HSDPA erweitert Paketvermittlung

Highspeed-Zugriff für Funkzugangsnetze

5. Mai 2005, 23:06 Uhr | Arndt Bleckmann/wg Arndt Bleckmann ist Solutions Manager bei Nokia in Düsseldorf.

HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) ist eine Erweiterung des bestehenden UMTS-Standards. Das Verfahren bringt die paketorientierte Übertragung in das UMTS-Funkzugangsnetz. Modifikationen der Architektur wie die Einführung neuer Modulationsverfahren und eines neuen Transportkanals erlauben höhere Bandbreiten im Downlink sowie kürzere Antwortzeiten - und das bei gesteigerter Systemkapazität.

In den IP-basierten Kernnetzen der heutigen UMTS-Mobilfunknetze (Universal Mobile
Telecommunications System) war die Datenübertragung schon von der ersten Stunde an paketorientiert.
Die WCDMA-Funkzugangsnetze (Wideband Code Division Multiple Access) dagegen übertragen die Daten
über dedizierte Transportkanäle (Dedicated Channel, DCH) mit fester Bandbreite. Dies bringt den
Vorteil, dass sich den leitungsvermittelten Diensten, die eine hohe Dienstgüte erfordern, feste
Bandbreiten zuweisen lassen: Die Kanäle sind fest reservierbar.

Die Einführung von HSDPA ist ein entscheidender Schritt in der Evolution der
UMTS-Funkzugangsnetze. Denn mit HSDPA erfolgt die Übertragung der Daten im Downlink nun
paketvermittelt – mittels eines neu eingeführten Kanals, der allen Nutzern zur Verfügung steht.
Hierdurch können Carrier einerseits die Funknetzressourcen aufgrund der höheren Flexibilität
effizienter nutzen und andererseits individuelle Datendienste für eine große Teilnehmerzahl
bereitstellen. Die Entwicklung von HSDPA erfolgt im Rahmen des 3GPP (Third Generation Partnership
Project) auf UMTS-Basis. Die wesentlichen Funktionen wurden bereits Anfang 2002 als Teil des 3GPP
Release 5 finalisiert.

Die Neuerungen der HSDPA-Technik bestehen vor allem in der Einführung des neuen Transportkanals
HS-DSCH (High-Speed Downlink Shared Channel). Dieser neue Kanal steigert die Leistung von HSDPA
erheblich (Bild 1), und zwar in Verbindung mit der Verlagerung des Packet-Schedulers (Fast
Scheduling), dem AMC-Verfahren (Adaptive Modulation and Coding) und dem Multi-Code-Betrieb auf dem
OSI-Layer 1 (physikalische Übertragungsschicht).

Multicode-Betrieb

Die im Downlink verfügbaren Ressourcen teilen sich durch verschiedene Kanal-Codes auf die
Teilnehmer auf. Die Kanäle werden mit dem festen Faktor 16 gespreizt. So kann eine Basisstation
während einer Übertragung eine maximale Anzahl von 15 verschiedenen HS-DSCH-Kanälen zuweisen, der
Rest dient der Übertragung der erforderlichen Kontrolldaten. Das Zuweisen der verfügbaren
Codierungsressourcen erfolgt zunächst im Zeitmultiplexverfahren: Es erhält immer ein Teilnehmer zu
einem bestimmten Zeitpunkt einen Code. Zudem besteht aber auch die Möglichkeit des codierten
Vielfachzugriffs: In diesem Fall würden zwei bis vier Teilnehmer dasselbe Übertragungsintervall
nutzen.

Zusätzlich zu dem neuen Transportkanal erweitert HSDPA die WCDMA-Kanalstruktur um verschiedene
zusätzliche Kontrollkanäle. Der HS-SCCH-Kanal (High-Speed Shared Control Channel) hat die Aufgabe,
Signalisierungsinformationen zu übertragen. Sie kündigen zum Beispiel an, welches Mobilfunkgerät
als nächstes Datenpakete empfangen soll. Dieser Kanal ist für jedes Mobilfunkgerät unterschiedlich
verschlüsselt. Er enthält auch Kontrollinformationen, beispielsweise zu den eingesetzten
Modulationseinstellungen, Code-Schemata, Kanal-Codes und H-ARQ-Protokoll (Hybrid Automatic Repeat
Request, siehe unten).

Für die Endgeräte steht außerdem im Up- wie im Downlink ein dedizierter physischer Kanal
(Dedicated Physical Channel, DPCH) mit niedriger Bit-Rate zur Verfügung. Der Downlink-Kanal
überträgt beispielsweise die Layer-3-Signalisierung, aber auch die Steuerungskommandos hinsichtlich
der Sendeleistung des Endgeräts im Uplink-Channel. Der Uplink-Channel hingegen dient als
Feedback-Kanal, um beispielsweise TCP-Bestätigungen zu übermitteln. Bei Bedarf lassen sich über den
DPCH auch andere Dienste einschließlich Sprachdienste übertragen. Darüber hinaus sieht das
HSDPA-Konzept im Uplink die Einrichtung eines so genannten HS-DPCCH-Kanals (High-Speed Dedicated
Physical Control Channel) vor, über den CQI-Informationen (Channel Quality Indicator, also
Kanalgüteangaben) sowie H-ARQ-Bestätigungen laufen.

Neues Link-Adaptation-Verfahren

In den klassischen GSM-Mobilfunknetzen (Global System for Mobile Communications) bedeutet "Link
Adaptation" die Optimierung des Nettodatendurchsatzes durch Auswahl des jeweils geeigneten
Verfahrens zur Kanalcodierung entsprechend den Übertragungsbedingungen in der Funkzelle. In den
WCDMA-Funknetzen der dritten Mobilfunkgeneration stellt das so genannte Fast-Power-Control die
Verbindungsqualität sicher. Dabei wird immer nur die unbedingt notwendige Sendeleistung
abgestrahlt, die sich bei Bedarf praktisch ohne Zeitverzug anpassen lässt.

HSDPA erreicht dieses Ziel auf einem anderen Weg. Statt die Übertragungsleistung permanent zu
regeln, passt das Verfahren die Modulationsformate entsprechend an. Während bei WCDMA Rel ’99
lediglich QPSK (Quadrature Phase Shift Keying) zum Einsatz kam, nutzt HSDPA zusätzlich 16QAM
(Quadrature Amplitude Modulation). Hier handelt es sich um eine Modulation höherer Ordnung, die
deutlich höhere Durchsatzraten ermöglicht. Das oben erwähnte neue AMC sorgt hier für den Wechsel
der Modulationsformate und Kodierungsverfahren in Echtzeit, um die gewünschte Verbindungsqualität
aufrechtzuerhalten.

Das mobile Endgerät stellt aktuelle Informationen über die Verbindungsqualität und über die
einsetzbaren Modulationsformate und Multi-Codes in Form von CQI-Daten bereit: Bei bestehender
Verbindung misst das HSDPA-fähige Gerät regelmäßig die Empfangsqualität. Es sendet die
Messergebnisse als CQI-Daten in regelmäßigen Abständen an das Funknetz, das die entsprechenden
Maßnahmen einleitet.

Sinken die Werte, die anhand der CQI-Meldungen des Endgeräts ermittelt wurden, unter ein
definiertes Limit, dann kann dies automatisch den Wechsel sowohl des Modulationsformats als auch
des Sprachcodes und der Anzahl von HS-DSCH-Codes auslösen. Dies stellt zu jedem Zeitpunkt die
geforderte Dienstgüte bei optimaler Ausnutzung der Funknetzressourcen sicher. Teilnehmer, die sich
in der Nähe der Basisstation befinden, erhalten zum Beispiel das hocheffiziente
16QAM-Modulationsverfahren zugewiesen. Wandern die Anwender dann an den Rand der Funkzelle,
schaltet das System bei nachlassender Verbindungsqualität automatisch auf das weniger effiziente,
aber wesentlich robustere QPSK um.

Die Modulationsschemata sind mit verschiedenen Kanalcodierungen kombinierbar, je nachdem, ob ein
robusteres Übertragungsverfahren oder höhere Durchsatzraten erforderlich sind. Das erzielt bei
Verwendung von 15 Codes durch Kombination von 16QAM und 3/4-Rate-Kanalcodierung Durchsatzraten von
bis zu 10,7 MBit/s. Die Kombination aus dem robusteren QPSK und einer 1/4-Rate-Kanalcodierung
bietet zwar eine höhere Zuverlässigkeit der Übertragung, dafür aber auch nur Datenraten von bis zu
1,8 MBit/s.

Übertragungswiederholungen

ARQ-Protokolle dienen in Netzwerken dazu, durch Sendewiederholungen eine zuverlässige
Datenübertragung zu gewährleisten. Allgemein bezeichnet man ARQ-Protokolle, bei denen zusätzlich zu
Übertragungswiederholungen auch fehlerkorrigierende Codierung (Forward Error Correction, FEC) zur
Anwendung kommt, als Hybrid-ARQ-Protokolle (H-ARQ).

Bei HSDPA kommt das H-ARQ-Protokoll SAW (Stop and Wait) zum Einsatz. Unter den verfügbaren
ARQ-Protokollen SAW, Go Back N und Selective Repeat stellt SAW das einfachste Verfahren dar:
Nachdem der Sender eine Dateneinheit gesendet hat, muss er auf die Quittung warten, bevor er das
nächste Paket senden kann. Falls er keine Quittung innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens (Timeout)
empfängt, muss er die Dateneinheit noch einmal senden. Die nicht decodierbaren Dateneinheiten der
Erstübertragung werden als Softbits oder Soft Symbols zwischengespeichert und mit der
Übertragungswiederholung kombiniert, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Decodierung zu
erhöhen.

Mit IR (Incremental Redundancy) und CC (Chase Combining) bietet das HSDPA-Konzept zwei
verschiedene Combining-Schemata. Deren Unterstützung ist abhängig von den Fähigkeiten des
Mobilgeräts. Chase Combining bildet das grundlegende Combining-Schema: Hier stellt die
Übertragungswiederholung eine identische Kopie der Erstübertragung dar. Bei Verwendung von
Incremental Redundancy erhält jede Übertragungswiederholung zusätzliche Parity-Bits aus dem
Kanal-Code.

Gleichzeitige H-ARQ-Prozesse

Die minimale Verzögerung zwischen der ursprünglichen Übertragung und der ersten Neuübertragung
beträgt bei HSDPA 12 Millisekunden. Es gilt zu vermeiden, dass die gesamte Übertragung stockt, weil
gerade eine Übertragungswiederholung zu senden ist. Dazu laufen die Dateneinheiten über mehrere
unterschiedliche, meist direkt aufeinanderfolgende Zeitkanäle nach den Regeln von Stop and Wait
ARQ. Auf jedem Zeitkanal wird also eine Dateneinheit so lange wiederholt übertragen, bis sie
fehlerfrei decodiert werden kann oder der Scheduler entscheidet, dass mit einer anderen
Dateneinheit fortzufahren ist. Diese Zeitkanäle heißen auch H-ARQ-Prozesse.

Da es bisweilen erforderlich ist, Erstübertragungen gegenüber Übertragungswiederholungen zu
priorisieren, werden die H-ARQ-Prozesse durchnummeriert. Anhand dieser H-ARQ-Prozessnummer, die
parallel über den HS-SCCH läuft, erkennt die Empfangsseite bei einer Übertragungswiederholung, auf
welche Erstübertragung diese sich bezieht. Auf dem HS-SCCH sind drei Bits für die
H-ARQ-Prozessnummer vorgesehen. Theoretisch lassen sich somit bis zu acht H-ARQ-Prozesse
unterscheiden. In der Praxis ist jedoch realistisch, dass vier bis sechs SAW-ARQ-Prozesse parallel
ablaufen.

Geringere Verzögerungen

Für die Steuerung der SAW-ARQ-Prozesse ist der so genannte Packet Scheduler zuständig, der sich
bisher im RNC (Radio Network Controller) befand. Mit der Einführung von HSDPA wandert dieser Packet
Scheduler nun vom Funknetz-Controller in die Basisstation hinein. Dies hat den Vorteil, dass für
die Zwischenspeicherung von noch unbestätigten Paketen und die anschließende Planung der
Neuübertragungen nicht erst der Funknetz-Controller ins Spiel kommen muss. Das vermeidet die bisher
übliche Verzögerung beim Austausch über das Iub-Interface (die Schnittstelle zwischen Basisstation
und Funknetz-Controller). Das Ergebnis ist eine deutlich geringere Verzögerung bei den
Neuübertragungen im Vergleich zum konventionellen Funknetz und eine schnellere Zustellung der
Datenpakete. Gleichzeitig entlastet dies die Luftschnittstelle.

Die Länge des Datenübertragungsrahmens (Transmission Time Interval, TTI) schrumpfte im
HSDPA-Konzept von den bisher üblichen 10 Millisekunden (15 Zeitschlitzen) auf zwei Millisekunden
(drei Zeitschlitze). Dies steigert die Effizienz und Flexibilität des AMC-Verfahrens und
beschleunigt gleichzeitig die Planung der Paketübertragung.

Vorteile für Anwender und Netzbetreiber

HSDPA bringt gleich zwei entscheidende Vorteile: Zum einen lassen sich die maximalen
Datendurchsatzraten von WCDMA auf ähnliche Weise steigern, wie es EDGE (Enhanced Data Rates for GSM
Evolution) im Bereich der GSM-Technik ermöglicht. Bei günstiger Position des Terminals sind
theoretisch Spitzendatenraten von 10 MBit/s erreichbar. Zum anderen minimiert HSDPA die
auftretenden Verzögerungszeiten. Der Endanwender wird das Verfahren somit vor allem in Form einer
deutlich gesteigerten Dienstgüte wie zum Beispiel kürzeren Reaktionszeiten der Anwendungen
wahrnehmen. Aber auch der Netzbetreiber profitiert: Er kann seine Kosten pro Bit senken.


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