Neuerungen bei Windows Server 2012

Ein ganz anderer Windows-Server

14. November 2012, 7:00 Uhr | Thomas Bär und Frank-Michael Schlede/jos

2012 ist ein Jahr der Veränderungen für Windows: Mit einer radikal neuen Oberfläche präsentierte Microsoft im Oktober das Client-System Windows 8. Doch für den Netzwerker noch viel wichtiger: Mit Windows Server 2012 steht nun auch für die zentrale Rolle im Netzwerk und im Rechenzentren ein komplett neues Release zur Verfügung.Am 4. September 2012 brachte Microsoft die fertige Version seines Server-Betriebssystems als Windows Server 2012 auf den Markt. Fast selbstverständlich hat das Erscheinen bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit hervorgerufen wie das Client-System Windows 8, das ab dem 26. Oktober zur Verfügung steht. Dabei verdient gerade das neue Server-Release deutlich mehr Beachtung: Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hatten Microsoft-Mitarbeiter von dem größten Wechseln beim Server-Betriebssystem seit der Einführung von Windows 2000 geredet. Auch wenn Firmenvertreter in solchen Fällen gern zu Übertreibungen neigen: Schon wer einen Blick auf den fast 200 Seiten umfassenden Evaluation Guide wirft, sieht schnell, wie viele Änderungen und neue Features hier zu finden sind. Das LANline-Testteam hat das Betriebssystem installiert, einen Blick auf die Neuerungen geworfen und stellt hier eine Auswahl der interessantesten Veränderung vor.

Vier Editionen, gemeinsame Features und Daten
Der Windows Server 2012 wird (bis zum Ende des Jahres) in insgesamt vier unterschiedlichen Versionen zur Verfügung stehen:
Windows Server 2012 Datacenter: Die "große" Variante des Windows-Servers kann mit einer unbegrenzten Anzahl virtueller Instanzen arbeiten. Die Lizenzierung erfolgt nach Prozessoren (bis zu zwei Prozessoren pro Lizenz) und CALs (Client Access License).
Server 2012 Standard: Diese Version ist wie die Datacenter-Edition nach Prozessoren lizenziert, auch dabei können bis zu zwei Prozessoren mit einer Lizenz laufen, die Anzahl der virtuellen Instanzen ist jedoch auf zwei pro Lizenz beschränkt. Im Gegensatz zu vorher (bis Windows Server 2008 R2) gibt es keine Unterschiede bei den Features: Die Standardversion umfasst die selben Features wie die Datacenter-Edition.
Server 2012 Essentials: Dies ist der designierte Nachfolger des SBS (Small Business Servers), den Microsoft in der bisher bekannten Konstellation zusammen mit Anwendungs-Servern wie Exchange nicht mehr anbietet. Alternativ sollen Kunden auf Microsofts Cloud-Dienste ausweichen. Diese Edition wird erst ab Dezember 2012 erhältlich sein, enthält keine Virtualisierungsrechte und kann mit bis zu 25 Benutzerkonten arbeiten.
Server 2012 Foundation (nur OEMs): Die ganz kleine Variante des Windows-Servers umfasst ebenfalls keine Virtualisierungsrechte, bietet grundlegende Server-Funktionen (Active Directory, Remote Access sowie Datei- und Druckerdienste) und kann mit bis zu 15 Benutzerkonten arbeiten.
Die Lizenzen berechnet Microsoft pro Prozessorsockel. Die Anzahl der im Prozessor arbeitenden Prozessorkerne ist dabei unerheblich. Die Lizenzen für den Zugriff durch die Client-Systeme auf die beiden "Hauptversionen" Standard und Datacenter, die so genannten CALs (Client Access License), muss ein Kunde für den Windows Server 2012 neu erwerben - es ist nicht möglich, dass er mit den CALs einer früheren Server-Version wie Windows Server 2008 R2 arbeitet.
Wenn es um die Daten der neuen Server-Generation geht, kann Microsoft eindrucksvolle Zahlen präsentieren: Konnte der Windows Server 2008 R2 noch bis zu 64 Prozessoren unterstützen, so wuchs diese Zahl beim neuen Server auf 320 Prozessoren. Als Grenzwert für den physischen Speicher gibt Microsoft nun 4 TByte an. Besonders gerne hebt der Hersteller dabei die Verbesserung im Bereich der Virtualisierung durch die neue Version 3 von Hyper-V hervor, konkurriert man dabei doch mit der riesigen Übermacht von VMware. So kann die integrierte Virtualisierungslösung nun bis zu 1.024 virtuelle Prozessoren pro Host-System und bis zu 64 dieser virtuellen Prozessoren pro virtueller Maschine unterstützen.
Auch der Hauptspeicher, den eine VM verwenden kann, ist nun deutlich erweitert: Von bis 64 GByte beim Windows Server 2008 R2 zeigt sich die Grenze nun auf 1 TByte Hauptspeicher pro virtueller Maschine erhöht. Die virtuellen Festplatten können durch eine neues Dateiformat (VHDX) nun bis einer Größe von 64 TByte anwachsen: Insgesamt soll ein Windows Server dazu in der Lage sein, bis zu 8.000 virtuelle Maschinen zu betreiben.

Wie fühlt sich der neue Windows-Server an?
Schon bei der Installation fällt eine Änderung auf: Wie bisher fragt das System den Administrator, ob er die Server-Version mit der vollständigen grafischen Benutzeroberfläche oder die Core-Version des Servers installieren möchte. Zwar gab es diese Frage auch schon beim Windows Server 2008 und der R2-Version dieses Servers, aber im Unterschied zu den bisherigen Systemen ist nun standardmäßig die Core-Variante - also der Server, der nur mit einer Steuerung über die Kommandozeile zu verwalten ist - vorausgewählt. Wer an dieser Stelle zu schnell seine Auswahl traf und nun doch lieber wieder den "richtigen Windows Server" auf seinem System benötigt, wird über eine weitere Neuerung glücklich sein: Mussten Administrator bis zum Windows Server 2008 R2 den kompletten Server neu installieren, wenn sie von der Core- auf die Windows-Variante (oder umgekehrt) wechseln wollten, so kann dies nun ohne Neuinstallation geschehen, da auch die Windows-Oberfläche in Form einer Rolle zur Verfügung steht und sich so einfach hinzufügen oder wieder wegnehmen lässt. Ein Neustart ist dabei natürlich notwendig, jedoch sicher weniger aufwändig als eine komplette Neuinstallation.
Insgesamt verstärkt Microsoft mit diesem Release aber den Trend zur Bedienung und Administration des Servers über die Kommandozeile oder per Powershell-Skript. Dem Administrator stehen mit dem Windows Server 2012 insgesamt 2.400 Powershell-Befehle (Cmdlets) zur Verfügung. Zudem betonen die Microsoft-Mitarbeiter immer wieder, dass Administratoren sich schon deshalb intensiv mit dieser Scripting-Sprache auseinandersetzen sollten, weil zwar alle Funktionen des Servers per Powershell zu verwalten seien, einige der Funktionen sich jedoch nicht von der Windows-Oberfläche erreichen und verwalten lassen.

Ungewohnte Oberfläche
Die Installation des neuen Server-Releases geht sehr schnell von der Hand. Nach dem Neustart präsentiert sich das Betriebssystem mit einer relativ schmucklosen Oberfläche (Bild 1). Dabei fällt genau wie beim Client-System sofort das Fehlen des Startmenüs auf, auch wenn der Server auch zum Glück seinen Administrator nicht gleich mit einer Kacheloberfläche "überfällt", sondern nach der Anmeldung direkt in der Standard-Windows-Oberfläche startet - falls der Administrator bei der Installation diese Variante gewählt hat.
Für Administratoren zahlt es sich aus, wenn sie sich schon etwas mit dem neuen Bedienkonzept vertraut gemacht haben, das der Hersteller nun sowohl Anwendern auf dem Client- als auch den Profis auf dem Server aufzwingt. Um beispielsweise das System herunterzufahren oder auch an die Systemsteuerung zu gelangen, muss der Administrator auf eine Menüleiste wechseln, die am rechten Bildschirmrand erscheint. Da er auf seinem Server-System eher selten ein Touchpad oder Tablet einsetzen wird (dort erscheinen diese Leisten durch eine Wischgeste), muss dies über Tastenkombinationen geschehen:
Per Windows-Taste + "I" gelangt er zu den Einstellungen (Bild 1),
per Windows-Taste + "C" gelangt er zu allgemeinen Menüleiste (Charms-Bar), und
per Windows-Taste allein wechselt er zum Startbildschirm.
Auf dem Startbildschirm finden sich dann leider auch die Kacheln wieder (Bild 2), die nun auf dem Server Programme und Einstellungen repräsentieren. Ein weiterer Druck auf die Windows-Taste lässt jedoch einen schnellen Wechsel zurück zur gewohnten Oberfläche zu.
Die wichtigste Änderung stellt an dieser Stelle der neue Server-Manager dar, der nach der Installation ebenfalls automatisch startet und dem Administrator mit dem so genannten Dashboard eine Übersicht über sein aktuelles oder aber auch andere Server-Systeme und -Gruppen präsentiert (Bild 3). Die schlicht gehaltene Oberfläche bietet Zugriff auf alle Administrationsaufgaben und unterstützt den Systemverwalter mit Assistenten und dem "Best Practice Analyser" bei seiner Arbeit. Bisher war es mit dem Server-Manager in der MMC (Microsoft Management Console) möglich, das System zu verwalten, auf dem sich der Administrator angemeldet hatte. Wollte er einen anderen Windows-Server verwalten, so musste er sich mittels einer Remote-Desktop-Verbindung auf dieses System aufschalten. Mit dem Server-Manager ist es nun möglich, mehrere Server zu verwalten und diese auch als Gruppen zu betreuen, die er selbst anlegen kann. Damit lassen sich Befehle gleichzeitig an eine ganze Reihe von Servern absetzen.
Neben weiteren Möglichkeiten, die dieses Tool bietet, wird es vielen Administratoren sicher besonders gut gefallen, dass Verwaltung, Installation und Deinstallation von Server-Rollen und -Features nun zusammen mit nur einem Assistenten ausführbar sind. Eine sinnvolle Entlastung in der täglichen Praxis.

Verbesserungen im Bereich Speicher und Netzwerke
Eine detaillierte Beschreibung aller Neuerungen, die beim Windows Server 2012 zur Verfügung stehen, würde den Rahmen dieses Artikels bei Weitem sprengen. So erfordert eine Darstellung der Erweiterungen und Verbesserungen bei Hyper-V einen eigenen Artikel. Im Bereich Speicher steht mit ReFS (Resilient File System) ein neues und verbessertes Dateisystemformat zur Verfügung. Durch eine interne Technik soll es besser und schneller auf Fehler reagieren und die Verfügbarkeit der Daten erhöhen können. Dieses Dateisystem ist aber von Microsoft explizit nur für Datenspeicher und Datei-Server gedacht - es kommt nicht für das Betriebssystem selbst oder die Anwendungen zum Einsatz.
Das ReFS-System soll laut Microsoft auch sehr gut mit der ebenfalls neuen Technik der Storage Spaces zusammenarbeiten, bei denen sich physische Datenträger als virtuelle Speicherpools zusammenfassen lassen. Diese Technik funktioniert mit normalen SATA- und SAS-Platten. Daher positioniert Microsoft sie als alternative Speichertechnik zwischen DAS (Direct Attached Disks) und einem SAN (Storage Area Network).

Für den Netzwerker
Das SMB-Protokoll (Server Message Block) zeigt sich bei dieser Server-Version ebenfalls komplett überarbeitet und steht nun in der Version 3.0 zur Verfügung. Diese soll unter anderem gerade bei Datei-Servern höhere Durchsätze ermöglichen und zudem einige neue Netzwerk-Features mitbringen. Das Protokoll soll eine erhöhte Netzwerkperformance durch den Einsatz von SMB Direct ermöglichen. Dabei unterstützt es RDMA-Adapter (Remote Direct Memory Access), die eine höhere Geschwindigkeit und geringere Latenz bewirken. Auch SMB Multichannel ist eine weitere Technik, die den Windows Server für den Einsatz als Datei-Server empfiehlt.
Zu den weiteren Neuerungen im Bereich Netzwerk zählen unter anderem:
Ein direkt ins Betriebssystem integriertes NIC-Teaming (lässt sich direkt über den Server-Manager ausführen),
Netzwerkvirtualisierung für Hyper-V,
IP-Adressverwaltung (IPAM - IP Address Management),
erhöhte DNS-Sicherheit durch DNS Security Extensions (DNSSEC), also ein Set von Erweiterungen für das DNS-Protokoll, das auch schon unter Windows Server 2008 R2 bereit stand, nun aber verbessert und erweitert,
iSCSI Target und Diskless-Boot von einem iSCSI-Device, also Eigenschaften, die zuvor nur im Window Storage Server zur Verfügung standen, und
DHCP Server Failover, wodurch DHCP-Server beim Ausfall eines Servers ein Failover durchführen, ohne dass dazu wie bisher ein Failover-Clustering notwendig ist. Die DHCP-Server können mittels dieses Protokolls die "Leases" ihrer IP-Adressen miteinander abgleichen, sodass ein unterbrechungsfreier Betrieb möglich ist.
Weitere, bereits vom Windows Server 2008 R2 bekannte Techniken wie Branch Cache und Direct Access sind laut Microsoft verbessert, wobei die neuen Features der beiden Techniken nur mit den neuen Clients unter Windows 8 funktionieren werden.

Der Autor auf LANline.de: BÄR
Der Autor auf LANline.de: Frank-Michael Schlede

Bild 4. Kleiner Ersatz für das Startmenü: Über das mit "Windows-Taste + X" zu erreichende Menü lassen sich die Systemkommandos ebenso wie der neue Task-Manager schnell starten.

Bild 3. Eine der augenfälligsten Änderungen: Der Server-Manager mit seiner neuen Oberfläche, dem "Dashboard" und der Fähigkeit, mehrere Server zu verwalten.

Bild 2. Wohl noch häufig diskutiert: Kacheln auch auf dem Server - sie erleichtern die Bedienung des Systems nicht wirklich, der Administrator muss sie zum Glück jedoch nicht zwingend verwenden.

Bild 1. Kein Startmenü auf dem "normalen" Windows-Desktop des Servers: Wer zu den Einstellungen oder auch zum Herunterfahren will, muss die Seitenleiste wie hier über "Windows-Taste + I" aufrufen.
LANline.

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