Unter falscher Flagge

Gefälschte Hardware in der Informationstechnik

18. Oktober 2007, 22:00 Uhr | Matthias Wiemers/wj Matthias Wiemers arbeitet als freier IT-Autor in Lilienthal.

Von der Bekleidungsindustrie her ist Produktpiraterie seit langem bekannt. Man rechnet deshalb damit, dass das superbillige Gucci-Täschchen vom Straßenhändler in Avignon bei näherem Hinsehen vielleicht aus einem weniger renommierten Stall kommt. Dass das gleiche Geschäftsmodell auch bei Switches, Routern und Firewalls existiert, wissen nur wenige. Für die Verfügbarkeit der IT-Infrastrukturist ist die Situation aber bisweilen fatal.

Auf den Basaren vieler Urlaubsländer stapeln sich unzählige Designerhandtaschen oder
Armbanduhren bestimmter Luxusmarken zu einladend günstigen Preisen. So mancher Tourist greift trotz
des Wissens um die illegale Herkunft der Waren gerne zu. Unrechtmäßig kopierte Produkte erobern
nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens, seien es Bekleidung, MP3-Player, Handys, Sportartikel,
Zigaretten, Rasierklingen oder Computerteile. Besonders brisant: Flugzeug- und Automobilersatzteile
sowie hochtechnische Medizinprodukte stehen ebenfalls auf der Liste der Betrüger. Hier steht die
Qualität erfahrungsgemäß weit hinter der des Originals zurück, sodass Leib und Leben bei Benutzung
bedroht werden. Fabriken der Produktpiraten finden sich überwiegend in Fernost, denn hier senken
geringe Personalkosten und billige, nicht selten minderwertige Rohmaterialien den Preis. Durch die
trügerische Aufmachung als teures Markenprodukt steigen allerdings die Gewinne, das Ziel der
Fälscher ist erreicht.

Die IT kennt Markenpiraterie inzwischen auch. Allein im Jahr 2005 zog der deutsche Zoll bei 7216
Beschlagnahmefällen an der Grenze rund 500.000 nachgemachte Druckerpatronen für
Hewlett-Packard-Geräte aus dem Verkehr, über 440.000 gefälschte Datenträger des Unternehmens
Philips Electronics fanden die Experten ebenfalls. Hier handelt es sich nur um tatsächlich
aufgedeckte Fälle, die Dunkelziffer ist kaum zu benennen.

Nachahmungen täuschen auch Spezialisten

Hochwertige Computerteile und Netzwerkequipment gehören ebenfalls zum Repertoire der
Warenfälscher – und so arbeiten täuschend echt nachgemachte Router, Druckerpatronen und Prozessoren
in manchem Büro, teils unerkannt, teils durchaus mehr oder weniger bewusst von den Anwendern
genutzt.

Mehr denn je nehmen Markenhersteller darum das Thema Produktpiraterie sehr ernst. Hersteller wie
etwa Cisco oder Apple kämpfen deshalb gegen den Klau von Idee, Know-how, Design und Image. Ob Ipod
oder Netzwerk-Router, der Schaden für den ursprünglichen Produzenten erreicht oft Millionenbeträge.
Hohe Ausfallraten bei den unrechtmäßigen Kopien sorgen für Reklamationen unwissender Nutzer,
untergraben das Vertrauen in die tatsächliche Marke – und im Zweifel greifen verärgerte Kunden auf
andere Hersteller zurück, was für den rechtmäßigen Produzenten doppelt ärgerlich ist. Allein in
Deutschland gehen laut Schätzungen der Industrie- und Handelskammer jährlich etwa 70.000
Arbeitsplätze aufgrund von Produktpiraterie verloren. Der Gegenwert aller vom Zoll im Jahr 2005
sichergestellten Waren betrug 213 Millionen Euro. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 11,5
Millionen Produkte sichergestellt, mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr zuvor. Um Kunden von
der angeblichen Echtheit ihrer Fabrikate zu überzeugen, gehen raffinierte Preller jeden Weg.
Firmenlogos, Verpackungen und Funktion sind auf den ersten Blick authentisch, doch bei genauerem
Hinsehen ergeben sich häufig erste Abweichungen. Weitere Unterschiede bestehen bei der
Langlebigkeit.

Angebote von anonymen Lieferanten

Max Kühne, Managing Director bei Tecowin, kennt diese Probleme aus erster Hand. Als Händler für
Computernetzwerktechnik stieß er bereits auf zahlreiche Angebote, imitierte Geräte von anonymen
Lieferanten abzunehmen. Laut Kühne gestaltet sich die Unterscheidung von Original und Fälschung als
zunehmend problematisch. Als Grund nennt Kühne unter anderem die unabhängigen Zulieferbetriebe, die
echte Einzelteile oder ganze Baugruppen herstellen und Überproduktionen zu lukrativen Konditionen
an die Fälschungsindustrie verkaufen. Doch die noch relativ hohe Qualität, die aus diesem
Produktions- und Vertriebsweg resultiert, ist nicht längst nicht bei allen Fälschungen die
Regel.

Zur Erkennung sind umfangreiche Tests erforderlich

Um Fälschungen zu erkennen, genügt oft noch eine wachsame Musterung der soeben erstandenen
Produkte. Dennoch finden sich immer wieder Geräte, die sich nur sehr schwer vom Original
unterscheiden. Dann sind selbst die tatsächlichen Hersteller zu umfangreichen Tests gezwungen, um
zweifelsfrei eine unerlaubte Kopie als solche einzustufen. So greifen Unternehmen wie
beispielsweise Cisco bei Verdachtsfällen auf interne Mitarbeiter zurück, die verdächtige Geräte
genauestens unter die Lupe nehmen. Dabei werden nicht selten einzelne Bauteile aufwändig
kontrolliert. Welche Merkmale die Unterscheidung zwischen echt und falsch tatsächlich ermöglichen,
bleibt leider Verschlusssache. Endkunden haben aber in kaum einem Fall Gelegenheit, entsprechend
tiefgreifende Tests durchzuführen. Ein Restrisiko, einem Fälscher auf den Leim zu gehen, bleibt
also leider immer bestehen.

Allerdings finden sich nicht nur beim Produkt selbst eventuelle Spuren, die auf eine Raubkopie
schließen lassen. Die deutsche Zollverwaltung mit Sitz in München nennt einige Merkmale, auf die
gewerbliche wie private Verbraucher beim Kauf achten sollten. Zunächst gibt der Preis einen ersten
Hinweis – liegt dieser bei Neuware deutlich unterhalb der Herstellerempfehlung, ist Vorsicht
geboten: Hier gilt eben auch, was man bei Rolex, Breitling, Boss und Strenesse ganz
selbstverständlich beherzigt. Gerade entsprechende Angebote bei Onlineauktionsbörsen deuten nicht
selten bereits auf Piraterie, Diebesgut oder Grauimporte.

Beim Registrierungsversuch fliegt die Täuschung auf

In jedem Fall entstehen dem Käufer von Fälschungen entsprechende Nachteile, etwa bei
Garantieansprüchen – manchen Kunden erreicht die Erkenntnis, dass er einem Betrüger aufgesessen
ist, gerade beim Versuch, sein Gerät beim Support des vermeintlichen Herstellers zu
registrieren.

Besteht die Möglichkeit, Liefer- oder Zollpapiere einzusehen, erschließen sich auch hier
wichtige Erkennungszeichen. Weichen essenzielle Angaben wie Zollverfahren, Namen oder Anschriften
vom bekannten Muster ab, sollte dies ein Anlass zur näheren Prüfung sein. Weiterhin stellt die
Verpackung der Ware ein Sicherheitsmerkmal dar. Spezielle Umkartons, besondere Formen,
Farbgebungen, Druckqualität, Sicherungsmerkmale, Hologrammaufkleber oder Aufdrucke wie die
Artikelbezeichnung spielen bei der Echtheitsverifizierung eine große Rolle. Zusätzlich liefert die
Ausstattung Anhaltspunkte: Das Fehlen obligatorischer Dreingaben oder eine minderwertige Qualität
von Beipackzetteln, Garantiezertifikaten, Seriennummer, Sicherheitsetiketten, Kabeln, CD-ROMs oder
Gebrauchsanleitungen kann auf einen Betrug hindeuten. Selbst die Platzierung der Firmenlogos
liefert in manchen Fällen bereits einen ersten Beweis. Schon bei geringen Verdachtsmomenten hilft
die Kontaktaufnahme mit dem Händler oder Hersteller zur Klärung des Sachverhalts.

Nur den Händlern drohen die Strafen

Neben der zu erwartenden Minderqualität stehen darüber hinaus juristische Konsequenzen für
Händler und Hersteller im Raum. Nachahmung von Design und Technologien oder die unerlaubte Nutzung
bekannter Produktnamen gilt als Zuwiderhandlung gegen Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster-
oder Namensrechte. Häufig kopierte Erzeugnisse wie Musikstücke, Bücher, Hörbucher oder Filme stehen
unter dem Schutz des geistigen Urheberrechts. Bei Verstößen nennt der auf Marken- und Urheberrecht
spezialisierte Hamburger Rechtsanwalt Nikolai Klute strafrechtliche Maßnahmen wie hohe Geld- oder
Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. Zivilrechtliche Schritte können nicht minder finanziell
belastende Beschlagnahmungen, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sein. Gesetze wie das
Urheberrecht (Paragraph 106,107 und 108 UrhG) sowie das Markengesetz (Paragraph 143 MarkenG) geben
entsprechende Anhaltspunkte.

Der Wiederverkauf hat Strafen zur Folge

Für die Endkunden, in deren Netze gefälschte Hardwareprodukte gelangt sind, stehen in der Regel
kaum rechtliche Konsequenzen zu befürchten. Wer allerdings nachgemachte Ware wieder veräußern
möchte, tritt bereits in den Kreis des Handels ein. Hier gelten dann durchaus wieder die Strafen,
die bereits ausführlich beschrieben wurden. Daher bergen illegal erstellte Artikel stets auf
verschiedenen Ebenen unkalkulierbare Risiken für den vielleicht unfreiwilligen Nutzer.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+