmen dagegen auf persistente Images, können diese wie eigene Festplatten arbeitenden VMs ein unangenehmes Eigenleben abseits der Kontrolle durch den Administrator entwickeln.
Neben dem permanenten Zeitdruck bei Updates und Patches kommen weitere Kosten durch die Aufrechterhaltung personalisierter Arbeitsplätze der Endanwender hinzu. Es kann sich als veritables Eigentor entpuppen, wenn durch die Umstellung auf zentrale Server-Strukturen alle Individualwünsche beim Administratorteam landen. Browser-Einstellungen, Desktop-Anordnungen, Applikations- und Druckerkonfigurationen, persönliche Daten, Umgebungsvariablen, individuelle E-Mail-Präferenzen: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, welche Welle hier über dem Administratorenteam hereinbrechen könnte. Systemverwalter benötigen dafür Systeme, die nach Sitzungsbeginn alle Veränderungen der Anwender protokollieren, eingespielte Aktualisierungen festhalten und beim Neustart automatisch ausführen. In komplexeren Rechnerumgebungen gewinnen deshalb Workspace-Management-Lösungen an Bedeutung, die eine effektive Verwaltung zehn- oder hunderttausender Anwender ermöglichen. Desktop-Virtualisierungsanbieter binden in der Regel ausschließlich Windows-Benutzerprofile ein, aber Login-Skripte und Gruppenregeln sind mindestens genauso wichtig. Notwendig ist eine Bereitstellungstechnik, die sowohl Desktops als auch Applikationen abdeckt. Unabhängig davon, ob Endanwender sich über ein lokal installiertes Betriebssystem oder per Thin Client einwählen, bleibt die Benutzerumgebung dann identisch.
Moderne IT-Management-Systeme schaffen einen User-Workspace, indem sie die persönlichen Einstellungen und benötigten Applikationen von Betriebssystem und Hardware trennen. Auf diese Weise ist es den Benutzern möglich, jederzeit mit einheitlicher Benutzerführung und Arbeitsoberfläche auf dynamisch anpassbaren Desktops zu arbeiten - in klassischen wie auch in virtuellen Umgebungen.

Unterschiedliche Virtualisierungsmethoden kennzeichnen die Trennlinien zwischen den Teilschichten. Bild: RES Software
LANline.

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