Integrierte Systeme im Smart Building

Einfache Theorie - komplexe Praxis

12. März 2018, 7:00 Uhr | Jochen Sauer

Integrierte Systeme in Gebäuden sollen für Sicherheit im Alltag sorgen und diesen erleichtern. Doch in der Praxis kommen viele Herausforderungen auf die Fachplaner und Facherrichter zu. Zusätzlich verstärkt der Fachkräftemangel die Problematik.

Smart Home und Smart Building sind zwei weit gefasste Begriffe. Da eine einheitliche Definition fehlt, haben selbst Fachleute teilweise Schwierigkeiten damit, diese im richtigen Kontext zu nutzen. Ein Systemintegrator, der diese Rolle übernehmen könnte, fehlt oftmals und die Verantwortlichkeiten sind in der Praxis, also bei der Implementierung eines smarten Systems im Smart Building, zwischen verschiedenen Herstellern und dem Netzwerkbetreiber verteilt. Dabei entstehen unbeabsichtigte Wechselwirkungen.

Hinzu kommen Situationen, in denen Gewerke nicht miteinander kommunizieren sollten - auch diesen Aspekt gilt es bei der Planung unbedingt zu bedenken. Heutzutage übernimmt meist derjenige den Part der Systemintegration, der den größten Anteil am Gesamtsystem hat. Einen speziell beauftragten, systemübergreifenden Integrator gibt es nicht.

Negative Wechselwirkungen

Aufgrund des fehlenden Systemintegrators kann es jedoch dazu kommen, dass zum Beispiel die Gewerke im Bereich Sicherheit nicht problemlos miteinander interagieren. Das heißt, dass Einbruchsmeldetechnik, Zugangskontrolle, Public-Adress- und Videosicherheitstechnik separat voneinander abgenommen werden und dadurch der Generalüberblick über die Vernetzung und die möglichen negativen Wechselwirkungen fehlt.

Dabei ist eine integrale Denkweise essenziell für den Erfolg: Betrachten Planer nur Teilbereiche, fallen Schnittstellen unter den Tisch. Zudem wird erwartet, dass ein Gesamtplaner alle Teilaspekte beherrscht. Das Produkt sollte bei der Planung jedoch in den Hintergrund und passgenaue Lösungen in den Vordergrund rücken. Erst durch die smarte Vernetzung verschmelzen die Gewerke zu einer globalen Komplettlösung.

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Durch die smarte Vernetzung verschiedener Sicherheitstechniken lassen sich in einem Smart Building verschiedene Lösungen zu einem integrierten System zusammenführen. Bild: Axis Communications

Die Anwender selbst wissen meist nicht, was sie benötigen. Wenn der Errichter dann keine Gefahren- und Bedarfsanalyse vor der Planung betreibt, verkauft er letztendlich Lösungen für Probleme, die vorher noch nicht vorhanden waren.

Allerdings ist auch der Facherrichter auf eine gute Fachplanung der zu installierenden Anlage angewiesen. In diesem Schritt macht sich jedoch der Fachkräftemangel bemerkbar: Viele Ausschreibungen erhalten nur noch "Copy and Paste"-Texte der letzten Jahre. Aktuelle Entwicklungen decken sie somit oftmals nur dürftig ab.

Bei einer korrekten Planung gilt es außerdem, die elektronische, mechanische, organisatorische und personelle Sicherheit zu berücksichtigen. Daher ist die Bewusstseinsschärfung des Anwenders von enormer Bedeutung, denn dieser setzt teilweise aufgrund fehlenden Fachwissens falsche Prioritäten. Die Grundlage einer jeden Beratung sollte mit der Gefahren- und Bedarfsanalyse beginnen und die gültigen Standards beziehungsweise Normen bei der Fachplanung berücksichtigen. Durch fehlendes Wissen kommt es oft dazu, dass Anwender ihre IT-Infrastruktur im ersten Schritt zwar gut schützen, aber leider bei der Wartung derselben sparen und sich dadurch im Lauf der Zeit immer mehr Schwachstellen einschleichen und sich Kriminellen somit Tür und Tor öffnet.

Vor der Tat halte Rat

Auf der anderen Seite müssen Errichter ihren Kunden klar aufzeigen, welchen Mehrwert ihnen die Vernetzung bringt. Bei Geschäftsgebäuden steht deren Sicherheit sowie Einsparungen, etwa beim Thema Energieeffizienz, im Fokus. Bewohner in einem Smart Home verlangen hingegen hauptsächlich hohen Komfort und Sicherheit. Planungen enthalten selten solche Aspekte, da keine allgemein gültigen Aussagen existieren.

Ein gutes Sicherheitskonzept als Basis schafft Abhilfe. Es sollte im Vorhinein klären, wie das System mit anderen vernetzt ist, mit welchen Gewerken es kommunizieren soll und mit welchen nicht. Das Konzept orientiert sich im Idealfall an der Gefahren- und Bedarfsanalyse mit allen gültigen Standards und Normen für Sicherheitstechnik. Dabei ist eine gute Qualität von Fachplanung und Ausführung besonders gefragt. Die Planung sollte eine ganzheitliche Betrachtung gewährleisten und Abhängigkeiten, zukünftige Wartungen etc. mitberücksichtigen.

Gewerkeübergreifende Normen

Ein durchaus größeres Problem stellen die Normen an sich dar, denn vorhandene Normen sind meist gar nicht bekannt und finden daher selten Anwendung. Die richtige Vorgehensweise ist die Berücksichtigung der relevanten Normen bereits bei der Auftragsvergabe. Die EN 62676-4 beschreibt zum Beispiel die Sicherungsanwendungen bei Videoüberwachungsanlagen. Sie umfasst die Anwendungsregeln, einheitliche Kriterien zur Beurteilung der Qualität der Video-Auflösung und vereinfacht die Kommunikation zwischen Nutzer, Fachplaner und Facherrichter, da hier eine einheitliche "Sprache" gesprochen wird und es zum Beispiel bei Auflösungen nicht mehr zu Missverständnissen kommt. Betreiber, Planer und Errichter erhalten durch eine solche normative Definition zudem eine höhere Rechtssicherheit und können somit gegebenenfalls spätere Diskussionen über das Ergebnis der umgesetzten Videoüberwachungstechnik sowie langwierige Gerichtsverfahren vermeiden. Denn mangelndes Wissen führt dazu, dass Kunden heutzutage kaum zwischen verschiedenen Lösungen vergleichen.

Gerade bei herstellereigenen Erklärungen ist Vorsicht geboten, da es dabei zu nicht ganz nachvollziehbaren Auslegungen, zum Beispiel bezüglich der Schutzklasse der Kamera, kommen kann. Daher sind Normen und das Verständnis von herstellereigenen Erklärungen von großer Wichtigkeit.

Zukunftsorientierte Planung

Die Technik entwickelt sich stets weiter, was im Gegensatz zu dem Gebäude steht, das für mehrere Jahrzehnte erbaut wird. Daher muss die Technik des Smart Buildings auch in der Zukunft funktionieren. Ansonsten versagt - aufgrund der Integration - die gesamte Gebäudetechnik in wenigen Jahren und wird überflüssig. Für den heutigen Bauherren bedeutet das, dass er bereits an Technologien denken sollte, die erst in ein paar Jahre in die Gebäudetechnik einfließen.

Moderne Gebäude müssen demnach über eine intelligente und vorausschauende Technik verfügen, damit sie sich auch in zukünftige Systeme integrieren lässt. Deshalb sollten Bauherren bereits heute anwenderneutrale, intelligente Netze für eine Zweit- oder Drittnutzung in Gebäude integrieren. Glasfaser beispielsweise ist seit jeher eine intelligente und zukunftssichere Datenautobahn. Denn die Nachrüstung der Infrastruktur in einem Gebäude ist immer teurer als eine Berücksichtigung im Erstausbau.

Besondere Gefahr droht bei kostengünstigeren "Plug and Play"-Lösungen, die eine einfache Handhabung versprechen. Ohne entsprechendes Fachwissen tauchen auch bei diesen Lösungen schnell Herausforderungen auf, die den Anwender enttäuschen und so die gesamte "Smart Home"-Branche in Verruf bringen können. Dennoch drängen immer mehr von diesen Systemen auf den Markt, denn auch die großen Player im IT-Bereich haben das Potenzial erkannt. Traditionelle Komponentenhersteller stehen nun unter dem Druck, nachzuziehen und einerseits einfach zu bedienende Lösungen anzubieten und andererseits ihre proprietären Systeme für Schnittstellen zu öffnen. Damit geht eine weitere Herausforderung einher, da die Sabotagegefahr steigt.

Ein komplexer Bestandteil ist dabei ebenfalls das Thema Datenschutz. Denn je höher dieser ist, desto geringer fällt der individuelle Komfort aus. Außerdem bauen große Unternehmen wie Google auf Big Data, da ohne Analyse der Daten ein vernetztes Haus nicht smart ist. Schließlich kann es ohne Datenanalyse nicht mitlernen. Während dieser Punkt in Deutschland noch kontrovers diskutiert wird, sind andere Länder schon weiter und haben erste selbstlernende Häuser implementiert.

Jochen Sauer ist Business Development Manager A&E bei Axis Communications, www.axis.com.


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