Remote Work, KI und die Zukunft der Arbeit

Parallelwelten

2. März 2023, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Der Technologie-Influencer von Welt war letztes Jahr Blockchain-, Bitcoin- oder Metaverse-Experte, dieses Jahr hingegen ist er ChatGPT-Berater. Denn die Konversations-KI (künstliche Intelligenz) ChatGPT beflügelt die Phantasie: Unser Influencer von Welt inszeniert hier gerne eine Zukunft, in der man elegant von Workation zu Workation jettet und eine KI den Großteil der Arbeit erledigen lässt, während man, die Füße im Pool, den Sonnenschein genießt und parallel per AR-Brille (Augmented Reality) mit Kollegen oder Kunden konferiert. Doch auf dem Weg zur schönen neuen Arbeitswelt lauern noch einige Hindernisse.

Anno 3 n.Cor. (nach Coronabeginn) wissen wir: Beschäftigte können remote ebenso produktiv sein wie im Büro, mitunter sogar produktiver. Nach – hoffentlich – überwundener Pandemie kommt daher manch ein Büroling auf die Idee, dem grauslig-kalten Deutschland zu entfliehen und sein Notebook irgendwo aufzuklappen, wo es lauschiger und möglichst auch strandnäher ist. Dafür haben trendige Wortneuschöpfer die trendige Wortneuschöpfung „Workation“ erfunden (auch „Workcation“ geschrieben). Das Kofferwort aus „Work“ und „Vacation“ steht für ein Konzept, das sich früher ganz altbacken und un-influencerisch „Arbeitsurlaub“ nannte: Man werkelt, aber eben nicht im Büro, sondern irgendwo, wo’s schön ist.

Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Auf Instagram, YouTube & Co. finden sich viele bunte Bilder von Menschen, die dekorativ und ultra-relaxed irgendwo in Exotistan am Pool, im Wohnmobil (#VanLife), am Strand oder an anderen fotogenen Lokationen arbeiten – moderne Technik macht’s möglich. Der digitale Nomade – und damit auch der Büroexilant – braucht dazu schließlich nur Smartphone und Notebook, ein WLAN mit solider Internet-anbindung sowie möglichst ein paar Sicherheitsmechanismen wie MFA (Mehr-Faktor-Authenfizierung) und SASE (Secure Access Service Edge). Per Digital Workspace oder DaaS (Desktop as a Service) lässt sich der Zugriff auf Unternehmensressourcen zusätzlich absichern und datenschutzkonform gestalten, unabhängig vom Arbeits- oder Arbeitsurlaubsort.

Technisch gesehen ist also das Eintauchen in die Workation-Parallelwelt – Füße im Pool, Kopf und Oberkörper im Online-Meeting – längst kein Problem mehr. Wer schnell mal für ein Arbeitsurläubchen (je nach Budget) nach Malle oder auf die Malediven jetten will, dem versperren ganz andere Hürden den Weg zum Check-in-Schalter. „Mit Workation startet die nächste Stufe des unbeschränkten mobilen Arbeitens von irgendwo“, sagt Frank Roth, Vorstand des auf „Future of Work“-Themen spezialisierten Softwarehauses App-Sphere. Den Unternehmen seien dabei jedoch Grenzen gesetzt: „Es gilt bei aller Euphorie, die im Ausland geltenden steuerlichen, rechtlichen, arbeitsplatzbezogenen und versicherungstechnischen Gesetze und Vorschriften einzuhalten, um sich nicht strafbar zu machen“, so Roth weiter.  „Somit wird Workation zur Abwägungssache zwischen Chance und Risiko.“ Als Megatrend für Angestellte wie das Home-Office werde sich der Ansatz deshalb „sicher nicht durchsetzen“.

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Ein Mann auf Workation laut der Text-zu-Bild-KI Dall-E 2
Ein Mann auf Workation laut der Text-zu-Bild-KI Dall-E 2. Generative KI hat (noch) Probleme mit Händen und Gliedmaßen. Der Mann im Bild hat entweder drei Unterarme, oder eine hautfarbene Schlange beißt gerade in sein Notebook.
© Dr. Wilhelm Greiner mittels NightCafé

Denn zu Aspekten wie einer Doppelbesteuerung bei längerem Auslandsaufenthalt kommen diverse weitere Fußangeln, zum Beispiel Haftungsfragen: Wer zahlt, wenn das Unternehmens-Notebook in den Pool fällt? Wer bei einem beruflich genutzten Privat-Laptop? Wer haftet bei Krankheit oder Unfall? Solange alles reibungslos läuft, ist der Einsatzort heute unerheblich – aber wer bezahlt den kurzfristigen und somit gnadenlos überteuerten Rückflug, wenn ein Kundenprojekt gegen die Wand zu fahren droht und der Kunde den arbeitsurlaubenden Projekt-Manager vor Ort sehen will, und zwar (*pocht auf Zifferblatt der Armbanduhr*) jetzt gleich?

So stellt sich die Text-zu-Bild-KI Stable Diffusion einen Mann auf Workation vor
So stellt sich die Text-zu-Bild-KI Stable Diffusion einen Mann auf Workation vor – mit gleich drei Notebooks. Wahrscheinlich sind die Tastaturen der ersten beiden voller Sand.
© Dr. Wilhelm Greiner mittels NightCafé

Außerdem stellen sich Fragen der Unternehmenskultur: Wenn Kollegin Meier von Ibiza aus arbeiten darf, dann will Kollege Müller das vielleicht auch – selbst wenn sein Berufsbild derlei nur bedingt zulässt. Hier droht eine Kluft zwischen zwei ganz anderen Parallelwelten: nicht zwischen online und offline, sondern zwischen digital gestützt jettend und sich benachteiligt fühlend. Will ein Beschäftigter auf Biegen und Brechen mal für Wochen oder Monate vom Ausland aus arbeiten, so AppSphere-Vorstand Roth, dann müsse man notfalls eben das Arbeitsverhältnis lösen und mit dem Betreffenden einen neuen Vertrag schließen. Denn für Freiberufler und Selbstständige gelten ganz andere Gesetze – dann jettet der reiselustige Digitalnomade eben auf eigenes Risiko drauflos.


  1. Parallelwelten
  2. Dichter und Definierer
  3. Arbeiten und arbeiten lassen

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