Künstliche Intelligenz in der Cybersecurity

Zwischen Marketing und ML

21. Februar 2023, 7:00 Uhr | Gerald Hahn/wg
Die Unterschiede zwischen schwacher und starker KI im Überblick.
© Gerald Hahn

Im Februar 2017 präsentierte die Cybersecurity-Branche auf der RSA Conference in San Francisco erstmals im großen Stil KI (Künstliche Intelligenz) als große Neuerung (siehe LANline 4/2017) – fast kein Hersteller, der nicht mit den übernatürlichen Kräften seiner KI warb. Den Lösungen, die unbekannte Angriffe aufgrund ihres Verhaltens erkennen, wurde damals der große Durchbruch vorhergesagt. Passiert ist bis heute relativ wenig: Nach wie vor dominieren in der Masse der Unternehmen die klassischen signaturbasierten IT-Security-Lösungen.

Die Geschichte der KI in der IT-Security ist jedenfalls verhältnismäßig kurz. KI schien damals aus dem Nichts im Tech-Universum aufzutauchen – und stellte sich erst einmal nur als großer Marketing-Trick heraus. Chapeau! Denn die ganze Welt hat aufgehorcht. Ganze Industrien sind um das neue, verheißungsvolle Feld der KI entstanden. Zeitweise wirkte es, als hätte die künstliche Intelligenz der natürlichen nun gänzlich den Rang abgelaufen.

„Dabei sein ist alles!“

Kurz nachdem das Thema KI auf der RSA Conference 2017 seinen großen Auftritt hatte, entstand eine gewisse Panik unter den Anbietern. Diejenigen, die proklamierten, bereits mit KI zu arbeiten, mussten noch „eins drauflegen“ um sich hervorzuheben; und die Player, die das Schlagwort noch nicht in ihrer Marketing-Strategie verarbeitet hatten, nahmen es mit auf. Ganz nach dem Motto: „Bloß den neuen Trend nicht verpassen! Denn dabei sein ist alles.“ FOMO („the fear of missing out“, die Angst, etwas zu verpassen) macht also auch vor den Security-Granden nicht halt. Es gibt schließlich auch eine Menge zu gewinnen, nicht zuletzt durch geschicktes Marketing.

Um das Thema KI auch nur ansatzweise zu verstehen, gilt es zunächst, einige Fragen zu beantworten, vor allem: Gibt es eine einheitliche Definition von Intelligenz? Bis heute gibt es keine einheitliche Begriffsdefinition. Einig sind sich die Forscher darüber, dass Intelligenz die Verbindung der kognitiven Fähigkeiten ist, die analytisches Denken, Urteilsvermögen, Entscheidungskompetenz und ein Bewusstsein umfasst, aber auch geistige Fähigkeiten wie das Wahrnehmen und Verarbeiten von Emotionen. Auch Persönlichkeit und Kreativität spielen eine zentrale Rolle. Modernere Ansätze unterteilen Intelligenz in mathematische, sprachliche, technische, musische und emotionale Intelligenz. Je nach Kontext ist der Intelligenzbegriff differenziert zu verstehen. Dies lässt im Zusammenhang mit KI den nötigen Raum für Interpretationen.

In welchem Kontext tritt Intelligenz auf? Intelligenz existiert nicht losgelöst in der Raumzeit, sondern ist ein Phänomen des Bewusstseins (implizit eingebettet). Daraus ergibt sich die Frage: Was ist Bewusstsein? Genauer: Wie ist der Begriff im jeweiligen (KI-)Kontext definiert, damit die Erläuterung entsprechend schlüssig sein kann? Und: Welche Rolle spielt das Bewusstsein? Laut „Starker-KI-These“ sind Intelligenz und Bewusstsein zwei Aspekte, die gemeinsam auftreten und miteinander verknüpft sind. Jeweils abzugrenzen ist, inwiefern sie sich selbst organisieren, reduplizieren, stabile Strukturen bilden und nicht unbedingt biologischen Ursprungs sein müssen. Die „Schwache-KI-These“ hingegen nimmt an, dass Intelligenz schlicht Informationsverarbeitung ist.

Die schwache KI beschränkt sich meist auf das Lernen sehr spezieller Erkennungsmuster  (Machine Learning, ML) und das Abarbeiten klar definierter Aufgaben, die zwar komplex sein können, aber immer wiederkehren. Sie eignet sich damit hervorragend zur Automatisierung. Eine starke KI hingegen kann selbstständig Aufgaben erkennen und definieren und sich dann selbstständig Wissen erarbeiten, aufbauen und anwenden. Dazu gehört auch Kreativität.

Kürzlich eroberte die Aussage eines inzwischen ehemaligen Google-Mitarbeiters die Schlagzeilen: Er hatte behauptet, dass eine Maschine Bewusstsein erlangt hätte. Damit wäre sie laut aktuell gültiger Definition auch intelligent. Einzig und allein der wissenschaftliche Nachweis fehlt. Für die Selbstvermarktung ist ihm sicherlich ein guter Coup gelungen.

Von KI sprechen wir aktuell als konsequente Weiterentwicklung der Computertechnologie, womöglich gar als neue Computerrevolution. Diese Systeme, die lernen und sich weiterentwickeln, verarbeiten Massendaten immer noch nach Kategorien und Klassen, nur dass sie nun per ML-­Algorithmen mit „intelligenten“ Erkennungs- und Vorhersageverfahren ausgestattet sind – deren Intelligenz sich (noch) nicht beweisen lässt.

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