Interview mit Steven van Tuijl, ADP

HR-Services trotz Krise

18. Mai 2020, 8:39 Uhr |
© Wolfgang Traub

ADP ist ein international tätiger Anbieter von HR-Services (Human Ressources) wie Lohnabrechnung und Zeiterfassung – Unternehmensfunktionen, die selbst im Krisenfall nicht ausfallen dürfen. LANline sprach deshalb mit ADPs Deutschlandchef Steven van Tuijl über Best Practices der Business Continuity, über den Umgang des Service-Providers mit dem Umstieg auf Home-Offices und darüber, wie die Corona-Krise digital gestützte HR-Services verändert.

LANline: Herr van Tuijl, welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die digitale Unterstützung von HR-Prozessen?
Steven van Tuijl: Es ist zu erwarten, dass „low touch“ der neue Standard wird. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach entsprechenden Prozessen und Systemen, die das sauber digital abbilden, zunehmen wird. Das heißt, zum Beispiel vermehrt virtuelle statt persönliche Bewerbungsgespräche, Onboarding-, Trainings- und Performance-Management-Prozesse. Im HR-Umfeld wird man zudem über simple praktische Themen nachdenken müssen, etwa über eine Home-Office-Pauschale und Betriebsvereinbarungen, um das sauber zu regeln.

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„Es ist zu erwarten, dass ,„low touch’ der neue Standard wird“, sagt ADPs Deutschlandchef Steven van Tuijl. Bild: ADP
© ADP

LANline: Wie hat ADP selbst auf die Krise reagiert?
Steven van Tuijl: Wir sind bei ADP sehr risiko- und sicherheitsfokussiert, schließlich liefern wir eine kritische Dienstleistung für unsere Kunden: Wird die Lohnabrechnung nicht zuverlässig verarbeitet, heißt das, Mitarbeiter erhalten ihren Lohn nicht – oder zumindest verspätet oder nicht korrekt. Deshalb haben wir starke Business-Continuity-Prozesse entwickelt. Unsere Mitarbeiter sind zu 100 Prozent mit Laptops mit 4G-SIM-Karten und Softphones ausgestattet, zudem haben wir schon früh mit den Mitarbeitern Remote-Desktop-Übungen durchgeführt, um zu testen, ob alles funktioniert: VPN, RSA-Tokens, Bluetooth-Headsets etc. Das ging Hand in Hand mit unserer IT, die dazu doppelt besetzt war. Danach haben wir uns während eines „Home Office Test Days“ auf die operativen Prozesse fokussiert, bei denen Abhängigkeiten bestehen, zum Beispiel von der Post. Insgesamt war der Schritt zum Home-Office für uns damit relativ einfach.

LANline: Welche besonderen Herausforderungen gab es dabei hierzulande, etwa im Hinblick auf die DSGVO?
Steven van Tuijl: Wir hatten schon vor der Pandemie viele Funktionen aus Home-Offices heraus abgedeckt, verteilt auf alle Bundesländer. Damit haben wir auch DSGVO-relevante Prozesse bereits seit vielen Jahren sauber abgedeckt. Alles in den Home-Offices läuft vollständig digital, daher können alle Berechtigungen auch im Home-Office gelten. Denn die Mitarbeiter müssen keine Unterlagen mit nach Hause nehmen, und die Bildschirme sind mit Sichtschutz gegen Seiteneinblicke ausgestattet. Außerdem haben wir unsere Experten für Datensicherheit beauftragt, die Teams für den sicheren Umgang mit Daten auch in die neue Konstellation zu begleiten. Deshalb haben wir bei den Datenschutzthemen keinen Anstieg verzeichnet, wir haben lediglich mit den Mitarbeitern für die dauerhafte Home-Office-Arbeit temporäre zusätzliche Betriebsvereinbarungen geschlossen.

LANline: Was sind aus Ihrer Perspektive in einer Krise wie dieser die Best Practices in puncto IT?
Steven van Tuijl: Direkt am Anfang sollte man in solchen Krisensituationen – hoffentlich bereits vorhandene – Notfallbudgets für die kurzfristige Aufstockung von Infrastrukturkapazitäten freigeben, etwa für mehr Bandbreite, doppelt redundante Leitungen, mehr Server-Kapazität und zusätzliche VPN-Zugriffe. Unsere Infrastruktur konnte so das Datenvolumen problemlos bewältigen.

LANline: Auf welche Herausforderungen im Umgang mit der nun verteilt arbeitenden Belegschaft sind Sie gestoßen?
Steven van Tuijl: In einer Krisensituation muss man nicht erklären, dass ganz viele Sachen anders laufen, die Regeln bleiben schließlich die gleichen. Vielmehr geht es darum, den Mitarbeitern das Vertrauen zu geben, dass sie die Büroarbeit auch von zu Hause aus mit guter Qualität erledigen können. Man muss Nervosität abbauen, Sorgen durchsprechen und neue oder andere Strukturen schaffen, damit man sich wieder auf gut laufende Prozesse konzentrieren kann.

LANline: Fachleute raten hier stets zu durchdachter Kommunikation im Team, um auch in Krisenzeiten hohes Engagement zu wahren. Wie sind Sie hier vorgegangen?
Steven van Tuijl: Hier gilt es sicherzustellen, dass man eine gute „Kommunikationsbalance“ findet. Und wie immer im Leben ist es wichtig, dass man zuhört, Sorgen erkennt und diese unkompliziert abklärt. Bei Problemen kann man auch mal sagen: „Wir haben noch keine Lösung, wir arbeiten daran.“ Vertrauen und Offenheit sind hier wichtig, nicht kontrollieren, sondern unterstützen. Die Gemeinsamkeit, die durch den fehlenden persönlichen Kontakt manchmal etwas leidet, kann man alternativ unterstützen. Zu diesem Zweck haben wir – wie viele andere Firmen auch – zahlreiche Aktivitäten durchgeführt: Wir haben zum Beispiel Working-from-Home-Bilder geteilt, Sieben-Punkte-Listen mit Dingen, für die wir dankbar sind oder auch „Quarantine“ Spotify-Playlisten. Außerdem gab es eine Fitness Challenge, und ich nehme regelmäßig ein Video für unsere Mitarbeiter auf. Das alles hilft uns allen hoffentlich in dieser Zeit.

LANline: Wie stellen Sie selbst in Ausnahmesituationen die Kontrolle der Leistungserbringung sicher?
Steven van Tuijl: Unsere Prozesse sind standardisiert und werden über KPIs verfolgt (Key Performance Indicator, d.Red.). So haben wir immer einen sauberen Einblick, wie die Sachen laufen, und erkennen schnell, wenn ungewünschte Trends oder Situationen entstehen. Für die aktuelle COVID-19-Krise haben wir ein spezielles Dashboard kreiert, um zusätzliche KPIs und Trends noch enger zu verfolgen. So haben wir zum Beispiel früher das Ticketaufkommen monatlich verfolgt, jetzt hingegen verfolgen wir es täglich. Dadurch haben wir einen besseren Blick auf die Dynamik der Lage und können unsere Ressourcen noch besser priorisieren.

LANline: Die Krise wird wohl noch länger dauern als in den Business-Continuity-Playbooks üblich. Was gilt es daher mittelfristig im Blick zu behalten?
Steven van Tuijl: Nach den kurzfristigen Änderungen und Neuerungen der ersten Wochen haben inzwischen alle Unternehmen angefangen zu rationalisieren. Auch wir sind zunächst Business-Continuity-Plänen gefolgt, die auf die Überbrückung kurzer Zeiträume ausgelegt sind. Nun gilt es zu überprüfen: Was muss man anpassen, was kann man beibehalten? Wichtig dabei ist es, die persönliche Situation der Mitarbeiter intensiv anzuschauen: Wie gehen sie mit der Home-Office-Situation um? Was ist zu tun, falls ein Teil der Belegschaft die Home-Office-Situation unmöglich fortführen kann? Kann man dann zum Beispiel vereinzelt in den Büroräumen arbeiten? Zugleich sollte man überlegen, wie sich die Ausstattung der Home-Offices weiter optimieren lässt: Muss ich zum Laptop einen zweiten Zusatzmonitor bereitstellen oder Bürostühle und höhenverstellbare Tische schicken? Schließlich werden viele Mitarbeiter längerfristig im Home-Office bleiben.

LANline: Herr van Tuijl, vielen Dank für das Gespräch.


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