MEF standardisiert WAN-Technologie

LAN rund um den Globus

29. Juni 2005, 23:06 Uhr | Stefan Mutschler

Als "Carrier Ethernet" soll Ethernet nun auch Weitverkehrsnetze im großen Stil erobern. In enger Kooperation mit internationalen Standardisierungsgremien wie dem IETF (Internet Engineering Task Force) und dem IEEE-Komitee verpasste das Metro Ethernet Forum (MEF) der einstigen LAN-Technik die nötigen Ergänzungen. Gleichzeitig kündigte das MEF ein Zertifizierungsprogramm an, nach dem Carrier-Ethernet-Lösungen unterschiedlicher Hersteller künftig auf Standardkonformität und Interoperabilität getestet werden sollen.

Es ist nicht einfach nur eine Weiterentwicklung, sondern ein historischer Sprung: Nachdem
Ethernet über Jahrzehnte als reine LAN-Technik und seit einigen Jahren als Basis für Stadtnetze
gedient hat, entledigt sich die weltweit populärste Vernetzungsmethode jetzt jeglicher
Entfernungsbarrieren. "Auch für weltumspannende Netze ist nun nichts anderes mehr nötig, als
Ethernet", so Nan Chen, President des MEF. Als Carrier Ethernet präsentiere sich Ethernet als "
ultimative Breitbandtechnologie" (Chen), die nativen Ethernet-Paketzugang zum Internet bietet.
Mithilfe von Carrier Ethernet soll das Internet künftig zum idealen Lieferanten nicht nur von
schnellen Datendiensten, sondern auch von Multimedia wie Fernsehen, Video on Demand und
Sprache/Telefonie werden. Damit könne es traditionellen Telefoninfrastrukturen wie Sonet mächtig an
den Karren fahren. So sehen es zumindest die Marktforscher. Laut einer kürzlich veröffentlichten
Infonetics-Studie soll der Ethernet-Markt bis 2007 auf ein Volumen von mehr als 19 Milliarden
Dollar wachsen. IDC resümiert, dass allein 2004 weltweit über 200 Millionen Ethernet-Switch-Ports
verkauft wurden. Seit Entwicklung des Ethernets vor 32 Jahren seien damit rund drei Milliarden
Ethernet-Ports über den Ladentisch gegangen. Für diesen Erfolg, der von keiner anderen
Netzwerktechnologie auch nur im Entferntesten erreicht wird, erhielt Ethernet-"Vater" Bob Metcalfe
kürzlich in den USA die nationale Technologiemedaille.

Metcalfe, der heute als Chefberater im MEF fungiert, sieht die weitere Entwicklung seines "Babys"
auf vier Ebenen: Anstieg, Ausbreitung, Unabhängigkeit und Ergänzung. Der Anstieg betrifft die
Geschwindigkeit: Ob diese sich von derzeit 10 als nächstes auf 40 oder 100 GBit/s erhöht, ist dabei
seiner Meinung nach eher von Vereinbarungen zwischen Telefon- und Computerunternehmen als von
technologischen Beschränkungen abhängig. Bei neuen Telefonnetzgenerationen erhöht sich die
Geschwindigkeit oft um das Vierfache, bei neuen Computernetzgenerationen dagegen um das Zehnfache.
In Sachen Ausbreitung hat Metcalfe in erster Linie die immerhin jährlich sechs Milliarden
verkauften Prozessoren im Sinn, die noch nicht vernetzt sind. Das Thema Unabhängigkeit bezieht er
auf das Übertragungsmedium. Bemerkenswert sei, dass Ethernet immer mehr auch in kabellosen
Verbindungen wie WLAN, Wimax und Zigbee vorherrscht – schließlich hat Ethernet seine Wurzeln im
Alohanet Packet Radio Network – also einem Funknetz. Mit dem Stichwort Ergänzung meint Metcalfe
schließlich die geografische Dimension: Letztlich gebe es dank Carrier Ethernet künftig keinen
grundlegenden Unterschied mehr zwischen LAN und WAN.

Im Detail gibt es diese Unterschiede allerdings sehr wohl. Das MEF nennt insgesamt fünf
Kategorien, in denen sich Carrier Ethernet von klassischem Ethernet differenziert:

Skalierbarkeit,

Schutz,

Servicequalität (Quality of Service – QoS) auf Basis von Serviceverträgen,

TDM-Unterstützung und

Service Management.

In jeder dieser Kategorien hat das MEF besondere Anforderungen und Spezifikationen entwickelt,
die Ethernet in der "Königsklasse" für Carrier erfüllen muss. Wo die geforderten Spezifikationen
bereits durch Standards der etablierten Standardisierungsgremien wie IEEE und IETF abgedeckt sind,
hat sie das MEF mit in ihre Carrier-Ethernet-Definition einfließen lassen. Ein Beispiel ist die
Kategorie "Schutz": Neben zwei MEF-Standards, die bei einem Verbindungsabbruch für Failover-Zeiten
von maximal 50 Millisekunden (MEF 2) und durch ein Architekturrahmenwerk (MEF 4) für stabile
Verbindungen sorgen, ist hier als dritte Komponente das MPLS- Fast-Reroute-Protokoll der IETF
integriert.

Auch die Kategorie Skalierbarkeit wird durch einen bereits bestehenden Standard gestützt – hier
der 802.1, der das Netzwerkmanagement in Lokal- und Weitverkehrsnetzen regelt. Ansonsten geht es in
den Definitionen MEF 4, 9 und 11 im Wesentlichen um das UNI (User-to-Network-Interface), das als
Übergabepunkt zwischen dem Netzwerk des Anwenders und des Carriers definiert ist.

Zertifizierungsprogramm für problemlose Einführung

Parallel zur Definition von Carrier Ethernet hat das MEF auch ein Zertifizierungsprogramm
angekündigt, das Dienstleistungsanbieter dabei unterstützen soll, der steigenden Nachfrage nach
Carrier Ethernet-Dienstleistungen im WAN gerecht zu werden. Ziel ist es, eine an den Bedarf
angepasste Zahl internationaler Testlabors zu verpflichten, die Carrier-Ethernet-Produkte und
-Services beliebiger Hersteller beziehungsweise Anbieter zertifizieren. Um die nötigen Erfahrungen
hinsichtlich Art der Tests und Testverfahren zu sammeln, läuft zunächst eine Pilotphase mit dem
MEF-Partner Iometrix. Während dieser Phase steht die Zertifizierung ausschließlich MEF-Mitgliedern
offen, die den E-Line (point to point)- und E-LAN (multipoint)-Anforderungen entsprechen, die in
der MEF-Spezifikation MEF 1 aufgeführt sind und nach in der jüngsten Spezifikation MEF 9
beschriebenen Verfahren getestet werden. Services auf Carrier-Ethernet-Basis sind hier noch nicht
berücksichtigt. Gegen Ende des dritten Quartals dieses Jahres soll die erste Phase des Programms
abgeschlossen sein. Zeitnah will der MEF-Zertifizierungsausschuss anschließend weitere Testlabors
zulassen und das Programm auch für Nicht-MEF-Mitglieder öffnen. Auch die Aufnahme von Services in
das Testprogramm soll in der zweiten Phase so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Das MEF ist eine gemeinnützige Organisation, die gegründet wurde, um die Einführung von Ethernet
in Metronetzen weltweit zu beschleunigen. Das Gremium zählt mehr als 65 Mitgliedsunternehmen,
darunter verschiedene Ethernet-Dienstleistungsanbieter, Citynetzbetreiber, Anbieter von
Netzwerkausrüstung und andere Netzwerkunternehmen. Mit der Definition von Carrier Ethernet und der
Verabschiedung eines zugehörigen Zertifizierungsprogramms nimmt das MEF zunehmend
Vermarktungsaufgaben war – ähnlich wie es die Wi-Fi-Organisation für WLANs tut. Bereits im März
dieses Jahres hat das MEF die "Ethernet in the First Mile Alliance" (EFMA) integriert. Bekanntestes
Resultat dieser Organisation war eine Standardsammlung für Ethernet in öffentlichen Zugangsnetzen
sowohl für Kupfer- als auch optische Medien, die Mitte 2004 veröffentlicht wurde. Eine Reihe von
EFMA-Mitgliedsunternehmen wie Cisco, Extreme Networks und Hatteras Networks waren ohnehin bereits
auch Mitglieder im MEF. Andere ehemalige EFMA-Mitglieder haben angekündigt, nun ebenfalls dem MEF
beizutreten und dort die weitere Entwicklung von Ethernet als Access-Technologie zu fördern.
Prominentestes Beispiel dafür ist Ericsson.

Summa summarum scheint Ethernet mithilfe seines Schöpfers Bob Metcalfe und dem MEF nun zum
großen Rundumschlag auszuholen. Ziel ist es, in WANs und Funknetzen eine ähnliche Dominanz zu
erzielen, wie im LAN. Dort beträgt der Ethernet-Anteil über 90 Prozent. "Man sagt, dass die ganze
Welt bald nur noch eine Sprache sprechen wird, und dem stimme ich gerne zu", so Nan Chen. "Hierbei
handelt es sich allerdings weder um Englisch, noch um Spanisch oder gar Chinesisch – sondern um
Ethernet!"


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