Experteneinschätzungen: Sind Bildungseinrichtungen besonders attraktive Ziele für Hacker?

Hacker in der Schule?

9. Mai 2023, 7:00 Uhr | Jörg Schröper
© Wolfgang Traub

Bildungsinstitute stehen zunehmend unter Beschuss durch Cyberkriminelle. Dieser Befund scheint sich zumindest aus den Schlagzeilen aufzudrängen: So zum Beispiel angesichts eines Angriffs auf sieben Schulen in der Stadt Karlsruhe, das Münchener Helmholtz-Zentrum oder flächendeckende Attacken auf Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen sind einer der zahlreichen öffentlichen Bereiche – neben Krankenhäusern, Versorgungsbetrieben oder Behörden – die sich die Hacker zunehmend zu erobern scheinen. Doch ist dies auch so? Und wenn ja: Warum?

Sind Schulen, Universitäten und Institute verstärkt im Visier von Angriffen? In der Hauptsache sind für die meisten Experten Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen nicht vorrangige und besonders attraktive Ziele für Hacker. Generell suchen Cyberkriminelle zunächst nach Schwachstellen und erst dann nach Branchen. Dennoch sehen die Experten durchaus eine gewisse Attraktivität von Bildungsinstitutionen – was nicht nur mit mangelnden IT-Ressourcen zu tun hat.

Für Tom Haak, den CEO von Lywand, „wissen Hacker meist gar nicht, welche Einrichtungen sie angreifen. Allein in Österreich ist uns eine Reihe von Bildungseinrichtungen bekannt, die in den letzten Wochen und Monaten Opfer eines Ransomware-Angriffs geworden sind. Dies ist der aktuellen Vorgehensweise von Cyberkriminellen geschuldet. Sie arbeiten kaum zielgerichtet, sondern operieren nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung, indem sie ihre Angriffskampagnen breit und automatisiert ausrollen.“

Entsprechend suchten sie nicht gezielt den Weg in bestimmte Branchen, sondern lediglich den Weg des geringsten Widerstands. Für Hacker sei es nachrangig, wen sie angreifen aber ungleich bedeutender, einen Weg in fremde Infrastrukturen zu finden, so Lywand weiter.

Zu einem ähnlichen Urteil kommt Thomas Krause, Regional Director DACH bei ForeNova: „IT-Architekturen an Universitäten, Schulen oder Forschungsinstituten sind im gleichen Maße gefährdet wie die IT anderer klein- und mittelständischer Unternehmen. Hacker wissen, dass auch Bildungsträger sich eine Unterbrechung ihres Betriebs und vor allem einen Vertrauensverlust in einer sensiblen Öffentlichkeit durch Offenlegen personenbezogener Daten nicht erlauben können. Für ihre Erpressungsgelder können sie also eine grundsätzliche Zahlungsbereitschaft vermuten. Ein Angriffsversuch lohnt sich, zumal Bedrohungsarsenal eh bereitsteht. Zudem sehen Hacker Schwachstellen in der IT durch opportunistische und automatisierte Schwachstellen-Scans. Eine Schule mag für Hacker vielleicht wirtschaftlich nicht sehr interessant sein, eine Universität schon eher.“ 

Auch für Ari Albertini, CEO bei FTAPI, greifen viele Hacker Schulen und andere Bildungseinrichtungen nicht zuallererst deshalb an, „weil Schulen auf ihrer Agenda stehen. Sie sind ein weiteres Opfer von Phishing-Emails oder Viren, die aktuell im Umlauf sind.“

Die Attraktivität von Bildungseinrichtungen für die Cyberkriminellen lasse sich jedoch nicht über einen Kamm scheren, so Albertini weiter: „Der Bedrohungsgrad ist stark von der Art der Bildungseinrichtung abhängig. Meiner Einschätzung nach sind Grundschulen und Gymnasien keine lukrativen Ziele für Cyberkriminelle. Allerdings werden Schulen immer digitaler und öffnen damit neue Angriffsflächen und Einfallstore für Angriffe von außen.“

Bei Universitäten und Hochschulen verhalte es sich dann schon anders: Sie verarbeiten kritische Daten aus der Forschung und Entwicklung, die für Cyberkriminelle unter Umständen sehr lukrativ sein können. Darüber hinaus verfügen Universitäten auch über deutlich mehr Budget. Ähnlich ist die Lage bei Forschungsinstituten: Einrichtungen und Organisationen, die sich etwa mit Künstlicher Intelligenz befassen, versprechen kapitalisierbare Informationen.

Außerdem verfügen sie über die finanziellen Mittel und verspüren auch den Druck, um auch ein hohes Lösegeld schnell bezahlen zu können. Für Albertini gehen Hacker durchaus auch Branchen gezielt an: „Man darf nicht vergessen, dass hinter jeder Cyberattacke immer noch einiges an Arbeit steckt. Die Cyberkriminellen leisten Vorarbeiten, recherchieren, beobachten und analysieren. Sie eignen sich Wissen über bestimmte Branchen an und nutzen dieses, um die Schwachstellen, die sie dabei finden, bestmöglich auszunutzen.“

Oft reiche als Motivation einfach der Erfolg, das Bloßstellen der Bildungseinrichtung oder die Möglichkeit, sozusagen eine virtuell hingeschmierte Zahnlücke oder einen Schnauzbart auf den Monitoren zu hinterlassen.

Michael Eder von Concept International, Business Development Manager und Experte für den Bereich Bildung, sieht Bildungseinrichtungen „nicht auf den beliebtesten Plätzen bei Hackerangriffen, weil weniger geschäftskritische Schäden verursacht werden als bei einem multinationalen Konzern“.

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